Der Schnee hat Trier erreicht. 5vier-Korrespondent Lars Eggers schildert seine erste Begegnung mit der weiß-nassen Bedrohung und gibt Überlebenstipps.
Trier. Bitte – es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen, auch wenn das, was ich jetzt zu sagen habe offenbar großen Grund zur Sorge gibt: Der Winter hat Trier erreicht. Es schneit! Wie jedes Jahr trifft diese Erkenntnis viele Menschen völlig unvorbereitet und spricht sofort den Selbsterhaltungstrieb an. Ist wahrscheinlich genetisch. Es gibt sicher einen kleinen Teil in uns, der uns immer noch zur Vorsicht mahnt: „Mensch Junge, pass auf, sonst wirst du von ’nem Mammut plattgetreten, wie Gork letzte Woche!“ Vielleicht erklärt das auch die Ratlosigkeit, mit der viele Trierer dem Winter begegnen – die Eiszeit hat ja auch keiner kommen sehen.
Der Winter ist ein jährliches Event
Vielleicht sollte man es wirklich in der Zeitung und über Lautsprecher verkünden: Der Winter kommt jedes Jahr! Völlig egal, ob es einem gelegen kommt oder nicht, die Winterreifen und der Frostschutz wollen schön regelmäßig zum Jahresende am, beziehungsweise im Auto appliziert werden und auch Schnee und Eis sollten wirklich keine allzu große Überraschung darstellen. Trotzdem war es am Montag wieder das gleiche Bild in den Trierer Läden: Menschen stehen an der Kasse Schlange und mindestens jeder Dritte hat einen Borstenbesen und Streusalz unter dem Arm.
Der Baumarkt-Zwischenfall
Ich gebe zu, so ganz weit darf ich mich eigentlich nicht aus dem Fenster lehnen. Ich habe den Schnee gesehen und dachte mir: „Oh Schnee! Gehst du besser mal Streusalz kaufen!“ Anderseits wäre mir sonst eine Erfahrung erspart geblieben, ohne die dieser Artikel sicherlich nie zu Stande gekommen wäre.
Völlig ahnungslos streunte ich durch die mit Klodeckeln und Regalschienen tapezierten Regalschluchten des Baumarktes meiner Wahl, als mich eine Geräuschkulisse überfiel, die ich eher bei einem Punk-Konzert oder einem Wikingerüberfall erwartet hätte. Das Streusalzregal wurde von zwei Dutzend Leuten belagert, die das kostbare Natriumchlorid säckeweise auf ihre Wagen wuchteten. Eine Gruppe war gerade dabei mit Fackeln und Heugabeln bewaffnet einen Baumarktsangestellten an einen Plastikpfahl (in versch. Farben, Meterpreis 16,87 EUR) zu binden und mit Holzleisten (Buche, unbehandelt) einen Scheiterhaufen zu seinen Füßen aufzuschichten. Ich habe an diesem Tag viel gelernt und ich möchte meine Erkenntnisse weitergeben, damit Anderen die Anfeindungen erspart bleiben, die ich erfahren musste:
1. Streusalzkäufer verstehen keinen Spaß. Winterreifen- oder Schneeschieberkäufer noch weniger. Merke: Niemals auf einen Verkäufer zeigen und rufen: „Er weiß, wo es mehr gibt!“ Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich dafür entschuldigen. Narben machen ein Gesicht nur interessanter.
2. Schnee und Eis sind die natürlichen Feinde des Menschen. Geradezu bösartig. Man muss sie am ersten Tag bekämpfen. Am ersten Tag! Die Geschichten, die man mir in der Kassenschlange ins Ohr flüsterte klangen nach Kriegserfahrungen: „Ich habe einmal nicht rechtzeitig gestreut…hat sich drei Schlüsselbeine gebrochen!“ „…nicht gefegt – zehn Tote, hat die ganze Nacht gebrannt!“
3. Die weiße Gefahr ist hinterhältig. Keiner rechnet damit, dass sie einfach so vom Himmel fallen würde. Ein regelrechter Luftangriff! Und das ist auch nicht lustig! Sage niemals: „Wer hätte auch mit Schnee im Dezember gerechnet?“ Ich bin mir sicher, dass mir meine Krankenversicherung niemals glauben wird, wie ich zu diesen blauen Flecken gekommen bin…
Ich kämpfe mich nach einigen anstrengenden Stunden an der Kasse über den Parkplatz, wo einige Kunden bereits wild kichernd dabei sind Streusalz und gelegentlich auch einen Winterreifen auf den Straßen zu verteilen und bin wirklich froh, dass die öffentlichen Straßen und Plätze von der Stadt gestreut werden – oder?
Suppe versalzen? Einfach auf die Straße kippen!
Einige erinnern sich vielleicht noch an den letzten Winter. Der Winterdienst hatte am Ende kaum noch Streusalz. Ich vermute ja ernsthaft, dass es von den Baumarktskunden bei Nacht und Nebel aus den Lagehäusern getragen wurde – ein Wintereinbruch sozusagen. Wie dem auch sei, nach Angaben des Landes Rheinland-Pfalz wurden in der Region Trier letztes Jahr rund 50 Tonnen Salz gestreut. Zum Vergleich, das ist ungefähr die gleiche Menge, die in einer Imbissbude jede Woche auf die Pommes gekippt wird. Gereicht hat es nicht.
Von einer morbiden Faszination gepackt versuche ich herauszufinden, wie man der Thematik dieses Jahr begegnet. Die Antwort ist so verblüffend, wie komödiantisch wertvoll: mit Überraschung! In Trier selbst konnte mir niemand genaue Auskunft über die Gesamtmenge an Streusalz geben, die für diesen Winter zur Verfügung steht, weil diese vom Land gemanaged wird. Im Straßenverkehrsamt Rheinland-Pfalz begegnet man meiner Anfrage mit Verwirrung. 45 Tonnen stünden der Region diesen Winter zur Verfügung. Warum es weniger als letztes Jahr (wo es nicht gereicht hat) sei, darauf wusste niemand eine Antwort.
Der Master Plan
Das Thema Streuen und Räumen scheint also allerorts für Unsicherheit und Planlosigkeit zu sorgen. Offenbar ist es nicht möglich für den Wintereinbruch frühzeitig zu planen. Und ich habe auch eine Erklärung dafür: Verwirrungstaktik. Die weiße Gefahr selbst steckt dahinter! Schnee und Eis planen das ganze Jahr über nichts anderes, als die Landung in Trier: „Flocke Zebra an Zentrale: Planung der Winterstreudienste erfolgreich zersetzt. Landezone ist frei!“
Das erklärt auch, warum die immer erst gegen Ende des Jahres kommen; so eine Invasion zu planen dauert halt seine Zeit. Ich werde umgehend ein entsprechendes Schreiben an unseren Verteidigungsminister aufsetzen. Aber eins nach dem anderen – jetzt wird erst mal der Gehweg gestreut.
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zittrig meint
Tolle Karikatur, Lars!
Wie immer, eine klasse Arbeit.
Danke für die aufheiternden Minuten 🙂
Chrissi meint
Hihi, wie wahr. Ich war heute auch im Baumarkt und musste um mein Streusalz kämpfen.
Dann les ich heute, wir kriegen einen neuen Rekordwinter, ich glaube, morgen kauf ich noch zwei oder drei Säcke.
Und was die Stadt betrifft: 45 Tonnen scheinen echt etwas wenig, ich hoffe das hier wird kein zweites Hamburg. oO
Menno, ich will im Februar noch Autofahren können.
Per meint
Klasse Bericht 🙂
Macht Spaß, weiter so !