Text und Fotos: David Benke
„Der härteste Verteidiger Deutschlands“, „Eisenfuß“ oder „die Axt“, so wurde Uli Borowka in seiner aktiven Spielerkarriere genannt. Aber auch nach seiner fußballerischen Laufbahn zeigt sich der heute 52-Jährige mutig. In seinem Buch „Volle Pulle – mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“ spricht er schonungslos über Themen wie Alkoholismus, Versagensängste und Selbstmordgedanken. Gestern Abend war er damit zu Gast im Exzellenzhaus Trier.
Trier. Der Balkensaal des Exzellenzhauses ist schnell ziemlich voll. Die Lesung, die vom Fanprojekt Trier organisiert wurde, hat am Mittwochabend viele Neugierige angezogen. Der Andrang ist groß, die Ersten müssen schon stehen. Einige Besucher sind sogar im Trikot von Borussia Mönchengladbach, Uli Borowkas Ex-Verein, da. Alle warten gespannt auf den Auftritt des Ehrengasts.
Und dann kommt Borowka. Er zeigt sich offen, familiär, freundlich. Stellt sich Fragen und erlaubt sich hier und da den ein oder anderen Scherz. Seit zwei Jahren ist er jetzt unterwegs, hält Vorträge, Lesungen und Diskussionen in Vereinen aber auch Kliniken oder Jugendvollzugsanstalten. Mit einer unerwartet riesigen Resonanz, wie er selbst berichtet. „Jeder hat in seiner Familie und seinem Freundeskreis mindestens einen suchtkranken Menschen“, sagt er. Darum hat er eine Stiftung gegründet, die suchtkranken Sportlern und Kindern von Suchtkranken hilft. Darüber hinaus ist er auf Lesetour, erzählt aus seinem Leben, teilt seine Erfahrungen und ist Vorbild und Unterstützung für seine Mitmenschen. An diesem Abend eben in Trier.
Einige einführende Worte noch, dann beginnt der gebürtige Sauerländer zu lesen. Schonungslos erzählt er von seiner Zeit ganz unten. 1996, als alles weg war. Haus, Frau, Kinder. Nur noch er und der Alkohol. Und irgendwann die Idee, dem allem ein Ende zu setzen. Es ist eine bewegende, auch erschreckende Geschichte. „Mein Name ist Uli Borowka und ich werde mir jetzt das Leben nehmen“, so schließt er sein erstes Kapitel.
Es herrscht bedrückende Stille im Publikum. Dann ergreift Borowka wieder das Wort. Schildert was passierte, nachdem er versucht hatte, sich mit einem Alkohol-Tabletten-Cocktail umzubringen. Berichtet über seine 14-stündige Bewusstlosigkeit und wie ihm dann irgendwann klar wurde, dass es so nicht weitergehen könne. 16 Jahre lang hatte er getrunken. 2000 ging er dann in die Klinik nach Fredeburg. Mit Willen und Ehrgeiz kämpfte er sich zurück – und ist bis heute nicht rückfällig geworden. „Jeder Tag, den ich trocken bin, ist mir mehr wert als jeder Titel, den ich je gewonnen habe“, sagt er.
Aber auch die Gründe für seine Sucht will er nicht unerwähnt lassen. Dabei lässt er kein gutes Haar am DFB, dem Profi-Sport aber auch der Gesellschaft. „Deutschland ist nicht bereit für ein Outing“, meint der 52-Jährige. Man schmücke sich gerne mit Sportlern, wenn sie Leistung bringen, bei Problemen werden sie aber alle fallen gelassen. Viele wären dann mit ihren Sorgen und Ängsten ganz alleine und müssten ihre Probleme mit sich selbst ausmachen. Und auch Geheilte hätten es nicht leicht. Sie seien als kaputte Menschen gebrandmarkt, denen in der Gesellschaft keine Chance mehr gegeben wird.
Im Laufe des Abends entwickelt sich sich die eigentliche Lesung dann immer mehr zu einem offenen Dialog. Borowka geht auf jede Frage wohlwollend ein, zeigt Interesse, Verständnis aber auch eine Menge Respekt für all jene, die ihre Erfahrungen und persönlichen Geschichten teilen. Er macht allen Mut, gibt Ratschläge und schließt mit einem beeindruckenden Statement. Jeder gerettete Trinker ist ein Held. Er hat seine Sucht besiegt und verdient dafür höchsten Respekt.
So ist am Ende des Abends jeder Besucher glücklich gestellt. Einige, weil sie ihren Helden Uli Borowka endlich kennenlernen durften, viele aber auch, weil sie persönlich etwas aus der Veranstaltung mitnehmen konnten. „Ich fand den Abend sehr gut“, sagt einer der Gäste nach der Lesung. „Ich bin selbst seit 1999 trocken, habe sein Buch gelesen und bin beeindruckt, dass er so offen mit dem Thema umgeht.“ Uli Borowka scheint also den richtigen Weg gefunden zu haben.
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Weitere Informationen zu Uli Borowka, seinem Buch und seinem Verein zur Suchthilfe gibt es unter:
www.uli-borowka.de
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