Eine taffe Frau, die mitten im Leben steht. Politisch aktiv und seit 2015 auch ein Sprachrohr im Trierer Stadtrat, zeigte Jutta Albrecht oftmals klare Kante und vertritt die CDU im modernen Sinne. In der Partei selbst ist die gebürtige Eifelanerin seit 1999. Zuvor trug sie die Farben der FDP – in der sie in der Zeit von 1989 bis 1999 nicht nur politische Erfahrung sammeln, sondern auch die eigene Prägung durchaus beschleunigen konnte. 1980 zog Jutta Albrecht studienbedingt nach Trier, wo ihre politische Karriere nach und nach an Fahrt aufnahm. Auch ihr Ehemann Thomas Albrecht ist der CDU verwachsen und sitzt immerhin schon seit 1989 im Trierer Stadtrat.
Seither wurden viele Streitthemen diskutiert. Stadt-, Landes- und Bundesgesehen stets verfolgend, blieb sie in all den Jahren ihrer politischen Überzeugung treu. Laut und offensiv, sowie eine Vertreterin klarer Worte, blickt sie auch heute nicht immer mit zufriedener Miene auf die Entwicklung ihrer Partei. Im Interview mit 5vier.de-Redakteur André Mergener spricht sie nun nicht nur über die Trierer CDU, sondern hat auch eine Meinung zum Landes- sowie Bundesgesehen.
Politische Anfänge von Jutta Albrecht
Guten Tag Frau Albrecht! Beschreiben Sie mal bitte Ihren Weg in die Politik – wo ruhen Ihre Anfänge?
Jutta Albrecht: Ich habe während meiner Studienzeit in den 1980er Jahren Hochschul-Politik gemacht und das sehr intensiv und zeitraubend, wodurch leider mein 1. Studium auch sehr gelitten hat. Hineingeschnuppert habe ich damals auch in diverse Veranstaltungen der FDP. Schnell habe ich Interesse entwickelt und mich immer mehr damit beschäftigt, aber Parteimitglied wurde ich erst, als ich die Universität verlassen habe. Als hochschulpolitisch Tätige war ich bundesweit aktiv. So habe ich beispielsweise den damaligen Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann kennenlernen dürfen. Über die Hochschulpolitik kam ich sozusagen ins politische Leben.
Wieso jetzt die CDU – welche politischen Übereinstimmungen gibt es zwischen Ihnen und der Partei?
Jutta Albrecht: Wie ja schon erwähnt, komme ich aus der liberalen Richtung. Zehn Jahre lang war ich dort Mitglied, ehe ich anschließend 1999 zur CDU gewechselt habe. Der Grund meines Wechsels war quasi ein Wahlkampfslogan der FDP – “Wir sind die Partei der Besserverdienenden“. Spätestens da war für mich klar, dass dies nicht meiner politischen Überzeugung entsprach. Sicherlich war es nicht der alleinige Grund, da es auch hausgemachte Probleme in der Trierer FDP gab. Aber dieser Slogan war letztendlich der Hauptgrund, dass ich mir gesagt habe, dies ist nicht mehr meine Partei. Ich habe mir dann eine Partei gesucht, in der das Soziale einen höheren Stellenwert hat. In der CDU gab es auch die größten Übereinstimmungen bezüglich des Wahlprogramms, sodass es unterm Strich schon der richtige Schritt damals war. Es war die Zeit eines Norbert Blüm, eines Mannes, der auch heute noch für mich zu den authentischsten Politikern der CDU gehört.
Der Trend der letzten Jahre…
Wie kann man den Trend der CDU der letzten Jahre beschreiben?
Jutta Albrecht: Die Sozialpolitik ist für mich ein sehr wichtiges Politikfeld, speziell die Familienpolitik, auch wegen meiner eigenen Vita: Mein Mann und ich haben drei Kinder. Politik für die Familie, das ist etwas, worauf ich schon immer einen Schwerpunkt gelegt habe. Ich finde, die CDU hat das Soziale immer sehr hoch bewertet und speziell für Familien eine sehr authentische Politik gemacht. Und das ist mir sehr wichtig.
