Die Situation ist völlig neu: Nie zuvor gab es in der Neuzeit ein Ereignis, das das öffentliche und wirtschaftliche Leben derart lahmgelegt hat, wie das aktuell das Corona-Virus tut. Kapital-Strategen fordern dazu auf, die Börsen in den Urlaub zu schicken; an der Wall Street wurde der Aktienhandel zeitweise ausgesetzt; Betriebe und Schulen müssen auf unbestimmte Zeit schließen; Spielplätze sind tabu; Gottesdienste finden ohne Gläubige statt; leere Regale in Supermärkten sind Ausdruck von Angst und Ratlosigkeit in der Bevölkerung.
Doch die ist zu einem Großteil unberechtigt, unterstreicht der Münchner Virologe Professor Alexander Kekulé, der aktuell auf allen Fernsehkanälen und anderen Medien als Gesprächspartner zu sehen ist. Wie viele seiner Kollegen ist er der festen Auffassung, dass man der Gefahr durch eine Verhaltensänderung, also der Beachtung von peniblen Hygienemaßnahmen und „sozialer Distanzierung“, durchaus begegnen kann. Kekulé erinnert an das deutlich gefährlichere SARS-Virus, das erstmals 2003 grassierte und dem seiner Aussage zufolge damals jeder zehnte Patient zum Opfer fiel. Die Sterblichkeitsquote bei Corona sieht der Virologe deutlich geringer, seiner Meinung nach „irgendwo unter zwei Prozent.“ Und er sieht Hoffnung: SARS habe etwa sechs Monate grassiert, danach sei es schlagartig verschwunden.

Das Robert-Koch-Institut verzeichnete am 20. März deutschlandweit 13.957 laborbestätigte COVID-19-Fälle, das waren 2.958 Fälle mehr als am Vortag. In Rheinland-Pfalz meldete das Gesundheitsministerium am Donnerstagnachmittag landesweit 749 bestätigte Corona-Fälle. Und wie ist die Situation in der Stadt Trier und dem Landkreis Trier-Saarburg? Ernst Mettlach, Sprecher der Stadt Trier, nannte am Dienstagmorgen folgende Zahlen: „Aktuell hat sich die Zahl auf 22 Erkrankte – zehn in der Stadt Trier und 12 im Landkreis Trier-Saarburg – erhöht. Bei allen Patienten wurden bisher nur leichte Krankheitssymptome gemeldet. Alle befinden sich zu Hause.“
Zuhause – das sind auch etliche Mitarbeiter der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Nicht in Freizeit, sondern bei der Arbeit. Home Office macht es möglich. Über Arbeit kann man sich auch in Corona-Zeiten nicht beklagen: „Sonderschichten werden nicht geplant, die werden schon lange gefahren„, betont Thomas Müller von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Und verdeutlicht: „Arbeiten fast rund um die Uhr und Wochenenddienste.“ Man habe Ärzte aquiriert und Mitarbeiter anderer Bereiche gewonnen, um neben der Abstrich-Bestimmung auf Corona-Viren auch die alltägliche Arbeit bewältigen zu können. Die Bestimmung der Abstriche erfolge im Landesuntersuchungsamt und im privaten Labor Synlab. Die Benennung von Wartezeiten, wann der Patient sein Ergebnis erhalte, sei aufgrund der schieren Menge „nicht mehr so kurzfristig möglich, wie es am Anfang war.“ Wie viele Abstriche in der Region vorgenommen werden, kann Müller nicht beantworten: „Es machen auch private Ärzte Abstriche, da fehlt uns der Überblick. Und diese Ärzte teilen uns nur den positiven Befund mit, nicht aber die Fälle, wo keine COVID-19Erkrankung vorliegen.“
Alle Freizeiteinrichtungen sind seit Mittwoch geschlossen
Im Augenblick sieht es in der Stadt und im Kreis also gar nicht so schlecht aus. Der Blick in das Nachbarland Nordrhein-Westfalen, es ist das bevölkerungsreichste Bundesland, zeigt, dass dort zehnmal mehr Menschen, also über 3000, an COVID-19 erkrankt sind. Ärzte und Politiker setzen nun alles daran, um in Stadt und Kreis die Ausbreitung so gering wie möglich zu halten. Auf Beschluss der Landesregierung sind seit Mittwoch, 18. März, in Absprache mit der Bundesregierung Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen und ähnliche Einrichtungen geschlossen. Ebenso betroffen sind Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeit- und Tierparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spezialmärkte, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Prostitutionsstätten, Bordelle sowie der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen sowie Spielplätze.
