„Probier’s Mal mit Gemütlichkeit“, „In Meiner Welt“ oder „Hakuna Matata“ – das sind Songs, die fast jeder von uns mitsingen kann und mit denen unzählige Menschen Kindheitserinnerungen verbinden. Ob „Dschungelbuch“, „Aladdin“ oder „Der König der Löwen“…viele dieser Geschichten sind unzertrennlich mit unseren Kindheiten verbunden, wurden tausendmal im ratternden Videorekorder rauf und runter geleiert, während wir die Abenteuer mit den gleichen leuchtenden Augen verfolgten wie beim ersten Anschauen. Die gleichen weit aufgerissen Sinnesorgane sind bei der Ü40-Generation zu entdecken, wenn John Williams Fanfaren den „Star Wars“-Soundtrack anstimmen und auf den weltweiten Comic Conventions sind alle Altersgruppen mit der gleichen Begeisterung unterwegs, wenn jemand im „Iron Man“-Kostüm vorbei stolziert. Und wenn all diese Menschen Kinder in die Welt setzen, steht irgendwann mehr oder weniger zwangsläufig das Disneyland auf der Wunschliste (übrigens auch nur knappe 4 Auto-Stunden von uns entfernt). Aus der kleinen Idee von Walter Elias Disney ist einer der größten Medienkonzerne der Welt geworden, der uns mittlerweile durch unser gesamtes Leben in der Popkultur begleitet…

Die Walt Disney-Statue im Disney California Adventure Park (Foto: Sam Howzit ; https://flic.kr/p/cw3p8h)
Trier / Paris / Los Angeles. Dabei war der unscheinbare Walter zunächst nur ein fleißig arbeitender Helfer auf der Familienfarm. Von seinen anderen 4 Geschwistern unterschied er sich vor allem durch seine unbändige Liebe zum Zeichnen. Nachdem er nach dem ersten Weltkrieg einige kurze Werbefilme gezeichnet hatte, zog er mit seinem Art Director und seinem Bruder Roy nach Los Angeles und entwickelte Figuren und Geschichten für die ansässigen Filmstudios. Inspiriert vom ersten kommerziell aufgeführten Tonfilm „Der Jazzsänger“ im Jahr 1927 produzierte Disney ein Jahr später mit „Steamboat Willie“ den ersten bekannten Zeichentrickfilm mit Ton, der aufgrund der neuen Technik sehr erfolgreich wurde. 1937 wagte sich Disney mit „Schneewitchen und die sieben Zwerge“ an den ersten Abend-füllenden Zeichentrickfilm, 1940 kombinierte er mit seinem bis heute einzigartigen Musikfilm „Fantasia“ Werke von unsterblichen Komponisten mit Animations-Szenen. In den darauffolgenden Jahren arbeitete er nicht nur an weiteren Zeichentrickfilmen, die heute allesamt Klassiker-Status genießen („Bambi“, „Cinderella“, „Alice im Wunderland“, „Peter Pan“, „Dornröschen“), sondern produzierte auch Spiel- und Dokumentarfilme (u.a. „Die Wüste lebt“). Auch die zukünftige Rolle des Fernsehens schätzte er Anfang der 1950er Jahre richtig ein und begann Konzepte für das neue Medium zu entwickeln, während viele Hollywood-Produzenten den Flimmerkasten zunächst nur belächelten. So zementierte er seine Vision in der modernen Popkultur, in dem er im Gegensatz zur Konkurrenz Medien-übergreifend dachte und plante.

Zur Disney-Parade teilen sich der König der Löwen und King Louis auch schonmal einen Wagen (Foto: Dustin Mertes)
Einen Schritt weiter ging er wenige Jahre später mit dem ersten Disneyland in Anaheim südlich von Los Angeles, dem keine 10 Jahre später das noch deutlich größere „Walt Disney World Resort“ in Orlando, Florida folgen sollte. Die Idee die Charaktere seiner Kinofilme nicht nur im Fernsehen, sondern auch in einer realen Kunstwelt in Form eines gigantischen Vergnügungsparks auftreten zu lassen war damals einzigartig und hat selbst bis heute nur wenige Nachahmer gefunden. 1966 starb Walt Disney kurz vor der Fertigstellung von „Das Dschungelbuch“ an Lungenkrebs und trat sein Imperium an seinen Bruder Roy ab. Seitdem ist viel Zeit vergangen.
Die Zeiten der großen Disney-Zeichentrickfilme sind seit geraumer Zeit vorbei. Mit „Der König der Löwen“ war man zum letzten Mal uneingeschränkt erfolgreich, danach begannen die Box-Office-Enttäuschungen zunächst noch mit „Pocahontas“ und „Hercules“ auf recht hohem Niveau, doch dann gingen die Walt Disney Animation Studios mit „Ein Königreich für ein Lama“ und „Der Schatzplanet“ so richtig an den Kinokassen baden. Mit „Lilo & Stitch“ und „Bärenbrüder“ konnte man zwar nochmal dezent an alte Erfolge anknüpfen, aber das Ende der Zeichentrick-Sparte von Disney war mehr oder weniger besiegelt. Die aufwendigen Eigenproduktionen waren wirtschaftlich nicht mehr rentabel, denn es gab einen neuen Platzhirsch der glücklicherweise ebenfalls bei Disney im Stall stand: Pixar.

