Am 3. März hat „Die Physiker“ Premiere im Theater Trier, ein Stück in dem die Frage nach Wissenschaft und Moral offen gestellt wird. 5vier.de-Redakteurin Stefanie Braun stellte ebenfalls ein paar Fragen an Regisseur Steffen Popp, dem Trier nicht unbekannt ist.
Ganz im Gegenteil war ihm die älteste Stadt Deutschlands doch drei Jahre lang zur Heimat geworden. Nachdem er sein Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen abgeschlossen hatte, folgten noch Jahre der praktischen Arbeit: als Regieassistent. Um Regisseur werden zu können verbrachte er von 2004 bis 2007 eine lehrreiche Zeit im Theater Trier, wie er selbst sagt, aber auch eine anstrengende.
„Was man schon allein daran sah, dass ich fünf Kilo abgenommen hatte“, meint er. Als Assistent eines Regisseurs hat man eben nicht viel Zeit um zu essen. Oder für andere Dinge. „Stücke von Kollegen aus anderen Städten sehen, war unmöglich, als Assistent bist du die Schnittstelle zwischen allem.“ Zwischen Regisseur und Requisite, Maske und Kostümabteilung, dann wieder zwischen Regisseur und Schauspieler, zwischen dem Theater und der geplanten Produktion. Immer zwischen Tür und Angel. Und immer auf Anschlag.
„Selbst früher war die Situation und die Arbeit der Regieassistenten schon aufreibend und stressig, doch jetzt mit den Kürzungen und Einsparungen, sind es besonders die Assistenten die leiden. Sie ersetzen oft mehrere Stellen gleichzeitig, wie die Souffleuse oder den Requisiteur.“ Darunter leidet laut Popp wieder jenes Stück, welches sich gerade in seiner Produktionsphase befindet. „Informationen können von dem Assistenten nur schnell weiter gegeben werden, dabei gehen wichtige Details unter oder es gibt Missverständnisse und das stört wiederrum den Ablauf einer Produktion.“ Die Situation war zu seiner Zeit schon schwierig, doch nun hat sie sich noch zugespitzt. „Man merkt die Anspannung, obwohl sich alle große Mühe geben, einen möglichst guten Job zu machen, so wie immer.“
Fremdheit und Nähe
Was für ein Gefühl ist es für ihn nach vier Jahren wieder nach Trier zurück zu kommen, wollen wir wissen. „Ein merkwürdiges“, sagt er. „Einerseits ist es schön wieder mit alten lieben Kollegen zu arbeiten, andererseits befällt einen ein merkwürdiges Gefühl aus Fremdheit und Nähe. Eine Art Heimweh.“ Einerseits sind ihm die Orte noch bekannt, andererseits hat er hier keinen Wohnsitz mehr. „Ich lebe mittlerweile woanders, aber Trier war drei Jahre lang Heimat.“
Wie soll nun seine Fassung „Der Physiker“ aussehen? Wieder hat Popp gemischte Gefühle. Einerseits wolle er das Stück erstmal so nehmen wie es ist, andererseits müsse man bedenken, dass es mittlerweile fast 60 Jahre auf dem Buckel hat. Einige Dinge haben sich seitdem grundlegend geändert.
Im Stück entdeckt ein Wissenschaftler zuhause im stillen Kämmerlein die Weltformel, wird sich seiner Verantwortung für die Welt bewusst und lässt sich daraufhin in eine Nervenheilanstalt einweisen. „Dürrenmatts Angst, dass die Privatwirtschaft irgendwann die Wissenschaft kontrollieren könnte, ist längst da, ohne private Investitionen könnte die Forschung heute gar nicht weit kommen.“
Dürrenmatts Angst vor der nuklearen Bedrohung, ausgelöst durch den berühmten Druck auf den roten Knopf, ist in heutigen Zeiten viel subtiler. „Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen möglichst schnell in Produkte umgewandelt und dann auf die Bevölkerung und die Umwelt losgelassen werden. Dabei sind die Folgen meist gar nicht klar erforscht.“
Popp will das Stück für diesen heutigen Rahmen öffnen, ohne es platt zu aktualisieren. „Ich traue dem Zuschauer zu, dass das angesprochene Problem alleine auf heute hochgerechnet werden kann. Außerdem erkennt der Zuschauer zu recht eine gewisse Reibung, wenn man ältere Stücke einfach auf die heutige Schiene ziehen will. Dafür gibt es sehr gute neuzeitliche Stücke.“
Schocken und Wachrütteln
Was für eine Lehre kann man aus dem Stück für die heutige Wissenschaft denn dann ziehen? Der düstere Ausgang des Stücke verleitet viele zu dem Glauben, dass die Menschheit sowieso dem Untergang geweiht ist. Popp sieht das ein bisschen anders: „Dürrenmatt ging es nicht darum, dass sich die Leute mit diesem Schicksal abfinden, sondern er wollte schocken und die Leute wachrütteln. Die Hauptfigur Möbius scheitert ja letztendlich daran, dass sie alles im Alleingang machen will. Dürrenmatt war davon überzeugt, dass ein Problem, was alle angeht, auch nur von allen gelöst werden kann.Und heute haben wir dafür viel mehr Möglichkeiten als damals – solche, die Dürrenmatt sich noch gar nicht vorstellen konnte.“
„Die Physiker“ ist ein bekanntes Schulstück. Ist diese Version denn auch für Schüler geeignet? „Klar“, antwortet Popp und erinnert sich dabei an seine eigene Jugend, „Mich hat auch das interessiert, was die Erwachsenen interessiert hat, auch wenn ich manches nicht direkt verstehen konnte. Aber dann muss man einfach nachfragen können. Ich wurde als Jugendlicher immer sauer, wenn man mir Sachen künstlich heruntergerechnet hat, nur damit ich alles ohne Fragen zu stellen begreife.“ Erstmal, so sagt er, sollte man den Leuten viel zutrauen, Fragen können dann im Austausch miteinander geklärt werden.
5vier.de wünscht Steffen Popp und seinen Darstellern alles gute für die Premiere am Samstag!
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