Die Kritiker sind überwiegend begeistert, der Dallas Buyers Club von Regisseur Jean-Marc Vallée räumt auf den Festivals einen Preis nach dem anderen ab und gilt auch bei der bevorstehenden Oscarverleihung als einer der großen Favoriten. Das Drama um einen an Aids erkrankten Widerling, der den Kampf um sein Leben annimmt und dabei die eigenen Vorurteile langsam überwindet, läuft seit Donnerstag im Trierer Broadway.
Der Kinoabend begann mit einer Schrecksekunde. Der Vorhang im Broadway öffnete sich und auf der Leinwand erschien ein sich langsam entkleidender Matthias Schweighöfer. Mancher Zuschauer kramte rasch die zerknitterte Eintrittskarte aus der Tasche, man wird sich ja wohl nicht im Saal geirrt haben und versehentlich in Vaterfreuden gelandet sein, der im Nachbarraum präsentiert wurde. Doch Glück gehabt, der deutsche Mime erinnerte nur kurz an das Handy in der Tasche und danach ging es dann wirklich mit Dallas Buyers Club weiter.
Von Beginn an macht es einem Ron Woodroof (Matthew McConaughey) leicht, ihn vollends unsympathisch zu finden. Der hagere Cowboy verkörpert einen bis an die Grenzen der Persiflage gezeichneten Klischeetexaner mit Cowboyhut, einem Faible für Bullenreiten, Suff und Drogen und einem tief verinnerlichten Schwulenhass. Frauen werden ebenso leichtfertig konsumiert wie Rauschmittel aller Art, aber der Lebenswandel macht sich bald körperlich bemerkbar. Woodroof landet im Krankenhaus und das erwartbar miserable Ergebnis der Blutuntersuchung bietet eine düstere Überraschung. Er hat die „Schwulenkrankheit“, er ist am HI-Virus erkrankt und der Arzt gibt ihm nur noch 30 Tage zu leben. Das einzige verfügbare Medikament ist erst in der Erprobung und Woodroof beschafft es sich auf illegale Art und Weise. Besserung ist allerdings nicht in Sicht. Durch einen Tipp landet er schließlich in Mexiko, um sich das vermeintliche Wundermittel dort zu besorgen. Dort eröffnet man ihm allerdings, dass das von der Pharmalobby gepushte Mittel mit extremen Nebenwirkungen einhergeht, weniger problematische und deutlich effektivere Mittel allerdings aus Profitgier vom Markt ferngehalten werden. Der Todgeweihte nimmt sein Schicksal in die Hand und importiert die Mittel kurzerhand im großen Stil. Er gründet den ‚Dallas Buyers Club‘, dessen Mitglieder gegen eine Gebühr mit den alternativen Mitteln versorgt werden und auch die eigene Gesundheit entwickelt sich positiv. Aus den prognostizierten 30 Tagen werden schließlich mehr als sieben Jahre. Eine Zeit, in der Ron Woodroof einiges über sein Leben lernt und einen entschlossenen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner führt.
Jean-Marc Vallées Film erzählt eine zumindest in ihren Grundzügen wahre Geschichte. Ron Woodroof und seinen Club gab es wirklich, doch rund um diesen Rahmen nimmt sich der Regisseur die Freiheit, eine eindringliche Studie über eine Zeit zu erzählen, als AIDS über eine Welt hereinbrach, die voller Vorurteile die Gefahren für Menschen außerhalb vermeintlicher Risikogruppen weitgehend ausblendete. Doch AIDS konnte selbst gestandene Bullenreiter treffen. Neben der ergreifenden Geschichte stehen vor allem die beiden Hauptdarsteller im Zentrum der Begeisterungsstürme. Matthew McConaughey hungerte sich bis an die Grenzen der körperlichen Belastungsgrenze herunter und auch Jared Leto verkörpert seine Rolle im wahrsten Sinne des Wortes. Er spielt Rayon, eine ebenfalls an AIDS erkrankte Transsexuelle, und aus einer Business-Zweckgemeinschaft entwickelt sich langsam eine berührende Freundschaft. Für seine Rolle gewann Jared Leto (ebenso wie Matthew McConaughey) den Golden Globe und auch bei den Oscars dürfte er sich durchaus Chancen ausrechnen. Einige Kritiker bemängelten zwar die vorhersehbare moralische Entwicklung Woodroofs, doch beide Hauptfiguren agieren feinfühlig und das Drehbuch gibt ihnen ausreichend Raum für die Entwicklung der problematischen Beziehung. Problematischer ist da schon eher die Zuspitzung der pharmazeutischen Komponente, die erst in einer Einblendung am Ende zurechtgerückt wird. Das sich im Versuchsstadium befindende Medikament ATZ wird als übler Zellenfresser dargestellt, wobei sich später herausstellte, dass hier vor allem die hohe Dosierung das Problem darstellte. Dass es so etwas wie Medikamentenkontrolle jenseits der zweifellos vorhandenen Interessen der Pharmalobby geben muss und sollte, wird hier ausgeblendet. Von saufenden Gammelcowboys illegal ins Land geschmuggelte Wundermittel dürften wohl nur in Ausnahmefällen der Königsweg sein.
Fazit: Dallas Buyers Club weckt auf beeindruckende Art und Weise das Bewusstsein für die Ursprünge einer Krankheit, die trotz deutlich verbesserter medizinischer Unterstützung nichts von ihrer tödlichen Gefahr verloren hat und eben nicht allein die Krankheit der Schwulen und Drogensüchtigen ist. Auch wenn es die Ron Woodroofs wahrscheinlich auch heute noch zu Genüge gibt. Tolle Schauspieler und eine feinfühlige Regie machen den Film zu einem intensiven Kinoerlebnis.
Dallas Buyers Club läuft im Trierer Broadway und an ausgewählten Terminen auch in der englischen Originalversion.
Kim meint
Wer das übliche Klischee einer transsexuellen Frau, die als „Mann, der sich umwandeln lassen will“, dargestellt wird verbreitet, bedient sich stereotyper Klischees und zeigt damit, dass er wenig Interesse daran hatte, dem transsexuellen Charakter in seinem Film respektvoll zu begegnen. „Dallas Buyers Club“ ist darum ein Film in der Reihe transsexuellenfeindlicher Filme der letzten paar Jahre. Aber damit liegt er ja im Trend.