Plagiate sind in den letzten Tagen dank Verteidigungsminister Guttenberg in aller Munde. 5vier Reporter Lars Eggers wirft den Kopierer an und nimmt sich der Sache an.
Nun ist es also raus. Keine Ausreden mehr – kein Computerfehler, keine bösen Lektoren oder Druck-Satz-Seitenumbruch-Fehler. Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg ist nun – natürlich ganz nach eigenem Wunsch – nicht mehr Doktor Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Ich vermute ja immer noch, dass er im letzten Jahr auch den „Wilhelm“ selbst in seinen Namen kopiert und einfach gehofft hat, dass es keiner merkt. Da konnte er wenigstens noch sagen es sei ein Scherz gewesen, als es rauskam. Ein Witz ist die ganze Sache auch dieses mal – nur ist das Lachen ein wenig verzweifelt.
Ich finde, dazu gibt es gar keinen Grund. Ernst nehmen kann ich den guten Herrn Ex-Doktor ehrlich gesagt schon lange nicht mehr. Gerüchte sprechen jetzt von mehr als zwanzig Prozent, die Guttenberg abgeschrieben haben soll. Das ist schon ganz ordentlich. Besser als die meisten Hollywood-Drehbücher (die bestehen ja nun bekannterweise zu mindestens 80 Prozent aus altem Käse), aber weit übler, als es sich für eine Doktorarbeit gehört. Das ist nicht nur verdammt unwissenschaftlich, sondern auch unglaublich peinlich. Alle Verteidigungen helfen nichts mehr – auch unserem Verteidigungsminister nicht.
Dabei ist es so einfach, ein Plagiat an die Öffentlichkeit zu bringen, ohne dass es irgendeinen Leser, Zuhörer oder Kinobesucher interessiert. Hier ist daher der ultimative How-to Plagiatsratgeber in drei Schritten, damit die nächste Doktorarbeit auf jeden Fall ein echtes Original des digitalen Zeitalters wird – für alle Guttenbergs und solche, die es werden wollen!
Schritt 1: Kopiere nicht die ganz Großen
Wenn man schon abschreibt, dann nicht von den Quellen, die jeder kennt bitte. Ich erinnere mich bitter an meine Studienzeit, in der ich mehr als einmal Referatshandouts der Marke „Wikipedia-Strg-C-V“ auf den Tisch gelegt bekam. Haben die wirklich gedacht, dass das keiner mitbekommt? Ich meine – Wikipedia? Die meist gelesene und am wenigsten zitierte Quelle der Welt? Das hätte man doch besser machen können, oder? Wenn man schon abschreibt, dann doch bitte so, dass man es nicht sofort mitbekommt. Andererseits ist in den Zeiten des Internets Suchen und Finden nun wirklich keine Kunst mehr. Man braucht noch nicht mal irgendwelche Plagiatsprüfer-Programme, jede Suchmaschine findet inzwischen zuverlässig ganze Textpassagen. Da bleiben also nur noch irgendwelche obskuren Texte aus dem zweiten Untergeschoss der Unibibliotheks-Magazine – aber da kann man halt nicht einfach die Copy-Kralle ansetzen – schon dumm.
Schritt 2 – Branding ist alles
Die einfachste Möglichkeit ein Plagiat zu verkaufen, ist es genau als solches hinzustellen. An dieser Stelle sollte die wissenschaftliche Literatur auf jeden Fall ein Blick gen Hollywood werfen: „Landschaftsdarstellung in Goethes frühen Dramen – Reloaded“ ist doch schon lange überfällig, genauso wie „Return of the Psychoanalyse von Freud bis heute“. Und wem das zu auffällig ist, der nennt seine Arbeit eben eine Hommage, ein Relaunch, Reinvention oder schlicht ein Remake. Streut man ein paar Tarantino-mäßige Schimpfwörter ein, ist es sogar ein publikumstaugliches „Gritty Remake“. Was kann mit einer Doktorarbeit mit dem Titel „Das verf***te EU-Recht und das besch***ene Maastricht-Abkommen – Reloaded“ noch falsch machen? Da kauft Hollywood gleich die Rechte und die Bildungskrise ist in einem Zug mit gelöst. Ich sollte mir diese Idee umgehend patentieren lassen!
Schritt 3 – Zwei kleine Tasten
Die leichteste und beste Methode zu plagiieren ist allerdings die: Hängt eine Laterne daran, wie es bei uns Schreiberlingen so schön heißt. Macht kein Hehl daraus, dass ihr abschreibt. Wie oft hat man auf Postern, Buchumschlägen und DVD-Covern gelesen „Nach einem Roman/Film/epileptischen Anfall von Michael Baywatch“? Wir leben doch in einer Recycling-Gesellschaft! Alles wird dreimal verarbeitet: Bücher, Filme, Comics, Spielzeuge…warum nicht auch Doktorarbeiten? „Werbekommunikation: ein pragmatisches Kommunikationsmodell – nach der wahren Doktorarbeit von Prof. Dr. XY“ – brillant. Gleich wieder Denkarbeit gespart!
