Am vergangenen Samstag feierte das Stück „Die Physiker“ Premiere im Theater Trier. Regisseur Steffen Popp (5vier.de sprach im Vorfeld bereits mit ihm) setzte auf Komik und Spielfreude seiner Schauspieler und traf damit ins Schwarze. 5vier.de Redakteurin Stefanie Braun war bei der Premiere dabei.
„Die Gedanken sind frei.“ Leider. Johann Wilhelm Möbius, Protagonist von Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“, würde seine Gedanken nur zu gerne wieder in Ketten legen. Hat er doch Zuhause im stillen Kämmerlein mal eben die Weltformel für sich entdeckt und mit ihr eine große Erkenntnis gewonnen. Die Welt ist noch nicht bereit für so viel Wissen. Denn Wissen bedeutet immer noch Macht und die will er nicht in den falschen Händen sehen. Ihm bleibt nur eine Wahl. Er muss sich unglaubwürdig machen, also behauptet er der goldene König Salomon würde ihm erscheinen und alles Wissen der Welt vordiktieren. Einen solch schwerwiegenden Plagiatsfall muss man einfach mit 15 Jahren Irrenanstalt bestrafen. So fristet er sein Dasein fortan in der überaus teuren, aber auch überaus renommierten Anstalt von Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, zusammen mit zwei anderen genialen Verrückten: Newton, alias Herbert Georg Beutler, alias Peter Singer und Einstein, alias Ernst Heinrich Ernesti, alias Klaus-Michael Nix.
Betreut, gepflegt und geliebt werden die drei von drei Pflegerinnen, allen voran Monika Stettler, die bereits die Entlassung und anschließende Verheiratung Möbius mit ihr geplant hat. Sie glaubt an sein Genietum und an seine Ideen. Das passt Möbius gar nicht in den Kram. So muss er sie umbringen, seine Monika. Zum Wohle der Menschheit. Auch seine Kollegen Newton und Einstein haben sich bereits ihrer heiratswütigen Krankenpflegerinnen entledigt. Dass in ihrem Institut zur Zeit soviel gemordet wird, passt wiederrum Fräulein Doktor von Zahnd nicht in den Kram. So muss sie drei Schwergewichtsmeister als Pfleger einstellen und aus ihrem Sanatorium ein kleines Fort Knox machen. Unterdessen haben Newton und Einstein jedoch ganz andere Pläne mit dem genialen Möbius. Und Fräulein von Zahnd hat ganz andere Pläne mit ihnen.
Wie fern sind Möbius Gedanken wirklich?
Die Geschichte kennen viele bereits aus dem Schulunterricht, das aufgegriffenen Problem aus Medien, Ehtikfragen, aus mehr oder weniger futuristischen Science Fiction Werken. Doch wie fern sind Möbius Gedanken wirklich? Wie weit darf Wissenschaft gehen? Wie weit darf man einen Gedanken zu Ende denken ohne sich gleich zum Mitschuldigen zu machen?
Bestes Beispiel aus dem Stück selbst: Einstein, alias Klaus-Michael Nix, betont wieder und wieder, dass er lediglich einen Brief unterschrieben habe, in dem die weitere Untersuchung an der Atombombe empfohlen worden wäre. Das Resultat ist bekannt. Muss die Wissenschaft voranschreiten? Und wenn ja zu welchen Konditionen?
Dies sind die Fragen, die Dürrenmatt aufwirft und die von Regisseur Steffen Popp aufgegriffen werden. Seine Antwort hat er ebenfalls von Dürrenmatt: Was alle angeht kann nur von allen gelöst werden. Und es gibt immernoch die Möglichkeit alles zum Guten zu wenden.
Eine reife Leistung von allen beteiligten Schauspielern
Zur Leistung der Schauspieler kann man nur eines sagen: sehr gut. Eine durchweg reife Leistung von allen beteiligten Schauspielern; hier waren einfach die richtigen Personen am richtigen Platz. Michael Ophelders glänzt in der Rolle des Möbius, Barbara Ullmann in der Rolle der Mathilde von Zahnd mal wieder unübertroffen,
Nix und Singer, als Geisteskranke im Dienste ihrer Majestät, bringen die Komik des Sückes zielsicher auf den Punkt, Vanessa Daun hat als heiratswütige Schwester Monika zwar nur einen „kurzen“ Auftritt, dafür überzeugt ihr Spiel umso mehr.
Gespielt wird generell wie bei den Verrückten und das darf man durchaus wörtlich nehmen. Denn während Kriminalinspektor Richard Voß, Christian Miedreich wunderbar klischeehaft im Stillen des rauchenden Detektivs die Doktorin vernimmt, geht im Hintergrund das Leben in der Anstalt weiter. Mit all seinen Verrücktheiten. Wem soviel Action auf der Bühne zu viel ist, kann sich aber auch problemlos auf das eigentliche Geschehen konzentrieren, dafür sind die Verrücktheiten noch dezent genug. Da macht das Zusehen Spaß.
Da macht das Zusehen Spaß.
Bühnenbild und Kostüme gehen auf die Kappe von Susanne Weibler und Claudia Caséra. Ersteres bestand nicht, wie vom Stück gewohnt, aus dem Inneren der Sanatoriumsräume, sondern aus dem Sanatoriumspark: so rollt sich eine grüne Kunstrasen-Spielwiese über die Bühne, nebst einiger Gartenmöbel und eines Bäumchens, das nebenbei noch als Versteck für Zigarren und Alkohol dient. Ein nachdenklich machender Kniff beim Bühnenbild stellt das Schicksal des Rasens dar, der wird nämlich während des zweiten Aktes ruckartig von der Bühne gerollt. Zurück bleibt eine karge Bühne, die ihr mechanisches Innenleben offenbart.
Die Kostüme von Claudia Caséra stechen besonders bei den Anstaltsinsassen hervor: so wirkt Möbius in seiner kurzen Hose und seinem Blazer wie eine Mischung aus Schuljunge und verschrobenem Proffessor. Klaus-Michael Nix erinnert in seinem Kostüm an den Mad Hatter aus Alice im Wunderland und das Fräulein Doktor scheint ihr Kostüm von unserer derzeitigen Bundeskanzlerin geliehen zu haben. Die Kostüme und das Bühnenbild unterstreichen so zum einen die Komik und zum anderen die Tragik des Stückes. Eine rundum gelungene Sache.
Fazit: Sehenswert, witzig und doch nachdenklich stimmend mit einer besonderen Empfehlung für Schüler und Lehrer. Da stimmt die Chemie, ääh Physik.
Fotos: Theater Trier
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