Ich bin weniger die Wirtschafts-CDU´lerin. Nicht, weil ich denke, dass wirtschaftspolitische Fragen keinen hohen Stellenwert in der Politik haben sollten. Ich kann mir ja letztendlich Ausgaben im Sozialsektor nur leisten, wenn ich sie von der Wirtschaft her erarbeite. Wichtig, und über die Jahre hinweg sehr lobenswert, finde ich, dass die CDU DIE Europapartei ist. Ich habe neben Geschichte, meinem ersten Fach, auch Französisch studiert, und war während des Studiums 1982/83 ein Jahr lang in Frankreich. Hier habe ich auch gespürt, wie das ist, wenn man eine Fremde ist. Obwohl ich die Sprache des Landes gut gesprochen habe.
Das Gefühl, eine Ausländerin zu sein, wurde mir hier sehr deutlich. Und genau deswegen finde ich den Europagedanken auch so wichtig, dass wir ihn weiterhin pflegen. Noch zum Stichwort „fremd“: ich habe es persönlich sehr begrüßt, dass unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel 2015 wirklich Mut gemacht und gesagt hat, “Wir schaffen das“. Auch in unserer Partei haben sich sehr viele für Flüchtlinge eingesetzt. Das habe ich der Kanzlerin damals sehr hoch angerechnet, dieses Mut machen, diesen Einsatz für die, die fremd bei uns waren.
Was auch noch erwähnt werden muss, dass wir in der Partei zwei Strömungen haben. Ich bin kein Mitglied und keine Sympathisantin der sogenannten „Werte-Union“. Ich spreche diesem Lager auch diesen Namen ab. Denn Werte verfolgen wir doch alle. Nur die, die sich „Werte-Union“ nennen, die verfolgen andere Werte als die, die ich verfolge. ecken. Gerade die Flüchtlingsthematik ist in diesem Zusammenhang ein sehr heißes Eisen.
Diesjährige Landtagswahl
Wie groß war der Schmerz nach der verlorenen Landtagswahl in Mainz?
Jutta Albrecht: Der war gar nicht so groß, es war ein voraussehbarer Ausgang der Wahl. Ich hätte zwar nicht mit diesem desaströsen Ergebnis gerechnet, aber ich bin schon davon ausgegangen, dass hier in Trier keiner der Spitzenkandidaten Malu Dreyer überhaupt etwas anhaben kann. Aber das Ergebnis, das wir hier in Tier eingefahren haben, war in meinen Augen sehr niederschmetternd. Da braucht man auch gar nicht drumherum zu reden. Ich bin auch nicht jemand, der die Gründe woanders als vor Ort sucht, oder auch auf Landes- oder Bundesebene. Sicherlich hat uns diese „Maskenaffäre“ geschadet.
Aber das erklärt für mich nicht ein solch schlimmes Ergebnis. Ich bin jemand in der Partei, die, wenn man sie nach Vorbildern fragt, oder nach leuchtenden Sternen am Himmel der CDU, nach Parteimitgliedern, für die ich mit vollem Herzen Wahlkampf machen würde, antwortet: „Für die Bundeskanzlerin habe ich immer sehr gerne Wahlkampf gemacht, da stand ich auch voll dahinter.“ Beim Landtagswahlkampf hätte ich dieses Jahr keinen anderen, besseren Spitzenkandidaten benennen können, aber ich gestehe, dass der Spitzenkandidat für mich nicht jemand ist, für den ich Feuer und Flamme war.
Jutta Albrecht erhofft sich mehr Klima und Umwelt
Wurden Fehler gemacht – wenn ja, welche haben der CDU in diesem Wahlkampf letztendlich das Genick gebrochen?
Jutta Albrecht: Ja, es wurden Fehler gemacht! Es wäre jetzt aber nicht fair und auch völlig falsch zu sagen, dass der Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz die Fehler alleine gemacht hat. Ich finde, dass wir als CDU in Rheinland/Pfalz ein Thema lange vor der diesjährigen Wahl stiefmütterlich behandelt haben. Vor über 30 Jahren hatte es einen hohen Stellenwert bei uns. Wir haben damals mit Professor Klaus Töpfer den Umweltminister gestellt. Wir waren die Partei, die das C in unserem Namen ganz eng mit der Umwelt und auch mit der Klimapolitik verbunden hat. Und dass wir diesen Weg dann irgendwann verlassen haben und andere Dinge zu sehr in den Mittelpunkt gehoben haben, ist für mich einer der größten Fehler der CDU in Rheinland/Pfalz.
