Von Florian Schlecht
Ein 74:67-Sieg gegen Oldenburg, ein Viertel am äußeren Limit, glückliche Fans und Platz drei in der Bundesliga: Was die TBB Trier leistet, wird immer unglaublicher.
Vor einer Woche haben die „Toten Hosen“ ein Konzert in Düsseldorf gegeben. Es wurde dort viel gesungen, gegrölt, gebrüllt, gerufen und gejubelt. Aber Campino, der Frontsänger der Band, hätte seine wahre Freude gehabt, wenn er seinen Hit „Tage wie diese“ fernab von seiner rheinischen Heimatstadt am Samstag um 21.53 Uhr live in der Trierer Arena hätte schmettern dürfen. Stattdessen lief der Song nur über den CD-Player in der Halle, aber er wurde aus unzähligen Kehlen geschmettert, erreichte eine ohrenbetäubende Dezibel-Lautstärke. „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“, sangen die Fans der TBB Trier nach dem 74:67-Sieg gegen die EWE Baskets Oldenburg überschwänglich, fast ungläubig von diesem begeisterungsfähigen Lauf ihrer Mannschaft. Ein Spitzenteam geschlagen, ein drittes Viertel am äußeren Limit der Leistungsgrenze gespielt, Platz drei in der Basketball-Bundesliga. Wo bitte soll der Weg der TBB noch hinführen?
„Das war ein besonderes Spiel, wir haben mit viel Herz gespielt“, fand Trainer Henrik Rödl die richtigen Worte für den Triumph vor 3834 Zuschauern. Beide Mannschaften boten ein echtes Topspiel, schenkten sich in der ersten Hälfte nichts, teilweise sah es gar so aus, als würde die Oldenburger Routine die Trierer Unerfahrenheit wahrlich auffressen. 6:0 führte der Deutsche Meister von 2009 schnell, sorgte für beängstigende Stille in der Arena. Adam Chubb, der Center-Routinier mit dem Schnurrbart, hatte Andreas Seiferth in der Anfangsphase unter dem Korb im Griff. Dru Joyce, der Rückkehrer, wirkte zunächst hochmotiviert. Julius Jenkins, der Star-Transfer aus Bamberg, schien demonstrieren zu wollen, dass er nach wie vor zu einem Double-Gewinner gehört. Reife, gestandene Männer waren es, mit denen sich die TBB messen musste.
Die Fähigkeit, über sich hinauszuwachsen
Doch die Mannschaft hat eine ganz große Qualität. Ihre Ausgeglichenheit. Und die erstaunliche Fähigkeit, noch einige Zentimeter über sich hinauszuwachsen, wenn sie gefordert ist. So bot sie Oldenburg schnell Paroli, biss sich in dieses Spiel hinein, wollte nicht vom Titelanwärter deklassiert werden. Nate Linhart war es, der mit einem Dreier das erste Lebenszeichen zum 7:8 sendete und der an diesem Tag zum wichtigsten Trierer mit seiner Zielstrebigkeit wurde. Barry Stewart war es, der das Heimteam erstmals mit einem Distanzwurf zum 12:11 in Führung brachte und gleich zum 15:11 nachlegte. Lange hat der US-Amerikaner gebraucht, um einem Spiel endlich entscheidend den Stempel aufzudrücken. Oldenburg war der Gegner, der Stewart auch auf der kilometerlangen Rückreise in den Norden im Gedächtnis behalten dürfte.
Bis zur Pause war es ein offener Schlagabtausch zweier gieriger Mannschaften. Dachte man, ein Team könnte sich entscheidend absetzen, fiel dem anderen prompt eine Antwort ein. Ein kleiner Dreier-Contest, bei dem beide Teams hintereinander je zwei Würfe aus der Ferne trafen und Mönninghoff dabei für die TBB erfolgreich war, setzte ein kleines Sahnehäubchen auf eine intensive Partie. Zwischenzeitlich lag Oldenburg mit vier Zählern vorne – es war die höchste Führung überhaupt bis zur Halbzeit, in der die Niedersachsen mit 36:35 hauchdünn die Nase vorne hatten.
Momente der Ungläubigkeit
Dann begann das dritte Viertel – und die Sternstunde der TBB. Mit einem 16:3-Lauf überrollte sie Oldenburg unmittelbar nach Wiederbeginn, setzte sich wuchtig ein, traf wie Linhart, Doreth und Stewart aus der Distanz, schnappte sich nahezu jeden Rebound. Es waren Minuten des Staunens in der Halle. Während die Fans die Welle durch die Arena schwappen ließen, glitt Oldenburg das Spiel aus der Hand. Trainer Sebastian Machowski verrückten immer mehr die Gesichtszüge. Jannik Freese, der permanent als Motivation für seine Jungs an die Bande hämmerte, donnerte eine Plastikflasche so wütend auf den Boden, dass das Wasser in alle Richtungen spritzte. Und Konrad Wysocki zog nach einem harten Körpereinsatz von Brian Harper eine so böse Miene, dass dem ehemaligen Nationalspieler deutlich anzusehen war, dass er dem Schiedsrichter-Gespann kein Playmobil-Piratenschiff zu Weihnachten schenken wird.
Doch der Höhepunkt war zugleich der Wendepunkt. 59:43 lag die TBB vorne – und musste dann noch zittern. „Zum Glück haben wir uns so einen Vorsprung erarbeitet, um eine Durststrecke überwinden zu können“, atmete Rödl durch. Bis zum letzten Durchgang kämpfte sich Oldenburg auf 52:59 heran, weil es nach Trierer Vergehen die Nerven an der Freiwurflinie behielt. Umstritten war das „Unsportliche Foul“ gegen Jermaine Bucknor, das eine Phase einleitete, in der alles schief lief. Harper musste nach seinem fünften Foul das Feld verlassen, Jarrett Howell durfte sich nichts mehr erlauben. Da fing Linhart gedankenschnell einen Pass von Jenkins ab und vollendete per Dreier zum wichtigen 62:54. Das Nervenspiel war aber noch nicht beendet. Ausgerechnet Joyce hatte die Möglichkeit, beim Stande von 70:67 für Oldenburg auszugleichen. Der Ball landete am Ring, Linhart fing ihn ab und verwandelte im Gegenzug die Freiwürfe zur vorentscheidenden 72:67-Führung. Der Deckel war endlich drauf.
„Mir tut es leid, um die vergebene Chance, einen Auswärtssieg zu erzielen“, sagte Machowski, Trainer der EWE Baskets Oldenburg. Und vielleicht lag in genau diesen Worten das größte Kompliment für den Saisonverlauf von Trier. Ein Sieg an der Mosel ist längst keine lästige Pflicht mehr, sondern mit brutal harter Arbeit verbunden und nur noch an einem guten Tag möglich. Denn die TBB, sie steigert sich weiter. „Wir haben einen Erfolg gegen eine der besten Mannschaften in der Liga errungen“, sagte Rödl. Wenn sie sich am Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt in der Stadt präsentiert, können sie jedenfalls eine spannende Geschichte erzählen. Und sie hoffen dabei, frei nach Campino, auf Unendlichkeit.
Statistik
Punkte für die TBB: Linhart (15), Stewart (13), Harper (11), Howell (9), Seiferth, Doreth (je 7), Mönninghoff (6), Bucknor (4), Saibou, Chikoko (je 1).
Punkte für Oldenburg: Smeulders (14), Chubb (13), Paulding (10), Kramer (8), Bahiense de Mello, Wysocki (je 5), Jenkins (4), Freese, Burrell (je 3), Joyce (2).
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