5vier.de-Redakteur Matthias Spieth besuchte am vergangenen Freitag das Podiumsgespräch über die drei besten amerikanischen Romane 2010 in der Stadtbibliothek Weberbach.
Die letzten zehn Jahre haben in der US-amerikanischen Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen. Die Administration Bush, die 9/11-Attentate, der Irakkrieg – über alldem ein streitbarer Begriff von Freiheit. „Freedom“ ist längst ein Reizwort: Zueigen gemacht vom wohl kontroversesten US-Präsident aller Zeiten, nach seinen Vorstellungen umgedeutet. Um „Freedom“ geht es auch in den drei Werken, die im 3. Trierer Literaturgespräch vorgestellt wurden – allen voran im gleichnamigem Roman von Jonathan Franzen.
Neben dem erwartet monumentalen Wälzer von Franzen (Die Korrekturen) wurden Don DeLillos Der Omega-Punkt und Elizabeth Strouts Mit Blick aufs Meer von Experten einem breiten Publikum präsentiert. Was alle drei Romane vereint: Sie verarbeiten den Ist-Zustand der amerikanischen Gesellschaft, definieren den heiklen Freiheitsbegriff auf ganz unterschiedliche Weise, und – nicht ganz unwichtig – gehören zu den hervorragendsten Romanen des letzten Jahres.
Volles Haus in der Stadtbibliothek Weberbach
Grund genug für das Trierer Zentrum für Amerikastudien (TCAS), nach 2009 und 2010 auch dieses Jahr wieder ein öffentliches Literaturgespräch zu organisieren. Dieser Meinung waren neben „Stargast“ Hubert Spiegel (FAZ) auch Michael Embach und Sebastian Fett, die zusammen mit dem Organisator Gerd Hurm ein Podiumsgespräch über die drei besten amerikanischen Romane 2010 bestritten.
Der Lesesaal der Trierer Stadtbibliothek war zum Bersten gefüllt, zumal im Vorverkauf längst alle Karten ausverkauft waren. TCAS-Leiter Gerd Hurm im Anschluss: „Die Resonanz ist natürlich hervorragend. Der Saal war voll bis auf den letzten Platz -es war schon immer ein großer Anreiz, das zu sehen.“
Die Kooperation von TCAS und Stadtbibliothek ist keine beliebige Entscheidung. Anstatt die Veranstaltung an der Universität auszurichten, können so akademische Themen für ein breites Publikum sichtbar gemacht werden. Das wurde auch durch die Zusammenstellung der Expertenrunde unterstrichen, die nicht nur aus Berufsakademikern bestand. Während Hubert Spiegel also beispielsweise den renommierten Feuilletonismus vertrat, konnte Sebastian Fett (Lehrer in Koblenz) die Eignung der Romane als Unterrichtsstoff reflektieren.
Vier Experten über drei Romane
Don DeLillo genießt in der Expertenrunde einen Sonderstatus: „Seit 40 Jahren auf der Höhe seiner Zeit“, ist sein Point Omega ist nicht nur inhaltlich bemerkenswert, sondern auch bemerkenswert kurz. Gerade 110 Seiten umfasst DeLillos „Versuch, sich in die Tradition der großen europäischen Novelisten des 19. und 20. Jahrhunderts einzureihen“ (Spiegel). Obwohl politisch brisante Themen hier hier auf engstem Raum verdichtet werden, taugt er doch nicht als politisches Statement.
Elizabeth Strout hatte dagegen kaum jemanden auf dem Radar: Spiegel, der ohne Umschweife zugibt, mit ihren Werken kaum vertraut zu sein, lobte die Unbekümmertheit um literarische Modi, mit der die weitgehend unbekannte Autorin Abgründe der amerikanischen Kleinstadt in einem spannenden Familienroman Mit Blick aufs Meer schildert. Eine Kleinstadt im Nirgendwo? Das soll Weltliteratur sein? „Faulkner hat in einem Gespräch mit Grass einmal gesagt: Alle Weltliteratur spielt in der Provinz“, gibt Spiegel zu Bedenken.
Nicht nur bekannt, sondern längst verehrt, dagegen Jonathan Franzen: Fast zehn Jahre nach seinem letzten großen Werk legt auch er mit „Freiheit“ einen Familienroman vor, wenn auch von größerer Komplexität als der von Strout. „Ein fast größenwahnsinniger Titel“, ist sich die Runde einig. Trotzdem eignet sich das seitenstarke Buch nach Fetts Meinung sogar für den Schulunterricht, sei aber „in Zeiten gekürzter Leistungskurse in der Gesamtheit illusorisch“. Soviel zur Freiheit im hiesigen Bildungssystem.Auf einen prophetischen Ausblick aufs nächste Jahr muss indes noch verzichtet werden. Gerd Hurm im Anschluss an die Veranstaltung: „Es ist noch zu früh, darüber etwas zu sagen. Das entscheidet sich erst nach der Buchmesse im Oktober, wenn die Romane ausgewählt werden.“ Wir dürfen gespannt sein.
Die vorgestellten Romane auf einen Blick:
- Jonathan Franzen : Freiheit. (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2010)
- Elizabeth Strout: Mit Blick aufs Meer. (München: Luchterhand, 2010)
- Don DeLillo: Der Omega-Punkt. (Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2010)
S. meint
Drei wirklich interessante Titel! Danke für den aufschlussreichen Bericht. 🙂