Am Samstag, den 2. Juni liest der gebürtige Trierer Ulf Iskender Kaschl in der Trierer TUFA aus seinem Erstlingswerk „Road Movie Kapstadt“, in dem er eine spannende Mischung aus Abenteuerroman und Gesellschaftskritik geschaffen hat. 5vier.de Redakteurin Stefanie Braun sprach im Vorfeld mit ihm über sein Werk, seine Beziehung zu Südafrika und gängige Vorurteile.
1975 in Trier geboren, verschlug es Ulf Iskender Kaschl bereits nach den ersten drei Lebenswochen mit seinen Eltern in die Türkei, wo er die nächsten beiden Lebensjahre verbrachte, danach folgten immer wieder Reisen. USA, Slowenien, Südafrika. Trier blieb dabei die „Homebase“. Nach der Zeit als Zivi zog es den jungen Mann dann aber doch in die Ferne, um ein Studium der Biologie und der englischen Sprache auf Lehramt zu beginnen. Mittlerweile lebt er mit Kind und Kegel in Stuttgart und lehrt dort an einem Gymnasium.
Doch die Reiselust liegt ihm weiterhin im Blut. Etwas, was er mit seiner Frau teilt, haben sich die beiden doch in Südafrika kennen gelernt und auch in Kapstadt geheiratet. „In früheren Beziehungen musste sich erst Verständnis für mein Interesse an fremden Ländern aufbauen, meine Frau teilt diese Leidenschaft mit mir.“
Unbegrenzte Probleme, unbegrenzte Lösungen
1999 war er das erste Mal in Südafrika, auch in Kapstadt. Dabei lernte er neben einem wunderschönen Land auch eine faszinierende Metropole kennen. Eine, die nicht nur interessante Menschen aus aller Herren Länder beherbergt, sondern auch Extreme und gesellschaftliche (Miss)Stände in sich vereint. Dort hat Kaschl viele Leute kennengelernt und auch viel über eben diese Misstände erfahren. Er hat viel über die allgegenwärtige Gewalt erfahren, aber auch die besondere Stimmung der Stadt gefühlt. Eine Stadt in Aufbruchsstimmung, die zu den scheinbar unbegrenzten Problemen scheinbar unbegrenzt Möglichkeiten zur Problemlösung findet.
Mit seinem Buch wollte er eben diese positive Stimmung einfangen, die auch im Angesicht heftigster Brutalität bestehen bleibt. Und mit den gängigen Klischees aufräumen, um ein authentischeres Bild von Kapstadt zu zeichnen, ohne die Probleme dabei zu beschönigen: „Die Gewalt in Kapstadt ist von einem Ausmaß, das mit westlichen Städten nicht zu vergleichen ist, ein Menschenleben kann dort in der Tat fast nichts wert sein.“
In Kapstadt findet ein Prozess im Zeitraffer statt
Kaschl erzählt von einer befreundeten Ärztin, die in einem Krankenhaus in Kapstadt arbeitet. Sie betreut dort unter anderem Ärzte aus Los Angeles, die zu einem Praktikum kommen, um etwas über Schussverletzungen zu erfahren. Die hat man in Kapstadt jeden Tag auf dem Operationstisch. „Es gibt einfach Sicherheitsregeln, die man beachten sollte, wie etwa, dass man nach 6 Uhr nicht mehr aus dem Haus geht oder mit dem Fahrrad irgendwohin fährt. Das ist einfach zu gefährlich.“
Kaschl verschließt die Augen auch nicht vor Problemen des Sozialsystems: „Es gibt kaum Sozialleistungen, auch das Versicherungswesen ist schlecht bis gar nicht ausgebaut, was aber dazu führt, dass es so etwas wie Nachbarschaftshilfen gibt. Die Leute helfen sich gegenseitig.“ Das spürt man in der Mentalität. Obwohl es eine große Kluft zwischen Arm und Reich gibt und diese Kluft praktisch an der Rassenlinie verläuft, was immer wieder zu Problemen und Gewalttaten führt, hat man es hier mit einer Gesellschaft im Umbruch zu tun. „Man merkt eine Freiheit und Aufbruchstimmung, die es während der Apartheid nicht gegeben hat, die Menschen wollen etwas verändern. Dahinter steckt ganz viel Energie. In Kapstadt findet gerade ein Prozess im Zeitraffer statt, den westliche Städte über Jahrzehnte durchgemacht haben.“
Aus diesem Grund spielt Kaschls Roman auch auf zwei Zeitebenen: Einmal im Jahre 1999 und dann wieder 2009. Die Entwicklung der Stadt schritt einfach so schnell voran, dass dass der Autor, als er 2006 zurückkehrte, nicht mehr das Kapstadt vorfand, welches er 1999 verlassen hatte.
Eine Aktualisierung seiner bisherigen Kurzgeschichten musste erfolgen, bis er sein Buch 2010 schließlich veröffentlichen konnte. Schließlich wollte er doch, dass seine Freunde in Kapstadt ihre Heimatstadt in seinen Worten auch wiedererkennen. Deshalb wird die Stadt in seinem Buch auch aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt, aus der des reisenden, anfangs etwas naiven Protagonisten, aus der eines Straßenmädchens, aus der eines Millionärs. Bisher bekam Kaschl darauf viel positives Feedback, der Facettenreichtum der Stadt kam rüber. Was auch daran liegen kann, dass die Charaktere in seinem Werk zwar erfunden sind, die Geschichten und Dramatiken hinter den Geschichten aber auf wahren Begebenheiten beruhen, die Kaschl so ähnlich widerfahren sind oder zu Ohren getragen wurden.
Der Leser soll aus Kaschls Erstlingswerk, auf das nach eigenen Angaben noch einige folgen werden, vor allem eines mitnehmen: Eine erweiterte Sicht auf eine faszinierende Stadt, die mal nicht als blutrünstige Kulisse genutzt wird, sondern als hoffnungsvoller Kern einer eigenen Geschichte.
Am Samstag, den 2. Juni liest Ulf Iskender Kaschl in der TUFA aus seinem Buch. Um 20 Uhr geht die multimedia-Show mit Florian Dominick am Klavier los, dazu wird es eine Weinprobe geben. Der Eintritt kostet 12 Euro.
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