Von Andreas Gniffke
Die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine wirft seine Schatten voraus und eine Vielzahl von Fußballbüchern kommen im Vorfeld des Großereignisses auf den Markt. In der globalisierten Fußballwelt wirkt der Fußball im Osten Europas wie ein Fremdkörper, trotz der großen Erfolge vor allem ukrainischer Vereinsmannschaften auf der europäischen Bühne in den vergangenen Jahren. Das lesenswerte Buch „Tor zum Osten“ von Olaf Sundermeyer beleuchtet die Hintergründe des Erfolgs und gibt einen fundierten Einblick in Strukturen und Schattenseiten.
Wesentlich beschwingter schildert der zurzeit beim FC St. Pauli unter Vertrag stehende Moritz Volz seine Zeit im englischen Fußball. Zwar ist der Sport in seinem Buch zu jedem Zeitpunkt präsent, doch Volz beschreibt als augenzwinkender Beobachter die Besonderheiten der britischen Lebensart und seine Zeit als Deutscher in der Fremde.
Moritz Volz: Unser Mann in London
Er galt als eines der größten Talente im deutschen Jugendfußball und Moritz Volz erweckte früh das Interesse auch ausländischer Spielerbeobachter. In der Jugendnationalmannschaft und beim FC Schalke 04 spielte er sich in den Mittelpunkt und bekam bereits mit 15 Jahren ein Angebot von Arsenal London. Die Familie wagte den Schritt, den Sohn in die Fremde zu entlassen. Schüchtern und mit sehr eingeschränkten Sprachkenntnissen kam Volz in eine der modernsten Jugendabteilungen Europas und lernte neben fußballerischen Dingen auch sehr viel über die manchmal merkwürdige Lebensweise der Engländer.
Der größte Pluspunkt des Buches ist zweifellos die genaue und ironische Beobachtungsgabe des Nachwuchsautors, der darüber hinaus auch noch in der Lage ist, außerordentlich humorvoll zu schreiben und über sich selbst lachen zu können. Vor allem Letzteres hat ihm auch in England zu einem Liebling der Fans gemacht und ihm unter anderem eine Kolumne in der „Times“ eingebracht. Volz galt in England schnell als „anderer Fußballer“, ein Etikett, dass man ja gerne jedem Fußballer überstreift, der auch einmal ein Buch in die Hand nimmt, sich wissbegierig zeigt und dessen Horizont nicht unmittelbar hinter der Playstation aufhört.
Nach einer schwierigen Eingewöhnungsphase lebte sich der junge Fußballer gut in seiner neuen Heimat ein. Er begann den gemütlichen Fünf-Uhr-Tee zu schätzen und lernte, mit dem oft derben Humor seiner Mannschaftskameraden umzugehen. Nach der Zeit bei Arsenal merkte er beim FC Fulham schnell, dass Fußball auf der Insel auch ein großer Spaß ist, trotz des Drucks, Woche für Woche Topleistungen in der Premier League abrufen zu müssen. Nun spielt Moritz Volz wieder in Deutschland, beim FC St. Pauli, dem Klischee nach auch ein „etwas anderer“ Fußballklub. Doch immer noch zieht es ihn regelmäßig nach London, wie er bereits im Prolog des absolut lesenswerten Buches bekennt: „Alle paar Wochen komme ich noch nach London. Ich sage dann: ‚Ich fahre nach Hause‘.“
Moritz Volz
Unser Mann in London
rororo, 256 Seiten, ISBN: 978-3-499-62834-4
1. Auflage 2012, 9,99 Euro
Auf den Seiten des Rowohlt-Verlags gibt es eine Leseprobe
Olaf Sundermeyer: Tor zum Osten – Besuch in einer wilden Fußballwelt
Im wilden Osten gehen die Fußballuhren tatsächlich deutlich anders als bei uns, zumindest erweckt der Bericht des Journalisten Olaf Sundermeyer über den Fußball in Polen, der Ukraine und Russland diesen Eindruck. Er beschreibt ausführlich einen Sumpf aus Korruption, Wettbetrug, Alkohol und Gewalt und lässt kaum ein gutes Haar an der Situation vor allem bei den Gastgebern der EM 2012, die in wenigen Wochen beginnt. Dabei verlässt er sich nicht auf Informationen aus zweiter Hand, sondern bereist die Länder selbst, spricht mit obskuren Oligarchen und rechtsradikalen Hooligans und besucht als Journalist und Fußballfan die Stadien, in denen oft mehr als merkwürdige Dinge auf und neben dem Platz vorgehen.
In Polen ist es vor allem die allgegenwärtige Korruption, die einen massiven Schatten auf den Sport wirft. Sundermeyer greift unter anderem noch einmal die Affäre um den bei Borussia Dortmund aktiven Lukasz Piszczek auf, der noch in Polen aktiv an einem manipulierten Spiel beteiligt war, in erster Instanz auch gesperrt wurde, die Strafe dann aber auf Druck des Verbandes und des BVB in eine wirkungslose Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Auch der inszenierte mediale Kleinkrieg zwischen polnischen und deutschen Boulevardzeitungen im Rahmen der Titelkämpfe von 2006 und 2008 spielt eine Rolle, bezeichnend, dass die maßgeblich beteiligten Zeitungen in Polen und Deutschland beide dem Springer-Konzern gehören.
Korruption spielt auch in der Ukraine eine Rolle, dort sind es vor allem die nahezu allmächtigen Oligarchen, die mit Unsummen ihre Vereine zu internationalen Spitzenmannschaften aufrüsten und in einem erbitterten sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb untereinander stehen. Die Wachablösung im ukrainischen Vereinsfußball ist offensichtlich. Serienmeister Dynamo Kiew wurde von Schachtar Donezk verdrängt und in den letzten Jahren scheint auch Metallist Charkow dem Verein aus der Hauptstadt den Rang abzulaufen.
Es ist ein düsteres Bild, dass Olaf Sundermeyer vom Sport im Osten Europas zeichnet. Dass Großereignisse wie die Europameisterschaft 2012 u.a. in der Ukraine, Olympia 2014 in Sotschi und die Fußball-WM 2018 in Russland ohne die Macht und das Kapital der Oligarchen vergeben worden wären, hat aber auch niemand wirklich geglaubt …
Olaf Sundermeyer
Tor zum Osten
Besuch in einer wilden Fußballwelt
Verlag Die Werkstatt, 208 Seiten, ISBN: 978-3-89533-853-3
1. Auflage 2012, 12,90 Euro
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