Andreas Steier, Mitglied im deutschen Bundestag, stellte sich den Fragen des 5VIER-Redakteur Christoph Bredemeyer. Dabei wurde über seine Arbeit im Bundestag und für die Region, die Digitalisierung, die Folgen der Corona-Krise und über die Beziehungen zu den USA gesprochen.
Teil eins des Interviews mit Andreas Steier. Die Themen: Beruf und Familie, Digitalisierung und regionale Themen im Bundestag.
Wir sind dann auch schon direkt beim ersten spannenden Thema. Der Arbeitsplatz ist ja eigentlich Berlin, wie vereinbart man das mit der Heimat, mit der Familie vor allen Dingen auch?
Da muss man schon ein paar Abstriche machen, auch mit der Familie. Man muss die Termine gut planen. Jetzt ist der Arbeitsplatz ja Berlin. Also zur Hälfte Berlin, in den Sitzungswochen und die andere Hälfte im Wahlkreis. Von daher gibt es da auch Möglichkeiten, wenn man sich Freiräume nimmt, auch mit der Familie was zu unternehmen. Es ist zwar eine anstrengende Aufgabe, aber letztendlich muss man das mit der Familie vereinbaren und man kriegt es dann doch irgendwie hin.
Für die Nicht-Bundestag-Experten, wie oft ist so eine Sitzungswoche?
Wir haben so circa 20 bis 22 Sitzungswochen. Die dauern normalerweise von montags bis freitags. Das heißt, am Freitagabend fliege ich dann wieder zurück. Da ist es gut, dass wir einen regionalen Flughafen in Luxemburg haben, dass man dann auch kurze Wege hat. Von daher auch am Wochenende Zuhause ist. Die andere Woche ist dann so wie jetzt hier, dass man Termine im Wahlkreis hat. Man muss ja auch die Themen aufnehmen, im Gespräch bleiben, mit den Unternehmern, Ehrenamtlichen, den Vereinen, um die Dinge dann mit nach Berlin zu nehmen.
Was hat denn dazu geführt, dass Sie sich dafür entschieden haben, politisch aktiv zu werden?
Ich bin aus einer politisch aktiven Familie, die auch in der Kommunalpolitik aktiv war, auch im Ehrenamt in Vereinen, sich stark engagiert hatte. Von meinem christlichen Menschenbild und Glauben her, habe ich es eigentlich schon immer gesehen, dass ich mich für meine Mitmenschen einsetze. Das war in der Schule schon so, da war ich als Klassensprecher aktiv. Im Studium habe ich später im Studierendenparlament mitgewirkt und auch im Fachbereichsrat. Aber auch in Vereinen, dort war ich früher im Fußball als Schriftführer unterwegs war und da mitgeholfen hatte. Von daher, sehe ich das für mich auch ein bisschen als gewinnbringend, für mich persönlich sich für andere ein zu setzen. Über diese Sache bin ich über die Kommunalpolitik in die hohe Politik gekommen.
Wie können wir uns den so ein Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?
Wie fängt er an, wie hört er auf und was passiert dazwischen?
Das kommt immer darauf an, ob ich jetzt in Berlin bin. In Berlin ist man sehr stark durchgetaktet, zwischen Ausschüssen, zwischen Besprechungen, auch Besprechungen mit Interessenvertretern, zwischen Plenardebatten, Vorbereitung, Nachbereitung. Plenardebatten, die auch oft donnerstagsnachmittags bis Mitternachtszeit weit reinreichen können und freitagsmorgens um 9 Uhr geht es dann wieder weiter. Von daher ist die Berliner-Woche schon sehr stark durchgetaktet. Dann muss man ja auch Gespräche führen mit den Mitarbeitern, das heißt sie auch instruieren, die einem ja dann auch zu arbeiten müssen. Sie müssen ja auch schriftliche Dinge erledigen und inhaltliche Vorarbeiten machen müssen. Im Wahlkreis gibt es dann auch immer Gespräche mit den Bürgern. Da hat man dann auch viele Anliegen, die von Bürgern an einen herangetragen werden, die man auch bearbeiten muss, wo man auch Absprachen halten muss mit den Bürgern. Es werden auch über Vereine verschiedene Dinge angefragt. Da ist dann auch der Tag im Wahlkreis entsprechend durchgetaktet, nicht gerade bis Mitternacht. Das kann zwar auch mal vorkommen, wenn man abends eine längere Veranstaltung hat, aber da kann man die Termine ein bisschen besser zurecht schieben.
