Am Sonntag, 20. Mai, feierte das Theater Trier Premiere der vorletzten Produktion der Spielzeit 2011/12: Mozarts Oper „Don Giovanni“. Das Premieren-Publikum belohnte die Inszenierung und die herausragenden Leistungen der Sänger mit einem acht-minütigen Applaus.
Warum verlieben sich Frauen immer in den Bad Guy? Die Womanizer kriegen oft die Frauen ab um die sich die guten Kerle so verzweifelt bemühen. Doch warum ist das so? Eine Frage, die sich sowohl Männer, als auch Frauen, mehr als einmal in ihrem Dasein gestellt haben, doch selten gibt es eine passende Antwort darauf.
Eines ist klar: Einen Womanizer erkennt man nicht nur an den zahlreichen Verehrerinnen, sondern auch an der Spur von gebrochenen Herzen, die er auf seinem Lebensweg zurücklässt. Unter dieser Prämisse wäre Don Giovanni, sofern es ihn gegeben hat, einer der größten Womanizer der Welt gewesen. Der Urvater aller Frauenkenner ist Mittelpunkt der neusten Inszenierung am Theater Trier: Mozarts „Don Giovanni“ unter der Regie von Thomas Münstermann.
Eine Geschichte voller Emotionen
Don Giovanni hat es nicht leicht. Der arme, junge Adlige wird verfolgt von einer Horde eifersüchtiger Exen, nebenbei auch noch von ihren gehörnten Ehemännern und rachelustigen Verlobten. Dabei wollte er doch nur seiner Liebe zum anderen Geschlecht Ausdruck verleihen. Sein Herz ist schlicht und ergreifend viel zu groß, um nur eine Frau zu lieben, da wären die anderen doch benachteiligt.
Also zieht er Liebe schenkend durch die Welt, so trifft er zum Beispiel auf Donna Anna (Joana Caspar), deren Vater er im Eifer des Gefechts um die Ehre der Tochter ermordet hat. Die zurückgewiesene Vollwaise ist nun zusammen mit ihrem gehörnten Verlobten Don Ottavio (Svetislav Stojanovic) auf der Jagd nach dem Gauner, dabei finden sie schnell Weggefährten, wie etwa Donna Elvira (Claudia-Denise Beck). Die ist ebenfalls eine fallen Gelassene und dementsprechend sauer.
Die anderen im Bunde sind die frisch Vermählten Zerlina (Evelyn Czesla) und Masetto (Pawel Czekala); nachdem sie fast den Verführungskünsten Don Giovannis erlegen ist, kann er seine Eifersucht nicht mehr im Griff behalten und sinnt darauf, dem Gauner wenigstens eine deftige Tracht Prügel zu verabreichen. Doch der listige Don Giovanni entgeht jedem noch so exakt ausgetüftelten Racheplan und verhöhnt seine Verfolger dabei sogar noch. Bis eines Nachts, die Geister der Vergangenheit mehr als lebendig an seine Tür klopfen und Vergeltung fordern…
Neues Gesicht am Theater Trier
Neben dem eingespielten Ensemble betrat mit dieser Inszenierung ein neues Gesicht die Bühnen Triers: Amadeu Tasca wird ab der nächsten Spielzeit der neue Bariton sein. Als Don Giovanni machte er einen fulminanten Auftakt, der sowohl stimmlich als auch schauspielerisch überzeugte und vom Publikum als Anerkennung tosenden Applaus bekam. Als ebenso spitzbübischer wie selbstgerechter und sogar skrupelloser Schürzenjäger marschiert er zielstrebig seinem Ende entgegen und scheitert schließlich an seiner eigenen Selbstgefälligkeit.
Während sein „treuer“ Diener Leporello, alias Alexander Trauth, ihn noch auf dem Friedhof warnt, die ihn heimsuchenden Geister nicht einzuladen, ist Don Giovanni schon längst fernab von jeder Vernunft. Was soll ihm auch groß passieren? Am Ende scheitern nicht nur alle seiner Eroberungsversuche, sondern auch Don Giovanni als Person.
Für die meisten anderen kehrt das Leben zur Tagesordnung zurück: Leporello sucht sich einen neuen sowie besseren Herren, Zerlina und Masetto gehen heim zum Essen, Donna Anna hält ihren Verlobten Don Ottavio immer noch hin. Einzig Donna Elvira scheint an ihrem Don Giovanni zu hängen, sie will ihr Leben im Kloster beenden.
