Von Stephan Nestel
Am 21. November ist der zweite Teil der „Tribute von Panem“-Trilogie in den deutschen Kinos angelaufen. Passend zum Kinostart hat sich 5vier-Spieleexperte Stephan Nestel in Distrikt 12 umgesehen und versucht, nicht selbst für die Hungerspiele ausgewählt zu werden.
5vier spielt: Fast jeder kennt wohl die Geschichte von Katniss Everdeen, der Heldin der Buch- und Filmreihe „Die Tribute von Panem“: In einer düsteren Zukunft lebt Katniss in einem von 12 Distrikten der von Hauptstadt „Kapitol“ mit harter Hand regierten Nation „Panem“. Um ihre Schwester zu schützen nimmt sie an den Hungerspielen teil, Gladiatorenspielen, in denen jedes Jahr 24 Jugendliche aus den 12 Distrikten gegeneinander auf Leben und Tod antreten müssen.
In dieser düsteren Welt ist das Spiel „Die Tribute von Panem – Überleben in Distrikt 12“ angesiedelt. Und der Titel ist Programm: Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Distrikt-Bewohners und muss versuchen, genug Kleidung, Nahrung, Medizin und Brennstoff zum Überleben zu sammeln. Genau wie in der Geschichte sind alle Ressourcen Mangelware; und genau wie in der Geschichte müssen alle, die nicht genug zum Überleben haben das Fehlende erkaufen: dafür muss ein Spieler pro Rohstoff ein Los seiner Farbe abgeben. Am Spielende wird dann mit diesen Karten bestimmt, wen Distrikt 12 in die Hungerspiele schickt und wer damit das Spiel auf jeden Fall verloren hat. Je mehr Lose ein Spieler also abgegeben hat, desto größer das Risiko zu verlieren. Die anderen Spieler vergleichen ihre gesammelten Rohstoffe, und wer die wertvollsten Rohstoffe hat, gewinnt.
Kein Nachspielen des Films
Eines fällt an diesem Spiel sofort positiv auf: Der Verlag erspart es den Spielern, treudoof den Wegen der Buch- bzw. Filmcharaktere zu folgen und irgendeinen Teil der Geschichte nachzustellen. Statt in die bekannten Ereignisse wird man in die Vorgeschichte der Saga versetzt. Das macht das Spielerlebnis offener und man fühlt sich nicht von einem Plot gegängelt. Leider sind die Autoren aber dieser guten Idee nicht durchgängig treu geblieben: Jeder Spieler schickt als Spielfigur eine kleine Katniss Everdeen über den Spielplan. Es sind also vier Katnisse unterwegs, die sich nur durch die Farbe des Hintergrundes unterscheiden, vor dem sie stehen. Ein Schönheitsfehler in dem ansonsten gelungenen Design – es wäre stimmiger gewesen, wenn jeder Spieler statt dessen eine eigene Figur bekommen hätte.
Der Spielplan selbst zeigt sechs Orte von Distrikt 12, an denen die Spieler verschiedene Aktionen durchführen können. Alle Orte ermöglichen es, auf die eine oder andere Art entweder Rohstoffkarten zu sammeln oder aber die bereits gesammelten Karten zu tauschen und so seine Vorräte zu verbessern. Außerdem tauchen im Laufe des Spiels an verschiedenen Orten Vorteilskarten mit Verbündeten auf. Über die verschiedenen Vorteile bekommen die Spieler unterschiedliche Möglichkeiten, die individuelle Spielstrategien attraktiver werden lassen.
Leider gibt es insgesamt nur 9 verschiedene Vorteile, die darüber hinaus alle in jeder Partie zum Einsatz kommen. Hier wäre etwas umfangreicheres Material sinnvoll gewesen. Als letztes zeigt der Spielplan noch die Rundenleiste, auf der für jede der 12 Spielrunden angegeben ist, was in dieser Runde passiert: Wo neue Rohstoffe auftauchen, wann die Vorteilskarten ins Spiel kommen und wann Rohstoffe bzw. Loskarten abzugeben sind. Nach 12 Runden erfolgt dann die Auslosung des Verlierers und die Ermittlung des Gewinners.
Solide Spielmechanik
Die Spielmechanik an sich ist solide, aber nicht besonders abwechslungsreich. Eine interessante Idee ist, dass man das Spiel auf zwei Arten spielen kann, indem man entweder versucht zu gewinnen – oder aber nicht zu verlieren. Wer auf Sieg setzt wird versuchen, den Wert seiner Rohstoffe zu optimieren und dafür auch in Kauf nehmen, ein paar Lose abzugeben. Damit steigt die Chance in der Schlussabrechnung die wertvollsten Rohstoffe zu haben – aber auch das Risiko bei der Auslosung des Verlierers. Wer umgekehrt nur so wenig Lose wie möglich abgibt hat weniger Chancen auf wertvolle Rohstoffe – aber bessere Karten bei der Auslosung.
An dieser Stelle muss ich nun eine Regel ansprechen, mit der wir nicht glücklich geworden sind: Ganz nach dem Vorbild der Saga muss jeder Spieler am Anfang mindestens ein Los abgeben. Die Welt von Panem ist nicht fair und es kann jeden treffen, egal wie vorsichtig oder erfolgreich er gespielt hat. Das spiegelt zwar hervorragend die Atmosphäre der Welt wieder, geht aber deutlich zu Lasten des Spielspaßes. Wem also das Spielen wichtiger ist als die Atmosphäre, der sollte diese Regel besser ignorieren.
Fazit: „Die Tribute von Panem – Überleben in Distrikt 12“ ist ein solides Spiel, das die Atmosphäre der Buch- und Filmreihe gut wiedergibt. Die Spielregeln sind einfach, gut erklärt und schnell zu lernen. Damit ist das Spiel vor allem für Gelegenheitsspieler und natürlich die Fans der Serie attraktiv. Vielspieler werden dagegen die Möglichkeit vermissen, die einzelnen Partien mit variablem Material unterschiedlich aufzubauen.
Marc meint
Sehr gute Rezension, die wirklich objektiv die Stärken und Schwächen des Spiels beleuchtet, ohne zu einseitig zu wirken. Gerade die Aufforderung zum kritischen Umgang mit zweifelhaften Regeln zeugt von langjähriger Erfahrung mit Spielen und kann nicht oft genug betont werden.
Das Fazit erleichtert zudem die Entscheidung, ob man das Spiel nun selber spielen / kaufen sollte oder besser nicht.
Ich selbst bin noch unentschlossen. 😉
Hiltrut meint
Hallo! Klingt ja sehr interessant – ein echt guter Einblick in die Funktionsweise des Spiels. Freu mich auf weitere Rezensionen 🙂