Nicht jedem Studenten sind ausreichend BAföG und/oder reiche Eltern vergönnt, die meisten müssen neben ihrem Studium arbeiten um sich ihr tägliches Brot und vielleicht einen gelegentlichen Kneipenrundgang mit Freunden leisten zu können. In unserer neuen Reihe „Studijobs“ befassen wir uns mit gerade diesem Thema und wollen dabei einen näheren Blick auf Arbeitsstellen jenseits vom Kellnern, HiWi und Kartenabreißer werfen. Die Erste in unserer 5vier-Serie ist Melanie Koch, die neben ihrem Geschichtsstudium als Assistentin in der Hippotherapie arbeitet. Wir haben sie einen Tag lang begleitet.
Melanie Koch ist 25 Jahre alt, ihres Zeichens Studentin der Geschichte und zudem ausgeprägter Fan von Mittelaltermärkten. Sie lebt in einer WG in der Innenstadt und ist gerade mit ihrer Magisterarbeit beschäftigt. Klingt erst mal nach einer ganz normalen Studentin. Wäre da nicht Mellis kleiner Nebenerwerb: Sie ist Assistentin in der Hippotherapie. Hippotherapie? Mancher Leser wird nicht umhin kommen sich zu fragen, was das sein soll. Die Antwort ist recht simpel. In anderen Worten ausgedrückt bedeutet ‚Hippotherapie‘ nichts anderes als ‚Reittherapie‘. Also eine therapeutische Maßnahme, die mithilfe von Pferden ausgeführt wird. Das klingt schon wieder zu einfach. Denn für die Patienten ist diese besondere Therapieform meist wesentlich mehr, als nur eine halbe Stunde auf einem Pferderücken zu sitzen. Das weiß auch Therapeutin Marie-Josée Schaack, die diesen Beruf seit sechs Jahren ausübt. Eigentlich ist sie Krankengymnastin, doch bereits seit ihrer frühen Kindheit sitzt sie regelmäßig auf Pferden. Ihre Mutter übte bereits den Beruf der Hippotherapeutin aus. So war es nicht weit hergeholt, die Zusatzausbildung ebenfalls zu machen. Was ist denn nun das Ziel einer Reittherapie?
„Eigentlich ist das Pferd der Therapeut“
„Das Bewegtwerden in einem normalen Rhythmus“, erklärt sie. „Die Schwingungen, die vom Pferd auf die Wirbelsäule des Patienten ausgehen, sind der menschlichen Bewegung recht ähnlich.“ Besonders für Spastiker stellt dies eine Möglichkeit dar, Muskelerregung in einem normalen Spannungszustand zu erspüren. Aber auch Patienten mit multipler Sklerose können durch die eher „sanfte“ Sportart des Reitens Muskeln gezielt trainieren und stärken. Marie-Josée Schaack weiß noch weitere Positivbeispiele: „Auch auf Patienten mit Verhaltensauffälligkeiten und autistischen Tendenzen wirkt sich die Therapie positiv aus, schon alleine die Nähe zum Tier und das besondere Erlebnis sprechen viele ganz stark an.“ Generell geht sie so weit zu sagen: „Eigentlich ist das Pferd der Therapeut, wir sind alle „nur“ die Assistenten.“ Von den positiven Effekten der Reittherapie weiß auch Gabi zu berichten, sie kommt mit ihrem Sohn Ingo schon seit einiger Zeit her. Ingo ist 22 Jahre alt, seit seiner Geburt blind und seit einiger Zeit hat er zudem autistische Tendenzen entwickelt. „Man erkennt es daran, dass wenn ihm etwas zu viel wird, er sich einfach in seine eigene Welt zurückzieht.“, erklärt Gabi.
Als Ingo vier Jahre alt war, ist sie das erste Mal mit ihm zur Reittherapie gegangen, damals noch unter der Leitung von Marie-Josées Mutter. „Die konnte genauso gut mit den Kindern. Wenn diese auf dem Pferd unruhig geworden sind, hat sie sich sogar hinter sie gesetzt und ihnen Kinderlieder zur Beruhigung vorgesungen.“ Wegen der Schule musste Ingo eine Pause beim Reiten einlegen, nun geht er seit einiger Zeit wieder regelmäßig. Einmal die Woche für eine halbe Stunde zu 20 Euro. Und es macht ihm sichtlich Spaß. Aber der ist nur ein Nebeneffekt. „Ich habe mich selbst mal probeweise auf ein Pferd gesetzt, es ist wirklich sehr anstrengend, besonders für die Oberschenkel und den Rücken. Das merkt man schon.“ Reiten ist hier neben Therapie eine richtige Sportart, die unter anderem dazu geführt hat, dass Ingo, der zudem noch spastisch ist, wesentlich gerader geht als vor der Therapie. „Er war als Baby und noch als Kleinkind sehr kraftlos, Frau Schaacks Mutter musste ihn auf dem Pferd festhalten, durch das Reiten hat er Muskeln aufgebaut.“ Als Ingo den Raum betritt, sieht man einen verschlossenen jungen Mann, als er aus dem Sattel steigt, lacht er, wirkt gelöst, entspannt. Es gibt zum Abschied sogar ein Küsschen für das Tier. Ein sichtbarer Erfolg.
Wer ist für diesen Job geeignet?
Wer ist nun für den Job geeignet und wer nicht? Für Melanie ist es ganz klar: „Man sollte Erfahrung mit Pferden mitbringen. Unsere Aufgabe ist es die Pferde herzurichten und bei der Therapie aufzupassen, dass keine Unfälle passieren. Wir müssen die Reaktionen der Tiere vorausahnen können.“ Dazu gehört auch, nicht in den neusten Reitertrends zur Arbeit zu kommen, die Arbeit ist auch schmutzig und manchmal nichts für Zartbesaitete. Scheu vor Menschen ist da fehl am Platz. „Wer einfach ein bisschen reiten möchte, braucht gar nicht erst anzufangen“, weiß auch Frau Schaack.
Melanie selbst arbeitet seit Anfang 2009 für sie, durch einen Aushang an der Uni ist sie auf die Reittherapie aufmerksam geworden. Mit elf hatte sie angefangen zu reiten, mit 16 dann aufgehört, doch bald kam die Sehnsucht nach einem Pferderücken. Spontan rief sie an, kam zu einer Therapiestunde vorbei und war bald wieder drin im Umgang mit den Tieren. „Ich habe Pferde vermisst, aber ich wollte auch etwas Außergewöhnliches machen, mit dem ich anderen helfen kann. Da war die Reittherapie ideal.“
Wer Interesse bekommen hat und sich angesprochen fühlt, kann sich unter folgender Nummer bei Marie-Josée Schaack melden. Sie und ihre Mitarbeiter sind froh um weitere kompetente Helfer: 0651/41201
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