Wir, und dabei schließe ich mich nicht aus, werden von Meinungen bestimmt. Und wenn diese Meinungen oft genug oder laut genug wiederholt werden, scheinen diese auch zu stimmen. Da ich ganz und gar keine Ahnung hatte, was ein Circus ist, habe ich meine Arbeitskleidung angezogen und durfte meine Augen und meine Nase und meine Ohren in das „Dahinter“ stecken.
Trier. In Zusammenhang mit der immer näher kommenden Aufbau des Trierer Weihnachtscircus in genau einem Monat ist 5vier.de neugierig geworden: „Kommen Löwen oder Tiger mit nach Trier?“, wollten wir vom Pressesprecher Oliver Häberle wissen. (Unser Titelfoto zeigt keinen Löwen, sondern einen Tiger mit dem Namen „Hercules“).
Mit Bedauern verwies er uns auf den Circus Krone in München und – auch Werbung gehört zum Circus – auf das in diesem Jahr das 39. Mal in Monte Carlo gefeierte Circus Festival und einige Gewinner vom Festival, die auch im Messepark Trier auftreten werden.
Davon in einen weiteren Text. Zunächst war ich neugierig in Sachen Tiere beim Circus Festival. Wohl wissend, dass zum Beispiel Martin Lacey jr. als Dompteur mit seinen Löwen in Monte Carlo im Jahr 2010 mit dem Goldenen Clown ausgezeichnet wurde. – Wir wurden der Besonderheit wegen auf das ebenfalls in Monte Carlo im Januar 2015 realisierte Festival „New Generation“ hingewiesen: Da fielen drei Errani Schwestern besonders auf: Als sie ihren Elefanten über ihre drei auf dem Boden liegenden Körper schreiten ließen. – Da fehlen mir die Worte.
Und einige Trierer Weihnachtscircus-Besucher werden sich an den Auftritt der Errani-Schwestern im Jahr 2008 erinnern. – Der Applaus war unüberhörbar.
Wenngleich – und auch Tierschutz ist Teil der Circus-Geschichte – der Auftritt mit Elefanten immer mehr Seltenheitswert haben wird: So wurde ich informiert, dass auf Grund eines europaweit geltenden Gesetzes wir in Zukunft keine Elefanten mehr im Circus sehen werden.
Wohl aber Löwen, denn diese werden inzwischen schon in wiederholter Generation in Europa gezüchtet. „Also sind die Löwen quasi Haustiere geworden?“ fiel mir spontan ein. – Sie sind Circus-Tiere geworden, bekommen wir als Antwort. Genauso wie Zootiere keine Wildtiere mehr sind. Jedoch ist es bei den Löwen noch mehr als nur einfach „Tier-Sein“. Es sind große Katzen, die – da sind sie den Zootieren nicht nachstehend – Aufgaben brauchen. (Selbst die uns umgebenden Haustiere sind mit einer Aufgabe glücklichere Haustiere). – Und – auch da stehen sie uns Menschen nicht nach – sie wollen nicht nur eine Aufgabe, sondern Aufmerksamkeit, Nähe, Streicheleinheiten. – Wegen der verschobenen Proportionen (der kleine Mensch und der große Löwe) muss dann aber einhundert Prozent Nähe und Vertrauen herrschen.
Wenn man früher in den Circus gegangen ist, dann hat man den fauchenden Löwen, den bösen Löwen sehen wollen, der vom Menschen dominiert dann doch das macht, was der Mensch verlangt. – Heute hat sich dieses Zusammenspiel verändert. Der Löwe darf – zur Demonstration des Miteinanders – auf dem Menschen liegen, der Mensch wird mit beiden Tatzen auf den Schultern und einer langen Zunge begrüßt, als Löwe darf ich mich auch mal hinlegen und ein paar Streicheleinheiten verlangen, bevor ich weiter mache. Auch das gehört zur Show, auch das ist Circus-Familie.
Tierbesitzer werden lachen, aber selbst ich kenne meinen Hund, der extra seine Füße in alle Himmelsrichtungen streckt, wenn er auf dem Rücken liegt um gestreichelt zu werden. – Der Film mit Marcin Lacey jr. zeigt dies nur zu gut:
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Und jetzt, nach dem Film oder dem Betrachten von ähnlichen Filmen, was passiert?
Sie merken an Ihren Augen, an Ihrer Nase, in Ihrem Kopf, dass da etwas Sie zu beherrschen anfängt, was mit Freude aber auch mit Neid zu tun hat. Denn der Circus ist eine andere Welt, eine Welt der Tiere, der Besonderheit, der Akrobatik, des Anders-Seins, der Tiere, der Wohnwagen, des fehlenden festen Wohnsitzes. Er steht vor uns als Extravaganz und wird deshalb auch beneidet oder gar verurteilt (vgl. unseren ersten Test hierzu).
Oder können Sie Sich vorstellen, dass in einem Circus-Areal eine Gruppe von Hühnern sich frei bewegen kann. Und kein Hund – der zur Circus-Familie gehört – davon träumt, diese am Hals zu packen? Und nicht einmal die Löwen in ihrem Außengehege Anstoß daran nehmen, wenn die Hühner durch die für sie genügend breiten Gitterstäbe spazieren und auch mal am Mittagessen der Löwen picken wollen?
Damit bin ich wieder bei den Errani Schwestern und ihrem Elefanten. – Die Circus-Familie weiß, dass Elefanten einen siebten Sinn besitzen. Sie spüren, wenn ihr Dompteur das Areal verlässt und ihre Nervosität legt sich erst wieder, wenn die Familie vollständig ist.
Dies beweist noch nicht, warum der Errani-Elefant nicht auf die Schwestern tritt, dies beweist genauso wenig, warum die Lacey-jr.-Löwen ihren Dompteur gerne haben. Und genauso beweist dies, warum ihr Hund Sie – sofern Sie einen haben – mit wedelndem Schwanz begrüßt.
Mensch und Tier haben Spielregeln im Miteinander vereinbart bzw. ausgemacht. Diese Spielregeln gelten bei einem Haushund wie bei inzwischen mit immer mehr Löwen (sechsundzwanzig) arbeitenden Marin Lacey jr.
Mein Fehler wäre es gewesen, als Fremder mich in den Dressurraum zu wagen. Da sind Hunde mit einer Leine einfacher zu handeln. Löwen hätten mich als Eindringling gehandelt. Die erwähnten Hühner sicherlich auch…
Foto: Piel Media / Herbert Piel – überreicht von Oliver Häberle (Romanza Circusproduction)
Film: www.ganz-muenchen.de
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