Aber Moment – das gibt es ja schon! Man schreibt lange Passagen aus anderen Werken ab, drückt davor und danach einmal Shift-2 und schreibt dann am Ende der Seite oder der Arbeit ganz offen, dass man die Passage abgeschrieben hat. Machen alle. Seit Jahren! Kümmert kein Schwein! Man nennt diese Passagen übrigens belegte Zitate – und wenn ich recht überlege, ist es das, was der gute Herr Guttenberg vielleicht von Anfang an hätte tun sollen…
This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Germany License.
Ingrid meint
Zur BILD-Umfrage verweise ich auf Bildblog: http://www.bildblog.de/28211/deutschland-stimmt-sich-ab/
Bine meint
Danke für den Link, General C. Wenn das jetzt auch für den Verteidigungsminister gelten würde wäre es schön. Dann könnte man ihn zum Praktikanten degradieren – ganz im Sinne der Generation Praktikum würde er dann zwar mindestens genausoviel arbeiten wie jetzt, doch wenigstens wären seine Bezüge geringer.
Die Bild schlagzeilt heute, dass laut ihrer eigenen Umfrage 87% (oder waren es 84%) aller Deutschen weiterhin zu Guttenberg stehen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Bild-lesenden Akademiker hier verschämt nicht mitgestimmt haben.
General C meint
Ich möchte an dieser Stelle hierauf verweisen:
http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1298441438079
S. meint
Musste sonst noch jemand an Helene Hegemann denken? 😉
Erich meint
Köstlich! Habe mich sehr amüsiert über diesen Artikel. Und bei dem von DaVinci inspirierten Bild fällt mir ein dass ich neulich einen Artikel gelesen habe in dem die Rede davon war, dass das Vorbild für die Mona Lisa in der Tat ein Mann gewesen sein soll… Aber wer weiß das schon.
Dr. Googleberg meint
Tja, seinen Doktor ist er zur Minute losgeworden. Paradoxerweise hat er laut Umfragen an positivem Wert zugelegt. ich finde schon, dass er eine gute und auch notwendige politische Arbeit leistet und dass er Politik für viele wieder frisch und interessant gemacht hat. Die Vorwürfe sind nicht interessant, im Gegenteil, es gibt weitaus wichtigeres zur Zeit, aber dennoch: Er wird sich so nicht halten können zumal sein größtes Ass eben seine Ehrlichkeit war und dass er auch so rüber kam. Dieses Mal ist kein Schneiderhahn, oder Schatz da, den er entlassen könnte. Dieses Mal wird ER wohl gehen müssen (Die Opposition gibt da mit Sicherheit keine Ruhe). Andererseits wirft diese Debatte noch viel weitere Schatten: Jetzt werden bestimmt weitere Arbeiten von Regierungsangehörigen durch die Suchmaschinen laufen.
Lars Eggers meint
Und leider befindet er sich in guter Gesellschaft. Ich habe während der Recherche zu meiner Magisterarbeit mehrere wissenschaftliche Arbeiten lesen dürfen, die fröhlich voneinander abgekupfert haben. Von Hausarbeiten und Referaten leider viel zu vieler Mitstudenten will ich gar nicht anfangen. „Wiki-Pasten“ ist ja sogar schon ein gebräuchlicher Ausdruck. Herr Guttenberg ist also in bester Gesellschaft – leider.
Dr. Googleberg meint
Guttenberg ist in aller Munde. Reden kann er gut, mich interessiert einfach, was der Mann noch sagen will. Hört man nämlich genauer hin, ist das alles doch großer Stuss und Klartext redet er sowieso nie. Ich denke diese Affäre wird ihn zu Fall bringen. Zu Recht. Bedenkt man, was die Studenten und Doktoranden dieser Welt leisten, um eine ehrliche Arbeit zu machen und dann kommt dieser Gelkopf daher und kupfert glatt mal ganze Seiten ab. In der aktuellen Spiegel-Ausgabe gibt es einen Bericht (Titel) darüber. Dort sind im Detail die bisher gefundenen Plagiate dargelegt: Im großen Stil unverändert übernommen und sogar von studentischen Hausarbeiten abgekritzelt. Einzig für Guttenberg typische, schwulstige Füllworte hat der Mann ergänzt. Zudem verdichten sich die Gerüchte, dass er den Wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung dazu eingesponnen hat, unwissend über den eigentlichen Zweck ihrer Recherche, Ergebnisse für seine Arbeit zusammenzutragen als er noch Abgeordneter war.
Johannes Gutenberg druckte die Übersetzungen Luthers, um deren Botschaft zu verbreiten, K-T zu Guttenberg kopiert Botschaften anderer, um es als seine eigene auszugeben
Bine meint
Herr Eggers, Lars, wie immer ich Sie jetzt anreden darf – Hut ab. Ich habe gerade Kaffee von meinem Bildschirm gewischt und bin immer noch am kichern. Gut, dass ich keine Bürokollegen habe.
Ich habe mich sehr über Guttenberg aufgeregt und finde seine Haltung erbärmlich. So sollte akademisches Arbeiten nicht funktionieren. Kein Anstand, der Mann.