Von Andreas Gniffke
Aus den Stadien der deutschen Profiligen sind Reichskriegsflaggen und rassistische Entgleisungen dank strenger Restriktionen und eines veränderten Zuschauerprofils weitestgehend verschwunden. Kleidung, die mit der rechten Szene assoziiert wird, ist in den meisten Stadien verboten. Doch die Verflechtungen zwischen rechtsradikalem Gedankengut und Fußball sind immer noch vorhanden, wie Ronny Blaschke in seinem unlängst erschienenen Buch „Angriff von Rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ ausführlich beschreibt.
Zwei Tore von Tobias Jänicke besiegelten am 8. August 2010 den 2:0-Heimsieg von Hansa Rostock über TuS Koblenz. Weitaus bemerkenswerter als das Ergebnis war allerdings eine Begebenheit, die sich bereits vor der Partie abgespielt hatte. Udo Pastörs, NPD Fraktionsvorsitzender im Schweriner Landtag wollte sich das Spiel mit 20 Parteifreunden ansehen, wurde aber von Anhängern des FC Hansa aus dem Stadion vertrieben, obwohl die Anhängerschaft der Ostseekicker seit Jahren mit einem eher rechten Image leben muss. In einer Stellungnahme äußerten sich die Rostocker Ultras dahin gehend, dass sie jeglichen Versuch, den Fußball für politische Zwecke zu instrumentalisieren, bekämpfen werden. Das hat Pastörs an diesem Tag zu spüren bekommen und er musste mit seinen Begleitern das Stadion unter Polizeischutz verlassen.
Die Frage, ob Fußball und Politik wirklich vollständig voneinander zu trennen sind, bewegt die Fanszenen seit vielen Jahren. Im ersten Teil seines Buches beschreibt Ronny Blaschke ausführlich die Versuche der NPD, über den Fußball Mitglieder zu gewinnen und vor den Stadiontoren auf Stimmenfang zu gehen. Aufsehen erregte die Partei, als sie im Zuge der WM 2006 einen WM-Planer verteilte, auf dem ein verfremdeter Spieler, den man leicht als Patrick Owomoyela identifizieren konnte, abgebildet war. Der dazugehörige Slogan lautete: „Weiß ‒ Nicht nur eine Trikot-Farbe!
In einem Interview mit NPD-Geschäftsführer Klaus Beier entlarvt Blaschke die Strategien der NPD, wobei er selbst gar nicht viel zu tun braucht, denn die bereitwilligen Antworten lassen wenig Zweifel an der Gesinnung der Gesprächspartner aufkommen. Außerdem beschreibt er neben dem NPD-Geschäftsführer auch die Geschichte des NPD-Funktionärs Stephan Haase, der als Schiedsrichter aktiv ist, oder die von Tommy Franck, der unter anderem mittels eines Fußballvereins Jugendliche für die rechte Sache anwirbt.
Der Rostocker Ronny Blaschke hat sich trotz seines jungen Alters bereits einen exzellenten Ruf als Sportjournalist erworben und arbeitet unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Berliner Zeitung, die Frankfurter Rundschau und den Deutschlandfunk. Bereits 2007 erschien mit „Im Schatten des Spiels. Rassismus und Randale im Fußball“ eine erste größere Untersuchung zum Verhältnis von Rechtsradikalismus und Fußballsport. Über sein gerade erschienenes Buch schreibt Blaschke in der Einleitung: „Dieses Buch untersucht die Auswirkungen von rechtsextremen Einstellungen auf den Fußball, vor allem auf Amateurebene. Entfremdung, sozialer Frust, verschwommene Vorurteile gegenüber Muslimen, Juden oder Sinti und Roma finden im Fußball ein Ventil. Auf dem Rasen öffnet sich dieses Ventil unter Emotionen, auf den Tribünen öffnet es sich in der Anonymität der Masse.“
Doch Fußball ist nur ein Teil der von Blaschke beschriebenen „rechten Erlebniswelt“. Wenn er sich aber zum Beispiel mit der vor allem in Hooligankreisen sehr beliebten Bremer Rockband Kategorie C auseinandersetzt, zeigt sich, wie eng Fußball, Musik und Rechtsradikalismus miteinander verwoben sind. Zwar gibt sich die Band in Interviews trotz einer rechten Vergangenheit unpolitisch und legt auch Wert darauf, politisch unverdächtige Texte zu verfassen. Doch treffen auf ihren Konzerten (noch) ungeprägte Jugendliche auf Neonazis und die Texte rund um Fußball, Gewalt, Ehre und Freundschaft treffen in das Herz der rechten Subkultur.
Das weitgehende Verbot von rechtsradikalen Symbolen und szenetypischer Kleidung führte zu einer Vielzahl von Codes und Codierungen, die für Eingeweihte sofort erkennbar sind und als identitätsstiftende Elemente in der Neonazi-Szene weit verbreitet sind. Zahlencodes wie die 88, die nach der Buchstabenposition im Alphabet für ‚Heil Hitler‘ steht, oder germanische Elemente wirken auf den ersten Blick harmlos, sind aber weit verbreitet. Ordner und Sicherheitskräfte in den Stadien müssen speziell geschult werden, um diese Symbole zu erkennen und den Trägern evtl. den Eintritt ins Stadion verwehren zu können. Neben diesen Codes beleuchtet Blaschke auch die Bedeutung des Internets für die Szene, sei es um kurzfristige und unbeobachtete Verabredungen zu treffen oder in Foren und Gästebüchern rechte Propaganda zu verbreiten.
Neben bekennenden Rechtsradikalen oder Parteifunktionären führte Blaschke aber auch Gespräche mit Fußballer Halil Altintop oder dem ehemaligen Schalker Yves Eigenrauch. Mit DFB-Präsident Theo Zwanziger spricht er über dessen Bestreben, die Popularität und gesellschaftliche Präsenz des Fußballs auch für politische Zwecke einzusetzen, sei es durch ein Freundschaftsspiel in Ungarn als Geste zugunsten der Sinti und Roma oder den Besuch von Nachwuchsspielern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Den Vorwurf, den Fußball mit politischem Gehalt zu überfrachten, kontert Zwanziger mit der großen Chance und Verantwortung des Fußballs, gesellschaftliche Veränderungen anstoßen und einer Vielzahl von Jugendlichen Orientierung und Werte vermitteln zu können. Am besten bevor das die Rechtsradikalen in ihren Vereinen übernehmen.
In 24 unabhängigen Kapiteln zeichnet Ronny Blaschke ein vielschichtiges Bild, das den tief gehenden Einfluss der Rechtsradikalen auf den Fußballsport zeigt. Dies zeigt sich nicht nur in den Momenten, in denen sich rechte Gewalt in den Stadien entlädt, sondern viel subtiler im Alltag, wenn in Fankurven und vor Stadiontoren Propagandamaterial verteilt wird oder politische Fußballvereine den Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anbieten – Indoktrination inklusive.
Ronny Blaschke
Angriff von Rechtsaußen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen
Verlag Die Werkstatt 2011, 16,90 €
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