Und die Wähler und Wählerinnen sind nicht so dumm, wie wir als Politiker und Politikerinnen oftmals denken. Denn sie merken mit großem Gespür, ob Politiker und Politikerinnen wirklich hinter dem stehen, was sie vermitteln. Sicherlich haben wir auch irgendwann gemerkt, dass wir politisch dieses Feld den Grünen nicht komplett überlassen sollten. Die Themen Umwelt und Klima gehören für mich ohne Zweifel wieder in den Mittelpunkt. Es geht darum, welche Welt wir unsern Kindern überlassen. Das wir dieses Thema im Landtagswahlkampf zu spät auf der politischen Agenda hatten, das haben die Wähler und Wählerinnen registriert.
Das Wahlprogramm war in Teilen nicht authentisch, weil manche Vertreter unserer Partei, die diesen Wahlkampf in vorderster Front bestritten haben, vor ein paar Jahren noch etwas ganz anderes bezüglich der Thematik Umwelt und Klima vertreten haben. Das war zwar nicht der einzige Fehler, aber für mich wohl der entscheidende, der uns letztendlich, wie Sie schon in die Frage gesagt haben, das Genick gebrochen hat.
Die Kurve zeigt nach unten
Ihre Partei befindet sich im freien Fall – nicht nur aufgrund der jüngsten Schlammschlacht zwischen Armin Laschet und Markus Söder. Wie sehr haben diese zwei Alphatiere ihrer Partei geschadet?
Jutta Albrecht: Naja, wenn man sich die Umfragewerte kurz nach der von Ihnen als „Schlammschlacht“ bezeichneten Auseinandersetzungen angeschaut hat, konnte man schnell erkennen, dass dies der Partei enorm geschadet hat. Aber auch das sehe ich modifizierter. Für mich persönlich gehört ja die Auseinandersetzung – Stichwort Streitbare Demokratie, einfach in die Politik hinein. Immer der gleichen Meinung sein und sich politisch nicht fetzen dürfen, ist für mich keine Politik. Allerdings hätte ich mir hier gewünscht, dass die beiden diesen Machtkampf auf eine etwas elegantere Weise hinbekommen hätten. Also für mich hat es bis zu diesem Sonntag – als Söder endlich mal bekanntgegeben hat, dass er als Kandidat antritt -, viel zu lange gedauert. Verlorene Zeit.
Für mich hätte dieses Gespräch zwischen Laschet und Söder gleich nach der Wahl von Armin Laschet zum Parteivorsitzenden erfolgen müssen, damit das sich nicht zu solch einer Hängepartie, die es ja letztendlich war, entwickelt hat. Meine Kritik geht demnach in die Richtung, weshalb dies logistisch nicht besser vorbereitet worden ist. Und natürlich hat auch diese Hängepartie unserer Partei zweifelsohne geschadet. Aber vielleicht schadet unserer Partei auch, dass wir einfach mit beiden keine Sterne am Himmel, keine umfassend geeigneten Kandidaten haben. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb die CDU derzeit in den Umfragen abgesackt ist.
Jutta Albrecht´s Wunschkandidat
Welchen Kandidat hätten Sie denn gerne im Parteien-Ring gesehen?
Jutta Albrecht: Ich hätte ja Norbert Röttgen zum Parteivorsitzenden gewählt. Er wäre auch mein Favorit als Kanzlerkandidat gewesen. Er ist kein Hoppla, hier komm ich- Kandidat‘, im Gegenteil. Aber er hat für mich ein ausgleichendes Wesen, wie auch Armin Laschet. Er ist ein sehr gebildeter und weltoffener Mensch. Auch seine öffentliche Präsentation gefällt mir sehr. Er geht es ruhig an und vertritt eine soziale Politik und einen fairen Politikstil. Ich hätte ihm auch zugetraut, dass er beide Parteiströmungen wieder enger zusammenführen könnte.
Bei wieviel Prozent sehen Sie Armin Laschet nun Ende September?
Jutta Albrecht: Also, wir starren immer auf Umfragewerte. Wenn man sich daran orientieren würde, hätte man dann wohl doch besser Söder genommen. Ich selbst bin übrigens fast ein Opfer dieses Umfragehypes geworden, indem ich mich anfangs in Gesprächen innerhalb der Partei für Markus Söder ausgesprochen habe. Weil auch ich anfangs gesagt habe, wir brauchen einen Kandidaten mit guten Umfragewerten, der uns mehr Stimmen bringt. Was mich allerdings zum Umdenken bewegt hat, das war die Aussage von Reiner Haseloff, des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt: „Es kommt jetzt nicht auf Charakter an, sondern es kommt darauf an, dass wir den Kandidaten aufstellen, mit dem wir die größten Chancen haben und der die meisten Stimmen zieht“.