Gegen die Zeichentrick-Herrschaft (und noch viel weiter!): Woody & Buzz Lightyear (Foto: Dustin Mertes)
Pixar geht zurück auf eine 1979 gegründete Abteilung bei Lucasfilm, die zunächst in erster Linie Spezialeffekte für Lucasfilm oder Industrial Light and Magic produzierte. 1986 erkannte niemand geringerer als Steve Jobs, Mitgründer von Apple, das Potenzial der Abteilung, kaufte sie für 5 Millionen US-Dollar auf und benannte sie in Pixar um. Er investierte noch einmal die gleiche Summe, wurde Geschäftsführer und ein Jahr später erhielt man mit einem animierten Kurzfilm die erste Oscar-Nominierung. 1991 schloss die Firma einen Vertrag mit den Walt Disney Studios über 26 Millionen US-Dollar ab. Teil der Vereinbarung waren drei animierte Spielfilme. Etwa 4 Jahre später kam „Toy Story“ auf den Markt und wurde ein Riesenerfolg. Man ging an die Börse, die Aktien gingen durch die Decke und Steve Jobs wurde zum Milliardär. Die lukrative Partnerschaft feierte mit „Das große Krabbeln“, „Toy Story 2“, „Die Monster AG“ und „Findet Nemo“ weitere Erfolge, die ersten fünf Filme spielten insgesamt 2,5 Milliarden US-Dollar ein. Mit dem durchschlagenden Erfolg begannen Streitigkeiten bzgl. der Rechte, die erst mit der offiziellen Übernahme von Pixar durch die Walt Disney Company endgütig beigelegt wurden. Der Großkonzern war um 7,4 Milliarden US-Dollar ärmer, hatte nun aber alle Probleme seiner Kino-Sparte erstmal gelöst. Die kriselnde Zeichentrickfilm-Sparte war in der Zwischenzeit massiv zusammen-rationalisiert worden und lag zwischenzeitlich komplett brach. Nach der Pixar-Übernahme, blieben die Wald Disney Animation Studious dennoch unabhängig vom Animations-Giganten und starteten 2009 nochmal den Versuch die Zeichentrick-Animation mit „Küss den Frosch“ wieder zu beleben und landete einen immerhin mäßigen Erfolg. Die Rückkehr zur 3D-Animation war losgelöst von den Pixar-Filmen dennoch der erfolgsversprechendere Weg. „Rapunzel – Neu verföhnt“ wurde ein Hit und der darauffolgende „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ mit 1,276 Milliarden US-Dollar Einspiel der bis heute erfolgreichste Animationsfilm überhaupt. Somit befand man sich nach der kriselnden Jahrtausendwende wieder deutlich auf Erfolgskurs, doch der Konzern wollte mehr.
Am 31. August 2009 gab Disney bekannt, dass sie die Marvel Studios für 4 Milliarden US-Dollar übernehmen werden und damit die Rechte am Comic-Universum der Marvel Comics haben. Die Marvel Studios hatten erst ein Jahr zuvor ihren ersten komplett eigenfinanzierten Film in die Kinos gebracht, während vorher die Rechte am Figuren-Interieur für gewöhnlich an das meistbietenden Filmstudio ging. Nun hatte man mit „Iron Man“ erstmals die volle Kontrolle über die eigenen Geschichten und plante dies im wahrsten den Wortes auszunutzen. So war „Iron Man“ der erste Teil eines größeren, zusammenhängenden Universums, das „Marvel Cinematic Universe“. Dieser Begriff steht für den Plan, die unterschiedlichen Comic-Figuren der Marvel Studios in einem gemeinsamen Universum zu behandeln und immer wieder in Filmen zusammen kommen zu lassen. So sind alle Filme Teil eines größeren Plans, der alle drei Jahre in Form der „Avengers“-Filme zu einem großen Crossover aller Figuren zusammengeführt wird. So profitieren unbeliebtere Marvel-Figuren von der Attraktivität des MCU und den damit verbundenen Gast-Auftritten anderer Comichelden. Mit dieser Strategie wurde in den vergangenen 9 Jahren 10,5 Milliarden US-Dollar verdient, was das Marvel Cinematic Universe zur erfolgreichsten Filmreihe der Kinogeschichte macht. Der bisher erfolgreichste Film war das erste Zusammentreffen des MCU-Figuren-Interieurs: „Marvel’s The Avengers“ mit über 1,5 Milliarden Dollar Einspiel. Die clevere und in Hollywood einzigartige Vermarktungsstrategie war ein Erfolgsgarant für den Disney Konzern und erinnerte an die fortschrittliche Film-übergreifende Denkweise Walt Disneys.

