Es ist eine wahrhaft epische Geschichte, durch die Regisseur Derek Cianfrance sein Starensemble um Ryan Gosling, Bradley Cooper und Eva Mendes in The Place Beyond the Pines treibt. Andreas Gniffke hat sich den Film im Trierer CinemaxX angesehen.
Schenectady, eine Kleinstadt im Staat New York, ist sicher nicht der Nabel der Welt, aber die Stadt jenseits der Pinienwälder, wie sie in der Sprache der Mohawks genannt wird, eignet sich bestens als Bühne für eine ergreifende Geschichte, wie sie in ihrer Tiefe und Verlorenheit vielleicht nur Derek Cianfrance erzählen kann. Wie schon in seiner berührenden, aber verstörend-deprimierenden Liebesgeschichte Blue Valentine, schickt er erneut Ryan Gosling ins Rennen, der sich immer mehr zu einem der herausragenden Schauspieler seiner Generation entwickelt. Wie schon in Blue Valentine spielt Gosling einen jungen Mann der Unterschicht, ohne große Perspektive auf ein auch nur einigermaßen abgesichertes Leben, dem es nicht wirklich gelingt, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Luke Glantons einziges Talent besteht im Motorradfahren und so stürzt er sich als Jahrmarktsattraktion todesmutig mit anderen Fahrern in eine Stahlkugel, die dem Film gleich zu Beginn in einer atemberaubenden Sequenz die Richtung vorgibt. Drei Männer fliegen mit ihren Maschinen durch die Kugel, ihre Wege kreuzen sich immer wieder, Zusammenstöße können nur knapp vermieden werden. Doch zu diesen Zusammenstößen kommt es im echten Leben und so wirft die Begegnung mit der Kellnerin Romina (Eva Mendes) Lukes Leben vollends durcheinander.
Bei seinem letztem Auftritt in Schenectady hatte Luke nämlich eine kurze Affäre mit Romina, aus der zu seiner Überraschung ein Sohn hervorging. Luke beschließt, seine „Karriere“ auf dem Jahrmarkt aufzugeben und sich um seinen Sohn zu kümmern, eine Entscheidung, die zwar aller Ehren wert ist, am Ende aber Leid über alle Beteiligten bringen wird. In der Werkstatt des zurückgezogen lebenden Robin (ein großartiger Ben Mendelsohn) findet er zwar ein Auskommen, aber um seinen Sohn wenigstens finanziell unterstützen zu können, fehlen ihm sämtliche Voraussetzungen. Sozial am unteren Ende der Nahrungskette beheimatet, ohne die Fähigkeit, seinen Namen halbwegs fehlerfrei zu Papier zu bringen und mit unfassbar hässlichen Tätowierungen übersät, dürfte sozialer Aufstieg nahezu ausgeschlossen sein. So kommt es, wie es kommen muss. Handsome Luke gerät auf die schiefe Bahn und nutzt sein Talent als Motorradfahrer, um als Bankräuber auf der Flucht die Polizei auf waghalsigen Verfolgungsjagden elegant abhängen zu können. Dass dies nicht gut gehen wird, ahnt der Zuschauer schnell und so kreuzen sich die Lebenswege von Luke und dem jungen Polizisten Avery Cross (Bradley Cooper) auf unheilvolle Weise.
The Place Beyond the Pines wurde von den Machern als klassischer Dreiakter angelegt, wobei die einzelnen Abschnitte mehr oder weniger gleichviel Raum einnehmen. Steht in der ersten Dreiviertelstunde die Geschichte von Luke im Mittelpunkt, rückt im Mittelteil Avery in den Fokus. Aus dem Familiendrama des ersten Teils wird nun eine Art Copthriller, denn der junge Polizist muss innerhalb eines korrupten Kollegenkreises rund um den Fiesling Deluca (Ray Liotta) seinen Weg finden, was ihm letztendlich nach einigen moralischen Verbiegungen auch gelingt und ihn immer weiter nach oben bringt. Der abschließende Akt, der fünfzehn Jahre später ansetzt, führt die beiden ineinander verwobenen Schicksale auf einer anderen Ebene wieder zusammen und es kommt zu einem ungewöhnlichen Showdown.
Die epische Erzählstruktur hat ihren Preis. Satte 140 Minuten braucht Derek Cianfrance zum Erzählen seiner Geschichte. Überhaupt scheint es dieser Tage üblich zu sein, Filme immer häufiger weit über die zwei-Stunden-Grenze zu hieven, allerdings nicht immer zugunsten des Zuschauers. Manch einer behauptet aus gutem Grund, dass aufwändig produzierte TV-Serien, man denke nur an Homeland, heutzutage das bessere Kino bieten und viele Filmschaffende scheinen sich auch im Kino nach den dramaturgischen Möglichkeiten einer mehrstündigen Staffel zu sehnen. Auch TPBTP wirkt an einigen Stellen langatmig, etwas mehr Fokussierung, man könnte auch sagen ‚Drive‘, hätte dem Film durchaus gut getan. Ryan Gosling erinnert zu Beginn stark an seine Rolle in Nicolas Winding Refns Erfolgsfilm Drive, außer dass er nun auf dem Motorrad und nicht im Auto umherrast. Auch dort blieb er schweigsam und geheimnisvoll, doch Cianfrance entwickelt die Figur anders als Refn. Wirklich nahe kommt einem Luke aber nicht, zu befremdlich bleiben viele seiner Verhaltensweisen und Entscheidungen. Gosling bietet dennoch und vielleicht auch deswegen eine grandiose Leistung, wohingegen Bradley Cooper im Mittelteil erstaunlich blass bleibt. Überhaupt verzettelt sich TPBTP in dieser Phase etwas, bevor er am Ende doch noch einmal Fahrt aufnimmt.
Es ist sicher alles andere als Popcornkino, was den Zuschauer hier erwartet. The Place Beyond the Pines ist ein düsteres Drama, das einen nicht kalt, aber mehrfach frösteln lässt. Die Figuren bleiben einem weitestgehend fremd, was den Blick aus einer gewissen Distanz ermöglicht, der nicht durch Sympathie oder das Mitfiebern mit einem wahren „Held“ verfälscht wird. Denn Helden ohne Makel sind hier wie im wahren Leben nur selten zu finden.
The Place Beyond The Pines läuft in Trier in CinemaxX und Broadway, einzelne Vorstellungen auch in der Originalversion.
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