Verboten sind Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich sowie Reisebusreisen. Das gilt auch für Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften.
In Luxemburg funktioniert Kommunikation besser
Von der vorübergehenden Schließung sind ausdrücklich nicht betroffen Lebensmittelhandel, Apotheken, Optiker, Drogerien, Tankstellen, Banken und alle handwerklichen Dienstleister. Zur letztgenannten Gruppe gehört auch Roland Lauhoff. Mit seinen fünf Mitarbeitern betreut der Augenoptikermeister einen nicht gerade kleinen Kundenstamm. Dass Bundes- und Landesregierung zu einschneidenden Maßnahmen wie temporäre Schließungen gegriffen haben, dafür hat er Verständnis. Nicht aber dafür, wie diese Maßnahmen kommuniziert werden: „Wer die Pressemitteilung der Landesregierung liest, vermisst die Passage, in der steht, dass handwerkliche Dienstleister ihren Betrieb aufrechterhalten dürfen. Das wiederum steht in der Mitteilung der Bundesregierung.“ Die Konsequenzen bekommt er sofort zu spüren: „Seit bekannt ist, dass es zu Schließungen kommt, ist der Betrieb deutlich spürbar zurückgegangen.“ Von Kollegen weiß er, dass die auf ihre Art reagieren: „Einige haben ein Schild im Schaufenster angebracht, in dem sie ihre Kunden auffordern, telefonisch Termine zu vereinbaren.“ In Luxemburg habe man das wesentlich besser und professioneller kommuniziert, sagt der junge Meister. Was Lauhoff ärgert: „Wenn die Politiker auch unsere Branche zur temporären Schließung aufgefordert hätten, wäre der mir entstandene Verlust über die Betriebsunterbrechungs-Versicherung aufgefangen worden.“

Internet als Chance begreifen
Anni Güntepe ist Inhaberin von „Kinderkram“ und führt in der Saarstraße einen Secondhand Laden und einen Concept-Store. Noch wird im Laden mit Hochdruck gearbeitet. Doch die anstehende temporäre Schließung sieht die junge Geschäftsfrau als Chance zur Erweiterung und Ausbau ihres Etsy-Shops im Internet. Dazu will sie vor allem die sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagram nutzen. In der Zeit, in der ihr Geschäft geschlossen bleiben muss, will sie hier ihr Angebot an „Busenfreunde“-Produkten ausbauen und vermarkten.
Weiter geht das derzeit nicht so ganz normale Leben beim Standesamt Trier. Trauungen finden weiterhin statt. Nach jetzigem Stand werden alle verbindlich zugesagten Eheschließungen im Turm Jerusalem und in den Viehmarktthermen auch stattfinden. Das Standesamt bittet jedoch aufgrund der aktuellen Situation darum, die Hochzeitsgesellschaften im Turm Jerusalem und in den Viehmarktthermen möglichst klein zu halten. Sie sollten einschließlich Brautpaar nicht mehr als zehn Personen umfassen. Auch bei dieser Zeremonie sollte auf Händeschütteln verzichtet werden. Personenstandsurkunden jeglicher Art (Geburts-, Ehe- und Sterbeurkunden sowie deren Registerauszüge) sollten dagegen ausschließlich online beantragt werden.
Zu Einschränkung kommt es bei den meisten Ämtern: „Grundsätzlich empfiehlt eine Terminvereinbarung, damit man am Ende nicht vor einer verschlossenen Tür steht“, empfiehlt Pressesprecher Ernst Mettlach.
Besuche sind nicht erwünscht
Verschlossene Türen – das könnte auch in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen passieren. Denn der hier lebende Personenkreis genießt einen ganz besonders hohen Schutz. Tobias Reiland, kaufmännischer Direktor der Vereinigten Hospitien, wirbt hier um Verständnis: „Wir können den Angehörigen rechtlich nicht verbieten, die hier lebenden Menschen zu besuchen. Das könnte nur das Gesundheitsamt. Allerdings muss für uns das Wohl unserer Patienten und Bewohner an erster Stelle stehen, weshalb wir uns als völlig offene Einrichtung doch zu dieser unpopulären Maßnahme entschieden haben. Wir können nur hoffen, dass die Angehörigen dafür Verständnis haben.“
Und wie reagieren die Bewohner darauf? „Unser Pflegepersonal wird nicht müde, den Menschen die Zusammenhänge zu erklären. Viele verstehen das, andere können die Zusammenhänge und ihre Bedeutung überhaupt nicht richtig einschätzen“, sagt Reiland. Zum Glück gebe es aber auch schon positive Signale aus dem Kreis der Angehörigen, die die Sorge um die Gesundheit der alten Menschen ausdrücklich begrüßen würden. Vom Besuchsverbot betroffen sind aber auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die einen wesentlichen Anteil an der guten Betreuung der Bewohner haben. Um das Personal ein wenig zu entlasten, werden freiwerdende Betten im Pflegeheimbereich nicht neu vergeben, um dem Pflegepersonal mehr Möglichkeiten und Zeit an die Hand zu geben.