Ungleiche neue Konzern-Kollegen: Lichtschwert und Cinderella (Foto: Dustin Mertes)
Es dauerte nicht lange, bis man die nächste Goldgrube an Land zog. Im Oktober 2012 gab die Walt Disney Company bekannt, dass sie George Lucas‘ Filmproduktionsfirma Lucasfilm für die gigantische Summe von 4,05 Milliarden US_Dollar übernehmen will und damit die Rechte für den Science-Fiction-Kult „Star Wars“ in die Hände des Konzerns fielen. Der erste „Stars Wars“-Film unter Disney-Herrschaft nahm Ende 2015 dann auch auf Anhieb sensationelle 2,058 Milliarden US-Dollar ein und wurde damit hinter James Camerons „Avatar“ (2,78 Milliarden Dollar) und „Titanic“ (2,186 Milliarden Dollar) der dritt-erfolgreichste Film aller Zeiten. Inspiriert von Marvel entwickelte man für die neue Marke auch gleich ein Konzept, mit dem sich auf regelmäßiger Basis Geld verdienen lässt. So wird es fortan jedes Jahr eine Reise in die weit, weit entfernte Galaxie zu erleben geben. Während die Haupt-Story um die Skywalker-Familie alle zwei Jahre auf den Leinwänden weiter erzählt wird, füllt man das Leerlauf-Jahr mit einem sogenannten Spin-Off, also einem unabhängigen Ableger im „Star Wars“-Universum. Die Marketing-Abteilung verkauft das als Anthology-Reihe der „Star Wars“-Saga. Im letzten Jahr war das „Rogue One – A Star Wars-Story“, der mit seinen dreckigen Weltraum-Schlachten auch vor kurzem die weltweite Milliarden-Dollar-Grenze durchbrechen konnte, so dass die Kuh dieses Jahr mit der achten Episode aus der Skywalker-Saga weiter gemolken werden kann. Titel: „The Last Jedi“.

Der erste X-Wing-Fighter für die kommenden Star Wars-Attraktionen ist schon gelandet (Foto: Dustin Mertes)
Nicht nur im Kino nutzt der Disney-Konzern die kostspielige Liason mit Lucas Arts um Geld zu verdienen, auch in allen anderen Sparten surren seitdem die Lichtschwerter und das ist nur der Anfang. Neben der gigantischen Merchandise-Offensive in den Disney-Stores dieser Welt, baut man vor allem in den Konzern-eigenen Themenparks auf die neue Marke. Die Disneylands in Anaheim, Kalifornien und Orlando, Florida werden die ersten Parks sind, die ihr eigenes „Star Wars Land“ kriegen. Dafür wurde bereits im großen Maß Gelände zugekauft, um auf 5,7 Hektar eine komplett neue Themenwelt zu schaffen mit noch unveröffentlichtem Eröffnungs-Datum. In Europa backt der hochdefizitäre Park in Frankreich kleinere Brötchen. Hier wird die von Jules Verne inspirierte Kult-Attraktion Space Mountain zur Zeit mit überschaubarem Aufwand zu einer „Star Wars“-Achterbahn umgemodelt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch eine nicht ganz unbedeutende Kooperation mit James Camerons Produktionsfirma Lightstorm Entertainment, die in Disneys Animal Kingdom Themenpark in Florida eine eigene Avatar-Erlebniswelt plant. In Anbetracht dessen, dass Cameron für die nächsten Jahre gleich vier „Avatar“-Sequels plant, könnte das der nächste große Erfolg für den Megakonzern werden.
Disney ist zur Zeit und für die kommenden Jahre so breit aufgestellt wie schon lange nicht mehr und lebt so die progressive Denkweise von Walt Disney weiter, der sich nie immer nur auf ein Standbein verließ, sondern seine Ideen in allen erdenklichen Kanälen zu vermarkten versuchte. Heute ist Disney ein Konzern, der wortwörtlich überall ist. So werden die allerjüngsten mit den passenden Kinderserien früh abgeholt und in ihren Kinder- und Teen-Jahren mit TV-Serien und Kino-Produktionen weiter versorgt und gleichzeitig als quengelnde Kundschaft für die Disney-Parks herangezogen, während man die älteren Semester fürsorglich bei ihren Lieblings-Franchises abholt und sie so auch im Disney-Universum behält. Das die Taktik aufgeht, zeigt sich wenn man heutzutage durch’s Disneyland läuft: die breit gefächerte Besucherschar quetscht sich nicht nur mit Mickey-Mouse-Ohren und Cinderella-Kostümen durch die überfüllten Korridore, sondern schwingt zu gleichen Teilen auch den Captain America-Schild und lässt die Lichtschwerter surren. Somit fehlt eigentlich nur noch was für die Senioren….aber vielleicht kommt ja demnächst die „Oben“-inspirierte Senioren-Residenz?
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