Am Sonntag, den 27. Juli kommen Alice Hoffmann und Bettina Koch ins Theater Trier um dem Trierer Publikum ihr neustes Kabarettstück „Die Ään + Das Anner“ zu präsentieren. Thema des Stückes ist das liebe Geld. 5vier.de sprach vorab mit Alice Hoffmann über Karriere, Familie und die ewige Sorge um das Geld.
5vier.de: Liebe Frau Hoffmann, Sie haben ein Schauspielstudium absolviert, haben einen vollen Terminkalender und sind ihrem Traum nachgegangen, sehen Sie sich als Vorbild für junge Frauen?
Alice Hoffmann: Nein, Ich selber habe ja auch kein Vorbild gehabt. Und ich find es auch gar nicht so wichtig, dass man ein Vorbild hat. Sicherlich nicht, wenn man schon eine junge Frau ist, Kinder brauchen vielleicht ein Vorbild. Möglichst an ihren Eltern oder an Lehrern, Erziehern. Aber ich finde, wenn man mal erwachsen ist, sollte man man selbst sein.
5vier.de: Was ist mit der magische Grenze, im Alter von 12-14. Man ist nicht erwachsen, man ist aber auch kein Kind mehr. In diesem Zeitraum suchen viele nach einem Weg, was hat ihnen geholfen auf dieser Suche?
Alice Hoffmann: Dass ich Schauspielerin würde habe ich da noch nicht gewusst. Das einzige was mir klar war, ich wollte unabhängig von meinen Eltern sein und das ist in erster Linie eine wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die muss erstmal da sein, damit ich überhaupt entscheiden kann, wie der Kontakt zu meinen Eltern ist. Ich glaube, dass man als Kind so abhängig von den Eltern ist, erzeugt Wut. Da können die Eltern nichts für, das Kind auch nicht, aber das ist so. Ich habe dann überlegt, wie erlange ich die wirtschaftliche Unabhängigkeit? Ich muss einen Beruf haben, ich muss arbeiten. Ich habe mir gesagt, mit dem Abitur habe ich die besten Chancen, also ist das Abitur jetzt mein vorrangiges Ziel. Soviel war mir klar, als ich 13 war.
Unabhängigkeit erlangen
5vier.de: Wie sehen sie die jungen Frauen von heute, der Trend geht ja wieder dahin zurück jung zu heiraten, sich schnell fest zu binden und Beziehungen lange aufrecht zu erhalten.
Alice Hoffmann: Das finde ich gut. Ich denke die Idee früher, dass man zuerst studiert, dann einen Beruf und wenn möglich noch gebaut haben muss und dann erst Kinder kriegen kann, ein Fehler war. Oft ist dann zu spät für einen Kinderwunsch. Ich glaube, dass das von der Natur so vorgesehen ist, dass man relativ jung Mutter wird.
5vier.de: Dann ist es mit der Selbstbestimmung aber erstmal schwieriger?
Alice Hoffmann: Was heißt schwieriger, es ist ein anderer Weg dahin. Ich glaube, wenn man selbst bestimmen will über sich gibt es viele Wege. Der Wichtigste ist, sich mit dem Leben, was da auf einen zukommt auseinander zu setzen. Und wenn das jetzt ein Kind ist oder ein Freund oder ein Studium, dann ist das der Weg zur Selbstverwirklichung, zumindest wenn man das will. Viele wollen ja gar nichts, rennen eher im allgemeinen Trott mit und meinen, das müsste so sein.
5vier.de: Sie sind ja sehr selbstbestimmt, haben ihren Traum verwirklicht. Spielen aber relativ oft das „Hausmütterchen“ mit Kittelschürze. Wie gut können sie sich selbst in diese Rolle einleben?