Die Leistungen aller Sänger sind in diesem Stück als herausragend zu betrachten, egal ob als furienhafte Ex (mit einer wunderbar wütenden Claudia- Denise Beck), als verstoßene Geliebte oder als verführte Braut – hier überzeugt ein spielfreudiges Team. Besonders Neuzugang Amadeu Tasca und Sopran Joana Caspar wurden mit zahlreichen Komplimenten für ihre oft sehr körperlichen Darbietungen überhäuft. An dieser Stelle geht ein eindeutiges „Bravo, Brava“ an das gesamte Ensemble, welches eine starke Leistung gebracht hat.
Witz, Charme und Körperlichkeit
Regisseur Thomas Münstermann kann mit seiner Inszenierung punkten, setzt er doch vor allem auf Witz, Charme und Körperlichkeit, bis hin zu Sex-Appeal. Sein Don Giovanni spielt weder mit dem erhobenen Zeigefinger, noch rutscht er zu stark ins Burleske oder Belanglose ab. Die Figuren haben ihren klaren Platz, lassen aber doch öfters tief blicken, hier ist niemand die Unschuld vom Lande. Münstermanns Inszenierung bleibt außerdem zweischneidig, sieht der eine hier einen frivolen Frauenheld, erkennt der andere eine gescheiterte Persönlichkeit, einen erfolglosen Gigolo, der letztlich über seinen eigenen Hochmut stolpert. Was der Zuschauer des Stücks letztendlich für das eigene Leben aus dieser Oper zieht, bleibt jedem selbst überlassen. Es geht beides: die große Weisheit in Liebesdingen oder einfach ein glanzvoller Abend mit jeder Menge Sex und Crime.
Zu beiden Interpretationen trägt die beeindruckende Ausstattung von Axel Schmitt-Falckenberg einen entscheidenden Teil bei. Von den historischen, detailverliebten Kostümen, über das fantastische Bühnenbild, bis hin zur Einbindung der Statisterie, stimmt einfach alles. An einer nächtlichen Friedhofsatmosphäre zieht ein leuchtender Mond an einem bildschönen Nachthimmel vorbei, dann verschieben sich die Stücke des Bühnenbildes wieder zu einer lustigen Hochzeitsgesellschaft oder einem Ballsaal, aber die Friedhofsatmosphäre bleibt. Erst als am Ende die Sonne über der ganzen Szenerie aufgeht, ist es als würde man aus einer dieser langen und berüchtigten Nächte erwachen.
Eine beeindruckende musikalische Leistung
Ein großes Lob geht außerdem ans Orchester und dessen musikalischen Leiter Valtteri Rauhalammi, spielte dieser doch die rezitativen Parts selbst auf einem historischen Hammerklavier aus dem Jahr 1805, das von einem Privatier aus der Nähe Triers stammt. Dieses Instrument, das Mozart selbst schon spielte, verleiht der Inszenierung einen ganz besonderen Charme. Ein kleines Schmankerl, passend zu einer außergewöhnlichen Inszenierung.
Hier wird mit alten, allzu menschlichen Fantasien gespielt, der Anziehungskraft des Bösen, einem charmanten Grauen. Münstermanns Don Giovanni erinnert an den urtypischen Bösewicht aus alten Zeiten: hinreißend, grauenvoll, unhaltbar. Und letztendlich selbstvernichtend. In ein paar neckischen Details werden sogar Assoziationen mit einem Vampir wach, allerdings nicht mit der abgespeckten Twilight-Variante der Blutsauger, sondern eher mit dem guten alten Original. Für das Verständnis von Liebe hat Münstermanns „Don Giovanni“ keine rechte Botschaft, erscheint doch keine der dargebotenen Formen wirklich erstrebenswert, aber eines bleibt: das Gefühl etwas Verruchtes getan zu haben. Sei es auch nur durchs Zusehen.
Fazit: Eine äußerst ansprechende und gelungene Inszenierung, die mit einem tollen Ensemble und noch besseren Einzelleistungen aufwartet. Ein fulminantes Ende der Spielzeit im Bereich des Musiktheater.
Fotos: Theater Trier
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