Kein Aufnahmestopp dagegen gibt es in der Reha-Klinik: „Die Menschen, die hierherkommen, waren vorher gut betreut im Krankenhaus. Die Chance, dass die das Virus mitbringen, ist sehr gering. Und man darf dabei auch nicht vergessen, dass wir mit jedem Patienten, den wir aufnehmen, ein Bett im Krankenhaus freimachen.“
Bleibt noch die Frage, wie Angehörige von sterbenden Menschen Abschied nehmen können? Für Reiland ist das keine Frage: „Da finden wir immer Wege und Möglichkeiten, denn auch in einer solchen Ausnahmesituation soll niemand diesen Weg alleine gehen müssen.“
Abschied von Sterbenden
Das ist auch bei den beiden großen Trierer Krankenhausträgern keine Frage: „Sterbende Patienten werden bei uns wie sonst auch betreut und selbstverständlich den Angehörigen Gelegenheit gegeben, Abschied zu nehmen“, versichert Helga Bohnet, Pressesprecherin des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen. Positiv auch ihre Antwort auf die Frage nach Schutzkleidung und Desinfektionsmittel: „Im Klinikum Mutterhaus sind Desinfektionsmittel und Schutzkleidung für Mitarbeiter ausreichend vorhanden.“
Mittlerweile gibt es auch ein Besuchsverbot im Trierer Krankenhaus. Damit jeder die hier geltenden Regeln einsehen kann, hat man eine ganze Liste von Fragen und Antworten zu dem Thema auf der Homepage eingestellt, die über diesen Link https://www.mutterhaus.de/aktuell/corona-aktuell/ einsehbar ist.
Und noch etwas hat sich im Mutterhaus verändert: „Die Essensausgabe für Bedürftige am Schwesterntor ist bis auf weiteres geschlossen“, bedauert die Sprecherin.
Brüder geben weiterhin Essen für Bedürftige aus
Bei der Trierer „Tafel“ hat man die Lebensmittelausgabe an Bedürftige eingestellt, „mit Blick auf die freiwilligen Helfer, die altersmäßig zu der besonders gefährdeten Gruppe zählen“, teilt der Sozialdienst Katholischer frauen (SKF) auf Anfrage mit. Essen bekommen Bedürftige dagegen noch beim Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier:
„Das Angebot unserer Sozialküche besteht weiterhin„, sagt Pressesprecher Marcus Stölb. „Die wohnungslosen und sozial benachteiligten Menschen hätten ansonsten keine Möglichkeit, an eine warme Mahlzeit zu kommen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation werden die Besucher jedoch noch einmal explizit dazu angehalten, sich vor Betreten der Sozialküche gründlich die Hände zu waschen und Abstand zu anderen Personen zu halten. Wir bitten die Gäste, zeitversetzt zu kommen und unmittelbar nach dem Essen wieder die Räume zu verlassen. So möchten wir erreichen, dass sich zeitgleich jeweils nur wenige Menschen im Raum aufhalten. Zusätzlich desinfizieren wir die Tische und lüften mehr. Hygiene ist in diesen Tagen das oberste Gebot. Zudem besteht auch weiterhin die Gelegenheit, in unserer Sozialküche zu waschen und sich zu duschen.“

Auch im Brüderkrankenhaus sind Besuche nun nicht mehr erlaubt. „Wir weisen zudem darauf hin, dass die Cafeteria im Krankenhaus für Besucher, Patienten und Angehörige nicht mehr geöffnet ist“, klärt Stölb auf. „Auch die Angehörigen der Bewohner in den Seniorenzentren der Barmherzigen Brüder in Trier und Alf werden gebeten, möglichst ganz auf Besuche zu verzichten bzw. sich vorab mit der Einrichtung abzusprechen. Ausnahmen gelten in Absprache mit der jeweiligen Station selbstverständlich für Angehörige, die sich von einem Sterbenden verabschieden möchten.“
Rolf Lorig
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