Haben Sie wenigstens die Wochenenden frei?
Jetzt durch Corona ist da ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Unter Corona finden wenige Veranstaltungen am Wochenende statt. Aber in Normalzeiten ist es schon so, dass man am Wochenende Termine hat. Wenn man guckt, Vereine, Festlichkeiten finden am Wochenende statt. Auch sonstige Termine samstagsmorgens, wo man dann eben zur Aussprache mal hinmuss. Da stehen dann auch manchmal Termine an, in Corona-Zeiten weniger, aber in normalen Zeiten dann schon mehr. Da muss man sich dann auch mal in der Woche Zeit nehmen, wenn man in der Heimat unterwegs ist und sagt „OK, den Tag sperre ich mir frei“, weil die Familie muss ja auch noch bisschen was von mir haben.
Wir steuern ja auf eine Bundestagswahl zu, die steht quasi vor der Tür. Müssen Sie jetzt mehr arbeiten, also wenn der Wahlkampf ansteht und wie können wir uns Wahlkampf zu Corona-Zeiten vorstellen?
Wir haben ja zurzeit eine Landtagswahl, die ja erst mal bevorsteht. Von daher sind da die Kollegen und Kolleginnen gefragt, im Landtagswahlkampf unterwegs zu sein. Wenn da bundespolitische Angelegenheiten auftreten, unterstützt man da dann natürlich. Unter Corona-Bedingungen, haben Sie ja schon richtig gesagt, ist es etwas schwierig. Der direkte Austausch mit den Bürgern ist da nicht so machbar, wie es in anderen Zeiten möglich war. Da verschieben sich dann viele Diskussionen ins Digitale, da merkt man dann auch das die Leute zuhören. Da kann man dann auch eine WebEx-Konferenz machen, wie auch mit den Einzelhändlern hier in Trier. Hier tauscht man dann eben mal Themen aus. Es geht zum Teil auch zu Emails über und Telefonate. Vermehrt werden auch andere Lösungen gefunden. Es ist schwierig, dass man den direkten Austausch nicht hat, vermisse ich auch ein bisschen. Hier kriegt man viel schneller so ein Gespür, wenn man Face-to-Face zu einem sitzt, da kriegt man auch einen schnelleren Austausch hin.
Da möchte ich jetzt einen kleinen Schwenk machen auf Ihre politische Arbeit. Das passt jetzt ganz gut. Durch Corona haben wir eine beschleunigte Digitalisierung und ich weiß Digitalisierung und besonders KI, das sind so Ihre Themen mit denen Sie arbeiten. Können Sie uns ein bisschen was dazu sagen? Was arbeiten Sie da genau in diesen Bereichen?
Ich bin einer der wenigen Ingenieure im Bundestag und glaube ich der Einzige mit eigenen Patenten. Das Thema KI war schon vorher eine Schnittstelle in meinem beruflichen Leben gewesen und im Bundestag bin ich Berichterstatter für meine Fraktion. Künstliche Intelligenz ist ja auch ein spannendes Thema und ein Thema, was wirklich wichtig ist für unsere Zukunft. Da geht es dann auch drum Eckpunkte zu definieren in Berlin, wo kann ich da Akzente setzen. Wie können wir ein Regulativ schaffen, was einerseits Vertrauen wiedergibt und auf der anderen Seite aber auch genug Freiräume zu lässt, um eine zukünftige Entwicklung auch hier in Deutschland sicher zu stellen. Es geht auch darum, dass wir hier bei und eine Wertschöpfung in dieser Angelegenheit hinbekommen. Da bin ich in verschiedenen Gremien drin, war in einer Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ und bin in einer Steuerungsgruppe bei dem DIN, Deutsches Institut für Normung, was von der Bundesregierung angeregt wurde. Dort bin ich als einziger Politiker drin, in einem Expertenteam. In dieser Steuerungsgruppe, haben wir eine Normierungs-Roadmap aufgestellt. Hier haben wir geschaut, wo sind Anknüpfungspunkte, wo können wir die aktuellen Standards weiterentwickeln, wo können wir in welchen Bereichen mit Standards überzeugen. Da waren wir in der Vergangenheit gerade im Maschinenbau auch an der Weltmarktspitze. Da gilt es dann auch im politischen Berlin Akzente zu setzen. Hier regional bin ich ganz froh, dass wir an der Universität Trier zwei Lehrstühle an das DFKI, Deutsche Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz, angliedern konnten. Das wir auch hier eine entsprechende Entwicklung bewerkstelligen können und zusätzlich auch an der Hochschule einige Lehrstühle haben, um auch hier bei uns das Thema zu platzieren.