Alice Hoffmann: Ich kann mich da sehr gut einleben. Das habe ich als Hilde Becker bewiesen. Da fiel es mir sogar noch am schwersten, weil ich ja noch relativ jung war. Ich war 40 und hab ausgesehen wie 30, hatte Kleidergröße 36 und lange Haare. Für die Rolle habe ich erstmal 15 Kilo zugegessen, die Haare auf Wunsch des WDR abgeschnitten, schwarz gefärbt damit das Gesicht älter wirkt und hab dann ein Jahr lang diese Frauen studiert. Wobei ich schon ein 8-jähriges Studium in der Familie hinter mir hatte. Ich hatte jemanden geheiratet in dessen Familie solche „Hilde Beckers“ ganz häufig waren.
5vier.de: Wie würden sie diese Frauen beschreiben?
Alice Hoffmann: Sie haben auf der einen Seite etwas furchtbar spießiges, aber sie sind nicht doof. Sie sind naiv in dem Sinn, dass sie nicht über ihre vier Wände hinausgekommen sind. Sie wirken ein bisschen blöd, weil sie in vielen Alltags- und Bildungsfragen nicht so auf der Höhe sind. Aber trotzdem sind sie oft klug, weil sie immerhin einen Haushalt führen und das alles gut im Griff haben. Was mir vor allem aufgefallen ist, ist das da auch ganz viel Liebe ist. Ich wollte dieses auch mit reinbringen. Das sind nicht nur blöde, naive, kleinbürgerlich beschränkte Leute, sondern manchmal auch ganz liebe Menschen, die es wirklich gut meinen. Dass ich das jetzt vorwiegend spiele, liegt am Publikumswunsch. Ich merke, dass das bei den Leuten gut ankommt, dass sie das gerne sehen wollen. Ich lebe ja von den Menschen und Eintrittsgeldern, also ist es doch so eine Art Service, dass ich das biete, was sie gerne sehen möchten.
Identifikationsmöglichkeit und Ablachen
5vier.de: Warum wollen die Leute gerade das sehen?
Alice Hoffmann: Weil es auf der einen Seite eine Identifikation ermöglicht und auf der anderen Seite ein Ablachen fördert, was auch wieder wichtig ist für‘s eigene Fortkommen. Ich denke, wenn man mal über so eine Verrücktheit gelacht hat, dann wird man sie, wenn man ihr im Alltag begegnet, nicht einfach selber wieder tun können. Ohne zu denken, dass es eigentlich ein bisschen komisch ist, was man da macht. Das man, bevor man aus dem Haus geht, meint die Vorhänge noch waschen und aufhängen zu müssen. Aber in erster Linie sollen die Leute lachen, lachen ist gesund und während man lacht, wird man im Hintergrund auf die anderen Sachen schon noch kommen.
5vier.de: Wie würden sie ihr Leben als Schauspielerin in einem Satz zusammenfassen?
Alice Hoffmann: Wild und reich. Reich an schönen Beziehungen, an Lernmöglichkeiten über das Leben, über die Seele, Zusammenhänge. Reich an Erfahrungen, an Erleben.
5vier.de: Vor dem Hintergrund der Vorgänge im Theater Trier: Wie bewerten sie, dass die Solisten zum Intendantenwechsel keine Vertrags-Verlängerung bekommen haben und nun in Unsicherheit schweben?
Alice Hoffmann: Das war schon immer so. Als junge Schauspielerin wollte ich in Saarbrücken tätig sein, das ist mir am Anfang auch gelungen. Für mich gab es immer noch ein anderes Leben. Ich wollte nicht nur am Theater leben, sondern für mich waren Freunde und Familie auch wichtig. Dieses ständige von einer Stadt in die andere ziehen, wollte ich nicht. Ich hab‘s so lange gehalten, wie es möglich war, es war sechs Jahre möglich, doch dann wurde ich schwanger. Es war klar, dass Kind und Theater nicht zusammen geht, sicherlich nicht als Frau. Da muss man sich entscheiden. Ich hab mich für Familie entscheiden und war dann erstmal raus. Aber es ist eigentlich normal. Entweder ich will an diesem Staatstheaterbetrieb teilhaben und da mehr erreichen, dann ist es gut, wenn man alle zwei Jahre an einem anderen, wenn möglich nächstgrößeren Theater landet. Aber das war ein Weg, für den ich mich nicht entschieden habe.
