Am Samstag, den 24. Mai hatte die Oper „Orfeo ed Euridice“ Premiere im Großen Haus des Theaters Trier. Inszeniert wurde das Stück von Birgit Scherzer und versprach damit schon außergewöhnlich zu werden.
Orfeo sitzt alleine am Küchentisch, schon wieder hat er ein Frühstücksei zuviel gekocht. Er kann sich einfach nicht damit abfinden, dass seine Euridice nicht mehr bei ihm ist. Um ihn herum Trauergestalten in weiß, die ihm mit Orchideen ihre Anteilnahme bekunden. Immer an seiner Seite, der weiße Schatten. Der ist teils Weggefährte, teils Schutzengel, teils imaginärer Kumpel, von dem man schon mal eine Umarmung bekommt. Aber auch der Begleiter in die Unterwelt, nachdem Amor sich Orfeos Klagesängen erbarmt hat; Orfeo (Kristina Stanek) darf hinabsteigen in die Welt der Toten um seine Euridice (Evelyn Czesla) wieder zu erlangen. Eine Bedingung gibt es aber, Orfeo darf sich nicht nach Euridice umdrehen, darf sie nicht ansehen und ihr nicht erklären, warum er sie nicht ansieht. Dass dies kein leichtes Unterfangen wird, kann der trauernde Liebhaber kaum abschätzen.
Universelle Liebe
Der antike Stoff geht für Orpheus und Euridike nicht gut aus, sie stolpert, er dreht sich aus Reflex um und sie entschwindet wieder in das Reich der Toten. Christoph Willibald Gluck wählte in seiner Oper „Orfeo ed Euridice“ ein günstigeres Schicksal für die beiden Liebenden. Orfeo dreht sich zwar auch zu seiner Geliebten um, woraufhin diese erneut stirbt, doch als er den Dolch gegen sich selbst erheben will schreitet Amor ein. Er erweckt Euridice und die Oper endet in Lobpreisungen Amors.
Birgit Scherzer wählte in ihrer Inszenierung wiederrum ein anderes Ende. Bei ihr kriegen sich Orfeo und Euridice nicht. Zwar wird Euridice auch hier zum Leben erweckt, doch erweckt sie eher den Eindruck einer seelenlosen Wiedergängerin, der Wunschtraum Orfeos wird zum Alptraum. Aus dem er am Ende wieder alleine an seinem Küchentisch erwacht.
Schön außerdem, dass Scherzer sich in ihrer Inszenierung nicht darum bemüht aus ihrer Hauptdarstellerin Kristina Stanek künstlich einen Mann zu machen. Die Rolle des Orfeo wurde ursprünglich mit Kastraten besetzt. Heute sind es vorwiegend Mezzosopranistinnen, die in die Rolle schlüpfen. Scherzer zeigt mit dieser einfachen Bekennung zur Wahrheit, dass Liebe eine universelle Sache ist. Sie behandelt das Thema mit einer einfachen Selbstverständlichkeit, die wirksamer ist als der erhobene Zeigefinger.
Starke Parts
Dabei verlangt sie ihren Solisten, Tänzern und dem Chor einiges ab. Scherzers Inszenierungen bestechen durch ihre starke Beweglichkeit und Körperlichkeit, dabei erreichen sie oft einen träumerischen, sphärischen Zustand. Orfeo erscheint als Mensch, der sich nicht mit der eigenen Hilflosigkeit abfinden kann, der letzten Endes aber einsehen muss, dass es Mächte gibt, gegen die er keine Chance haben darf. Seine wiedergekehrte Euridice ist nicht mehr der Mensch, der sie war. Großes Lob dabei an Kristina Stanek, die nicht nur stimmlich brilliert, sondern auch darstellerisch. Neben ihr tanzt ein fantastischer René Klötzer, leistet Beistand, vertreibt die Höllengeister, rettet vor dem Selbstmord und spiegelt zusammen mit seiner Tanzpartnerin Susanne Wessel den Kampf um Euridice wieder.
Evelyn Czesla gibt ihrer Euridice den Flair einer Frau, die schon einmal belogen wurde. Hartnäckig und auf Verletzungen vorbereitet befragt sie Orfeo. Als Zuschauer bekommt man schnell den Eindruck, dass schon einmal etwas vorgefallen ist zwischen den beiden. Auch gesanglich überzeugt sie, muss aber hinter den Leistungen von Stanek zurückbleiben.
Der Chor und das Tanzensemble machen zwei wesentliche Bestandteile der Inszenierung aus, sie bilden die entrückten Toten, die Dämonen der Unterwelt, die trauernde Gemeinde. In Scherzer-Inszenierungen habe alle Parteien viel zu tun und müssen zeigen, was sie alles können. Besonders das Tanztheater trägt einen erheblichen Teil zum Gesamtbild bei, mit choreographischen Finessen schaffen sie eine (Alp-)Traumlandschaft in der Orfeus seine Euridice suchen gehen muss.
Das Orchester unter der Leitung von GMD Puhl führt die Stimmung präzise durch den Abend, verleiht Glucks Komposition einen sauberen, entschlackten Charakter.
Die Kostüme von Alexandra Bentele unterstreichen das im wahrsten Sinne des Wortes Traumhafte der Inszenierung. Die Szenerie beginnt am Frühstückstisch vor Manfred Grubers schlichter aber atmosphärisch starker Kulisse. Orfeus macht sich im Schlafanzug auf in die Unterwelt, der Weg dorthin führt durch bewegliche Bühnenteile. Durch Wände, die keine sind, sondern aneinander gereihte, gespannte Bänder. Ein kleiner Schritt, wenn man weiß wodurch, und man ist auf der anderen Seite. Aber unüberwindbar, wenn man den Eingang nicht findet.
Fazit: Eine intensive, körperliche, atmosphärisch dichte Inszenierung, mit starken Choreographien und großen Parts für den Chor. Zudem zwei darstellerisch und stimmlich überzeugenden Hauptdarstellerinnen. Ungewöhnlich, stimmig und sehenswert.
Fotos: Theater Trier
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