Abiturienten studieren meistens nach dem Abschluss. Dass das nicht immer die beste Wahl sein muss, erklärten Handwerkerinnen und Handwerker den 12. Klassen am Auguste-Viktoria-Gymnasium (AVG) in Trier.
Eine sichere Sache
Charlotte Federmann mochte ihr Studium. Sie liebt Kunstgeschichte und hätte nach ihrem Abschluss gerne in der Forschung oder als Kuratorin gearbeitet. Doch die Stellen sind hart umkämpft. „Irgendwann wurde mir die Unsicherheit zu viel“, sagt sie. Sie wünscht sich einen sicheren Job, der dennoch in Verbindung zu ihrem Studium und ihren Interessen steht. Federmann entschied sich für eine Ausbildung zur Möbelschreinerin bei der Firma PURA in Föhren.
Danach möchte sie Restauratorin im Handwerk werden. Rückblickend sagt sie: „Ich hätte die Ausbildung besser vor der Uni gemacht. Eine abgeschlossene Ausbildung, besonders im Handwerk, ist wie ein Sicherheitsnetz, das einen auffängt. Wenn es dann mit dem Studium nicht klappt, findet man auf jeden Fall einen festen Job oder man kann eine Fortbildung zum Techniker oder Meister anstreben.“ Die Fortbildungen können meist in Vollzeit oder berufsbegleitend absolviert werden. Kann man hier einen Gesellenbrief vorweisen, wird die Fortbildung sogar finanziell bezuschusst – ein weiterer, großer Vorteil einer vorgelagerten Ausbildung.
Am 26. und 27. April hatte Christoph Kiefer neben Arbeitsamt, Hochschule und Universität auch das Handwerk zu den Berufsinformationstagen an das Auguste-Viktoria-Gymnasium (AVG) in Trier eingeladen. Kiefer ist dort Lehrer für Informatik und Mathematik und zeichnet sich gleichzeitig für die Koordination der Berufsorientierung an dem Gymnasium verantwortlich. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Trier-Saarburg war es möglich, hier auch die duale Ausbildung mit dem Schwerpunkt im Handwerk zu präsentieren.
„Am Ende des Tages siehst du, was du geschaffen hast“
Tess Brahm hätte sehr gerne direkt nach dem Abitur eine Handwerkslehre gemacht, doch in ihrem Elternhaus kam dies zunächst nicht so gut an. Also studierte sie Medienwissenschaften und Germanistik – und brach schließlich ohne Abschluss ab. Nun lässt sie sich in der Kunstschmiede Bender in Schweich zur Metallbauerin mit der Fachrichtung Metallgestaltung ausbilden und genießt die Arbeit. „Am Ende des Tages siehst du, was du geschaffen hast“, sagt die 28-jährige Auszubildende im ersten Lehrjahr.
Viele der Schülerinnen und Schüler wissen noch nicht, was sie einmal beruflich machen wollen. Klar ist jedoch den meisten, dass es ein Studium sein soll – welches Fach auch immer. Dass das nicht in jedem Fall eine sichere Sache sein muss, weiß Linda Krull, gelernte Tischlerin und Berufsschullehrerin an der BBS für Gestaltung und Technik (GuT) in Trier. „Wenn man merkt, dass das Fach oder gar das Studium selbst ein Fehler war, und man abbricht, hat man nichts und muss unter Umständen Hartz IV beantragen. Wenn ihr aber zuerst eine Ausbildung macht, habt ihr einen Gesellenbrief in der Tasche und könnt immer Arbeit finden.“ Idealerweise bauen Lehre und Studium dann aufeinander auf.
Ramón Stolz absolviert ebenfalls eine Ausbildung zum Metallbauer, jedoch mit dem Schwerpunkt Metallkonstruktion. Bevor er zu seinem Lehrbetrieb, der Firma Steka in Zemmer, kam, studierte er Maschinenbau. Doch das lag ihm nicht. Am Handwerk schätzt er, dass man sehr konzentriert und genau arbeiten müsse. „Am Computer lässt sich leicht etwas korrigieren, wenn man jedoch ein Blech falsch zuschneidet, ist das irreparabel.“
Thomas Krawietz ist Ende 40 und hat nach seiner Schreinerlehre unter anderem Fenster installiert und Küchen montiert. Als er dieser Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachgehen konnte, begann er eine Fortbildung zum Techniker. Dieser hat seinen Arbeitsschwerpunkt in der Planung und Arbeitsvorbereitung. Krawietz präsentiert den Schülerinnen und Schülern eine seiner Projektarbeiten. So hat er einen Entwurf von einem Schlafzimmer und einem begehbaren Kleiderschrank gemacht. Eine Arbeit, die der eines Innenarchitekten nahekommt.
Von Profis bewertet
Im Klassenraum nebenan versucht der Schüler Felix, ein dreipoliges Kabel an einen Kontaktschalter anzuschließen. Felix hat so etwas noch nie gemacht. Auch hat er noch nie ein Kabel an eine Glühbirnenhalterung angeschlossen. Nach diesem Workshop am Berufsinformationstag wird er das können. Die Zwölftklässler in diesem Elektro-Workshop haben die Aufgabe, einen komplexeren Steuerstromkreis und damit eine Schaltanlage aufzubauen. Die erste Herausforderung ist, den Schaltplan richtig lesen und verstehen zu können.
Die Meister für Elektrotechnik Simon Terres und Pascal Blasius-Didier von der Firma Elektro Bloeck leiten die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt an. Manche der Anwesenden haben vermutlich noch nie einen Schraubendreher in der Hand gehalten, aber alle lernen schnell. Am Ende des Kurses steht eine funktionierende Schaltanlage auf den Tischen. Die Schülerinnen und Schüler steuern sie mit ihren Schaltern und bekommen somit ein direktes Feedback für erfolgreich geleistete Arbeit. „Das habt ihr gut gemacht“, sagt Terres. „Hier seht ihr auch, wie wichtig es ist, etwas in der Theorie verstanden zu haben, bevor man sich an die praktische Arbeit macht.“
Schornsteinfegermeister Sven Philippi rät den Schülerinnen und Schülern, sich zu informieren – egal, für welchen Beruf sie sich interessieren: „Sprecht mit Studenten, mit Handwerkern, mit Auszubildenden.“ Und Philippi empfiehlt, so viele Praktika wie möglich, zu machen. Selbst wenn man jemanden nur einen Tag lang begleitet, kann dies schon eine Entscheidungshilfe sein. Mit dabei ist auch der Schornsteinfegergeselle Ian Marmann. Er hatte zuerst Verwaltungsinformatik und Vermessungstechnik studiert. „Weil man das nach dem Abitur macht“, sagt Marmann. Für ihn war es aber nicht das Richtige. Den angehenden Abiturientinnen und Abiturienten zeigt er nun, wie man die Abgase von Heizungsanlagen analysiert. „Da geht es um Betriebs- und Brandsicherheit“, so Marmann. Der Schornsteinfegerberuf hat sich stark gewandelt. Mittlerweile spielen auch Umweltschutzmessungen und Energieberatung eine große Rolle. Marmann wirkt, als sei er in seinem Beruf komplett aufgegangen. In ein paar Monaten darf er sich Meister nennen.
Pressemitteilung Kreishandwerkerschaft Trier-Saarburg
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