5vier.de: Ist es nicht irgendwie schade, dass gerade Schauspielerinnen diese Mischung aus Sicherheit und Freiheit nicht haben konnten?
Alice Hoffmann: Das ist ein Kampf, den wir als Frauen härter zu führen haben. Wie wir das vereinbaren wollen: Kind und Beruf und tun, was man selber will. Ich habe lange gebraucht, um zu merken, dass ich für dieses Vorhaben eigentlich genau im richtigen Umfeld geboren bin. In Deutschland haben wir relativ viele Möglichkeiten als Frauen. Auch wenn wir noch nicht gleichberechtigt sind, da sind wir noch weit von entfernt. Aber ich konnte Abitur machen, ich konnte Schauspielerin werden, da hat mir niemand reingeredet. Ich darf rumlaufen, wie ich will, ich darf machen was ich will, aber ich hab’s eben ein bisschen schwerer gehabt als männliche Kollegen.
5vier.de: Wie bewerten sie dass, das im Theater einiges an Sicherheit fehlt? Im Vergleich zur Bankkauffrau zum Beispiel.
Alice Hoffmann: Ich find es in kreativen berufen sehr schwierig, auf Sicherheit bauen zu wollen. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass überall da wo Kreativität zugrunde liegen sollte, die Menschen sobald sie fest angestellt sind, die Kreativität verlieren. Weil sie in Routine verfallen, auch nicht mehr einsehen, warum sie neue Wege gehen sollten, das wäre ja auch gefährlich, weil sie sonst rausfliegen könnten. Besser man macht so wie alle machen und kriegt am Ende des Monates sein Gehalt. Man braucht um nichts mehr zu kämpfen. Sobald man auf dem Wege der Sicherheit ist, ist da die Angst, wieder zu verlieren, was man bekommen hat. Die Angst ist das Grundübel, und mit der muss man umgehen können. Als Selbstständiger muss man lernen zu wissen, ok jetzt geht’s mal bergab, jetzt kommt mal grad nix rein. Aber ich hab keine Angst, ich weiß, ich kann so viel, irgendwann kommt da wieder was. Verhungern kann man in unserem Staat ja nicht.
Angst in ihre Räume verweisen
5vier.de: Wie kommt es, das man trotzdem immer wieder mit der Angst kämpft, obwohl man nicht verhungern kann oder obdachlos wird?
Alice Hoffmann: Das kann passieren, ich hatte eine Kollegin, die im Auto gelebt hat eine zeitlang. Die hat ihren Optimisums nie verloren. Das ist die Grundhaltung, diese Angst anzugehen, die natürlich jeder hat und die elementar ist. Ich denk manchmal, die ist in unseren Seelen eingebaut, wir können sie immer nur in ihr Zimmer verweisen. Aber sie darf nicht in die Räume kommen, in denen ich etwas machen möchte, da hat sie nichts verloren.
5vier.de: Verzweifelt man da nicht, wenn am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist?
Alice Hoffmann: Och, da findet man immer Wege. Ich hatte als junge Schauspielerin mit Kind ohne Geld mit dem Edeka an der Ecke eine Abmachung getroffen, dass ich samstags um 12 Uhr alles krieg, was sie bis Montag sowieso wegwerfen würden. Oder auch mit den Gemüse- und Obsthändlern auf dem Markt: Wenn die einpacken, gibt es immer Kisten mit Sachen, die bis Montag nicht mehr verkaufbar sind. Da hab ich kistenweise Tomaten, Obst und Salat abgeschleppt. Ich hab dann Soße gekocht, die kann man ja tiefkühlen. Man kann immer Wege finden.
5vier.de: Wie haben sie das ihrem Kind vermittelt, wenn andere Eltern für ihre Kinder immer nur das Beste vom Besten wollen.
Alice Hoffmann: (lacht) Meine Tochter fand das überhaupt nicht ok, die sagte nur, so will ich mal nicht leben und das hat sie auch umgesetzt. Der Sohn hat sich angepasst, der lebt heute auch so. Jeder hat es auf seine Weise gemacht, für die eine war ich scheinbar ein negatives, für den anderen ein positives Vorbild. Meine Tochter und ich haben es auch geschafft zusammen zu finden mit unseren verschiedenen Denkansätzen.