Regionale Themen in Berlin?
Das ist ja jetzt schon ein sehr spezielles Thema, welche regional politischen Themen nehmen Sie mit nach Berlin?
Ich bin ja ein Kind der Region. Was mir immer so bisschen am Herzen liegt hier in der Region, ist die enge Zusammenarbeit mit Luxemburg, einer Großregion. Wir leben ja auch davon, dass Luxemburg ein Wachstumsmotor ist. Das strahlt ja auch bis in den Trierer Raum hinein und ich sage, da gilt es dann auch Synergien richtig zu nutzen und vor allem das Thema in Berlin zu platzieren. Spannende Sache. Wo ich auch leider etwas kritisch mit umgegangen bin war, die Zeit am Anfang der Corona-Pandemie, wo dann Grenzkontrollen eingeführt wurden. Da merkt man schon, dass Berlin ziemlich weit weg ist und es nur wenige Abgeordnetenkollegen gibt, die in so einer Grenzregion leben. Da muss man so ein Thema in Berlin in der Fraktion und gegenüber der Bundesregierung nach ganz oben tragen. Letztendlich ist mir das geglückt, auch in der Fraktion zu transportieren. Kollegen kamen dann auch nachher zu mir und meinten sie wussten gar nicht, dass das zwischen Luxemburg und Trier genauso ist, wie zwischen Berlin oder Potsdam. So ein enger Zusammenhang, so eine geschichtliche Tradition dahinter ist. Das sind dann solche regionalen Themen, die man dann als Abgeordneter der Region auch nach Berlin tragen muss.
Wie einfach oder schwer ist es, diese, ich sage jetzt mal vorsichtig, kleinen regionalen Thematiken in der Bundespolitik unter zu bringen?
Es kämpft natürlich jeder Abgeordnete für seine Region und das ist natürlich auch ein Wettbewerb der Ideen. Da muss man gute Argumente für die Region sammeln und dann muss man auch gucken, dass man Verbündete kriegt. Wenn man da langsam reinkommt in die Politik in Berlin, findet man auch Netzwerke und Verbündete, wo man auch Netzwerke aufbauen kann. Das ist dann schon eine dicke Mühle, die man da immer drehen muss. Ich will da mal ein anderes Beispiel nennen, da denke ich mir immer, OK in einer Firma geht das alles aber schneller, wo ich vorher 20 Jahre in der Wirtschaft gearbeitet habe. Wenn ich mir mal die Bahnhöfe Pfalzel anschaue, die Westtrasse Trier. Da wird man dann immer von Pontius zu Pilates geschickt. Da ist die eine Behörde, die Bundeseisenbahnamt, zuständig und dann sagen die, sie hätten alles gemacht. Dann ist die Deutsche Bahn wieder zuständig. Das ist dann manchmal schon bohren dicker Bretter und man muss sich dann auch immer wieder neu motivieren. Den Finger immer wieder in die Wunde legen und ein bisschen nerven. Aber irgendwann sieht man dann wieder das Licht am Ende des Tunnels und dass man doch was für die Region bewirken kann.
Was war für Sie ein besonderer politischer Erfolg, den Sie erzielen konnten? Gibt es da ein Thema, das Sie ganz besonders berührt hat?