Ich habe mir daraufhin die Vita von Laschet und von Söder angeschaut, auch das bisher politisch Erreichte. Auch die jeweilige Vorgehensweise, was ja schon was mit Charakter zu tun hat. Ich habe mir gedacht, dass wir jemanden aufstellen müssen, der einen solchen Charakter hat, dass ich ihm auch zutrauen würde, schwierige und unpopuläre Entscheidungen zu fällen als Bundeskanzler.
Und nicht sich dabei zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Ich gehe nicht so weit, zu sagen, dass Söder ein Narzisst ist, aber eine Selbstverliebtheit ist schon deutlich bei ihm vorhanden. Dies war spätestens nach seiner Ansprache, in der er Armin Laschet als Kanzlerkandidat akzeptierte, klar. Ich bin zufrieden mit dem Ausgang der Entscheidung, sage aber ehrlich, dass es sich auch bei Armin Laschet für mich um keinen Kanzlerkandidaten handelt, der mich mitreißt.
Persönlich übrigens sehr sympathisch und bodenständig, ich durfte ihn in einer digitalen Veranstaltung des Kreisverbands der CDU Trier kennenlernen. Da ich nichts von überzogenen Positionen halte, hoffe ich, dass wir aus dem 23% Loch wieder schnell rauskommen und es schaffen müssen, wieder über 30% zukommen.
Unter Laschet eher ein “Weiter so“ – oder erwartet den Bundesbürger ein politischer Kurswechsel?
Jutta Albrecht: Ich glaube und gehe davon aus, dass es unter Armin Laschet, sollte er zum Bundeskanzler gewählt werden, eher ein “Weiter so“ geben wird. Alles andere würde mich schon sehr überraschen. Wobei ich ja finde, dass ein „Weiter so“ nach der guten Arbeit, die Angela Merkel geleistet hat, keine Katastrophe für unser Land wäre.
Grün ist das neue Schwarz
Bündnis 90 Die Grünen haben die CDU aktuell prozentual überholt. Wie groß wird diese konkurrierende Farbe Ihrer CDU Arbeit und Sorgen bereiten?
Jutta Albrecht: Eine große Konkurrenz für uns, denn es wird auch ehemalige CDU-Wähler und Wählerinnen geben, die diesmal Grün wählen werden. Unsere Fehler über all die Jahre hinweg, sei es landes- oder auch bundespolitisch, werden jetzt leider allzu deutlich. Wir sind für mich die Partei, die Umwelt und Klima ganz oben ansiedeln muss. Und selbstverständlich dort, wo wir Verantwortung tragen, umsetzen müssen.
Schauen wir mal nach Trier. Hinsichtlich der Fahrradwege ist schon einiges passiert. Aber es hätte noch mehr gemacht werden müssen. Ich erfahre das authentisch über meinen Ehemann, der seit Jahren leidenschaftlicher Fahrradfahrer ist. In Trier ist es sehr gefährlich, Fahrrad zu fahren. Hier hätten wir noch mehr von den vorhandenen Plänen umsetzen müssen. Allerdings muss ich sagen, und das werfe ich jetzt den Grünen vor, dass man nicht zu viel Unmögliches verlangen und auch nicht zu viel verbieten sollte.
Eine gesunde Mischung macht es, ob Entscheidungen von den Bürgern und Bürgerinnen akzeptiert und mitgetragen werden. Hier muss man die Wähler und Wählerinnen mit ins Boot nehmen. Das packe ich aber nicht, wenn die Hürde zu hoch ist, und wenn ich zu viel nur mit dem erhobenem Zeigefinger drohe und sage, was man alles nicht machen darf. Unterm Strich muss man authentisch sein und überzeugen.
Leider sind wir als CDU diese Themen nicht so forciert angegangen, wie es die Grünen letztendlich gemacht haben. Dabei sprechen diese Themen sprechen Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene an, eine riesige Wählerschaft in spe, die man sich mit einer halbherzigen Klima- und Umweltwahlkampf vergrault. Ich weiß, von was ich rede, diese Themen diskutieren wir mit unsern Kindern, die 22, 28 und 30 Jahre alt sind.
FORTSETZUNG FOLGT (13. Mai)
André Mergener
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