5vier.de: Und ihr Programm, was macht den Reiz des Programms aus?
Alice Hoffmann: Es geht auch hier um das Thema Nummer 1: Geld. damit hat jeder zu kämpfen. Bettina Koch und ich haben schon vor 30 Jahren Kabarett zusammengemacht und wir hatten immer als Thema genau unser aktuelles Lebensthema gewählt. Als wir jung waren, war es ‚Liebe, Lust und Beziehungen’, dann haben wir uns in denselben Pianisten verliebt und das nächste Thema war ‚Eifersucht’. Dann kamen die Kinder, das nächste Thema also ‚Kinder, Küche und Karriere’ und so weiter. Dann waren wir durch die Hilde Becker und auch das Zunehmen der Kinderzahlen jede gezwungen zu gucken, wo dass Geld herkommt. Wir waren aber immer in freundschaftlichem Kontakt, auch wenn nicht mehr beruflich zusammen waren. Aber aus dieser Freundschaft heraus haben wir beschlossen, dass wir nochmal was zusammen machen. Wir haben dann festgestellt, dass wir es schon seit Jahren finanziell nicht richtig schaffen und haben geschaut, woran das liegen könnte. Wir haben gemerkt, dass es ganz vielen so geht. Wir fingen an das regelrecht zu studieren, wo kommt Geld her, was ist Geld, was bedeutet es. Warum glauben manche Menschen immer zu wenig davon zu haben, gibt es überhaupt jemanden der glaubt, dass er genug davon hat? Wir wollten ein lustiges Stück über Geld machen und je mehr wir uns damit beschäftigt haben, umso mehr haben wir gemerkt, dass es überhaupt nicht lustig ist. Da war meine Tochter eine gute Ratgeberin, sie hat die ersten Ansätze gelesen und meinte, ist ja toll, was ihr da herausgefunden habt, aber wollt ihr hochgeistiges Kabarett machen oder wolltet ihr damit Geld verdienen. Wir haben uns natürlich fürs Geld verdienen entschieden, aber wir wollten diese Studien, die wir im Hintergrund betrieben haben nicht außen vor lassen. Also haben wir jetzt eine wilde Mischung gemacht, aus einer wirklich lustigen und gagreichen Komödie, aber auch wirklich inhaltsreiches Kabarett mit Hintergründen zum Thema Wirtschaft und Geld.
5vier.de: Welche Menschen sind denn mit ihrem Geld am glücklichsten?
Alice Hoffmann: Ich glaube, dass „arme“ Menschen eher das Potential haben wirklich glücklich zu sein, solange sie nicht bitterarm sind. Die so im Mittelfeld sind. So wie wir. Wir haben alles, ein Dach über dem Kopf, wir haben zu essen, wir können das Licht anknipsen. Wir haben eigentlich alles, nur immer ein bisschen die Angst, ob man es nächsten Monat noch bezahlen kann. Aber ich glaube, das ist das richtige um glücklich zu sein. Wir müssen uns nicht hetzen um unseren Reichtum zu erhalten. Man sieht oft wunderschöne Gärten mit Swimming Pools, in denen nie jemand ist. Die sind damit beschäftigt, das zu unterhalten. Aber ein gewisses Vermögen gehört dazu. Wenn man gelernt hat mit der Unsicherheit zu leben, dass auch mal alles weg sein könnte, dann hat man eine Chance wirklich glücklich zu sein.
5vier.de: Wem würden sie ihr Programm denn empfehlen?
Alice Hoffmann: Ja, allen. Allen die mit dem Thema Geld konfrontiert sind und ich fürchte, das ist jeder.
Wir danken Alice Hoffmann für das schöne Interview und wünschen ihr und ihrer Kollegin Bettina Koch Toi, Toi, Toi.
Fotos: Mit freundlicher Unterstützung von Alice Hoffmann: http://www.alicehoffmann.de/
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