Also die Zeit der Grenzkontrollen war im Nachhinein, ich habe ja eben schon berichtet. Wenn man in der Fraktion zu Beginn der Pandemie eben mal auftritt und ein kritisches Wort äußert, ist das nicht so, dass man da Beifall bekommt. Sondern da muss man dann auch mit entsprechenden Argumenten die Dinge vortragen. Ich glaube, dass die Thematik Grenze, grenznaher Raum bis nach Berlin getragen ist, ist das Positive, dass ich aus der Situation raustragen kann. Wenn dann nachher ein Alexander Dobrinth oder jemand anderes auch von der CDU zu einem kommt und dann positiv sagt, „So, jetzt hast du auch mal was aus deiner Region nach oben gebracht und jetzt weiß die Kanzlerin auch mal darüber Bescheid“. Dann finde ich, ist das positiver Aspekt, der einem dann auch wieder die entsprechende Stärkung mitgibt.
Wenn die Kanzlerin Trier wahrnimmt, ist das natürlich großartig.
Deswegen muss man Trier auch immer wieder nach oben stellen. Ich denke wir sind da auf einem guten Weg.
Neben dieser Besonderheit, Grenzregion Luxemburg, was meinen Sie definiert unsere Region noch?
Unsere Region hat eine lange Geschichte. Ich bin auch hier aufgewachsen, die Eltern väterlicher Seite sind auch hier geboren, haben früher Landwirtschaft gehabt. Ich bin zur Schule gegangen in Trier und die Geschichte ist schon beeindruckend. Wenn man die Region auch jenseits der Grenze, also wenn man nach Luxemburg reinschaut und den moselfränkischen Dialekt sieht, wo der überall gesprochen wird. Er hat sich durchgehend von der vorrömischen Zeit, Treverer-Zeit bis heute auch entwickelt und das macht mich schon ein bisschen stolz. Diese Geschichte und die Zusammenhänge, die es auch hier gibt und dass man die dann auch entsprechend vertreten darf. Auch die urbane Struktur in Trier, im Tal und wenn man sich die Landschaft anschaut. Mosel, Saar und dann nach oben in den Hunsrück und die Eifel, wo auch andere „Klimate“ sind, dass ist schon sehr vielfältig. Die Menschen, die hier leben, der Tourismus, der Weinbau, die Weinfeste, die sich auch ergänzen. Denn ausgeprägten Mittelstand, den wir hier haben. Das ist schon etwas, wo ich ein bisschen stolz drauf bin und weshalb ich auch immer wieder zurück in die Region komme und gekommen bin. Ich war auch mal beruflich in Amerika gewesen, aber irgendwie hat es mich immer wieder zurückgezogen. Nicht das ich dort beruflich nicht weitergekommen wäre, im Gegenteil. Ich hätte da bestimmt auch eine gute Anstellung als Ingenieur bekommen. Letztendlich wollte ich etwas für die Region bewegen und ich finde die Menschen hier sind ein eigener Schlag, die aber sehr freundlich sind.
Definitiv. Das ist auch ein Punkt, denn ich immer häufiger höre. Dieses, man geht eine Weile weg, arbeitet, lebt woanders und am Ende zieht es einen wieder hierher zurück in die Heimat.
Genau. Man merkt auch, wenn man irgendwo in der Fremde ist, die Menschen aus der Region treffen irgendwie immer zusammen. Das war schon während meines Studiums in Kaiserslautern so, dass man egal wo man in der Region war, die Trierer haben sich irgendwie immer zusammengefunden. Die Region bindet einen auch sehr und sie merken ich bin auch mit Herzblut dabei. Es freut mich immer, wieder zurück in die Region zu kommen. Wenn man aus Berlin mit dem Flieger über Trier fliegt und schon im Landanflug nach Luxemburg, ist das immer schon ein erhebendes Gefühl, wenn man runterschaut auf die Stadt und den Talkessel und die Lichter einem entgegen blinken.
Also ich bin noch nie über Trier geflogen, sieht man die Porta?
Wenn man genau weiß, wo die Porta ist, kann man sie erkennen. Der Talkessel ist sichtbar, man sieht die Römerbrücke und die Mosel. Man muss wissen, wo was in Trier ist. Wenn man genau guckt, dann sieht man sie schon.
In wenigen Tagen lesen Sie an dieser Stelle Teil 2 und danach Teil 3 unseres spannenden Interviews mit Andreas Steier.
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