Sechs Saisonspiele, ein Gegentor. Eine Bilanz, die man selten ziehen kann. Eintracht-Trier kann es. Im Zentrum einer starken Defensive steht der Torwart. Denis Wieszolek besetzt nun in der dritten Saison diese Position. 5VIER.de hat sich mit dem Wiesbadener getroffen, der mit uns über das Geheimnis der Defensive, über sein Pendeln und erstaunlich offen über vergangene Träume sprach.
5VIER.de: Hallo Denis. Nach sechs Saisonspielen musstest du erst einmal hinter dich greifen. Was macht eure Defensive so stark?
Denis Wieszolek: Der Hauptgrund ist aus meiner Sicht, dass wir jetzt seit zwei Saisons in dieser Formation zusammenspielen. Simon Maurer, Kevin Kling, Jason Kaluanga und Kevin Heinz – wir sind sehr stabil zusammen. Auch die Sechser-Position mit Maurice Roth lässt sich immer fallen. Das müssen wir beibehalten. In der vergangenen Saison hatten wir auch sehr gute Spiele, aber manchmal haben wir den Gegner zu sehr kommen lassen. Das war das gleiche System. Dieses Jahr verlasse ich mich total auf meine Abwehr, den Sechser und den Achter. Wir sind richtig zusammengewachsen und noch erfahrener geworden.
Abstimmung und Erfahrung sind wichtig, aber nicht alles. Welche Qualitäten zeichnen euch aus, dass ihr so erfolgreich verteidigt?
Unsere Qualität ist die Absicherung. Das sieht man vor allem bei Gegnern, die lange Bälle spielen. Einer geht zum Kopfball hoch, zwei setzen sich sofort ab. Die Kommunikation ist zudem sehr gut, wir schließen so Lücken und haben überall ein Auge drauf. Wir lassen uns gut fallen, aber auch nicht zu tief. Und das Umschalten funktioniert dieses Jahr noch besser.
Denis Wieszolek ist die klare Nummer 1
Jetzt hast du aber noch nichts über deinen persönlichen Beitrag der hervorragenden Bilanz gesagt. Hast du dich weiterentwickelt seit deiner Verpflichtung 2018?
Ich beurteile mich ungern selbst. Aber ja, ich denke ich habe mich weiterentwickelt. Ich kenne jetzt den Verein, die Spieler. Das bringt einen weiter. Wenn man zu einem Traditionsverein kommt, weiß man nicht so richtig, was einen erwartet.
Bei der Eintracht bist du die unumstrittene Nummer 1. Torwarte gelten nicht selten als verbissen und möchten ihre internen Konkurrenten mit allen Mitteln hinter sich lassen. Wie sieht da deine Erfahrung aus?
Ich hatte in meinem Leben sehr gute Konkurrenten. Flo Müller, der heute als Stammtorhüter beim SC Freiburg spielt. Oder Alexander Nübel, der jetzt bei den Bayern ist. Das eine ist das sportliche, das andere das menschliche. Das muss man differenzieren. Fakt ist, auf dem Platz müssen Tormänner zusammenhalten. Egal ob du die Eins, die Zwei oder die Drei bist. Als Torhüter bist du ein Stückweit Außenseiter. Du trainierst andere Dinge als die Spieler. Während sie Geschwindigkeit trainieren, üben wir Sprungkraft. Da müssen Torhüter sich trotz Konkurrenzkampf verstehen.
Mit 15, 16 Jahren war ich sehr verbissen. Ich wollte um jeden Preis die Eins sein. Da habe ich das Menschliche manchmal vergessen. Heute habe ich mit 24 Jahren mehr Erfahrung, ich mache einfach meinen Job. Das macht mich ruhiger. Am Ende entscheidet der Trainer, ob man spielt oder nicht.
Die Karriere gleicht einer Achterbahnfahrt
Wenn wir schon bei deiner Jugendzeit sind: Du warst nach dem SV Wehen bei Mainz 05 in die Jugendabteilung und kamst bis in die 2. Mannschaft, bist später zu Schalke gewechselt. Erzähle uns bitte etwas über deinen Werdegang.
Zunächst einmal bin ich ein Spätstarter. Erst mit 12 bin ich in einen Verein gegangen. Das war eher ein Zufall, weil ein Freund mich mal mitgeholt hat. Bis dahin war ich nur just for fun auf dem Bolzplatz. Im Verein habe ich dann im Sturm spielen wollen. Im zweiten Training hat der Tormann im Training gefehlt und weil ich der Größte war, hat mein Trainer mich ins Tor gestellt. Und so kam das. Mein Vater war Torwart, der hat mich später auch viele Jahre trainiert. Auch privat habe ich viel trainiert.
„Auf einmal war ich wieder die Nummer 3.“
SVE-Torhüter Denis Wieszolek
Nach dreieinhalb Jahren bin ich dann zu Mainz gewechselt. Dort habe ich das ganze Programm absolviert, bis ich zu den Profis kam. Ich war in der 3. Liga der 3. Tormann der Zweiten Mannschaft. Ich wollte unbedingt spielen und habe mich gegen Müller und Lukas Watkowiak, der heute in St. Gallen spielt, durchgesetzt. Durch einen Trainerwechsel rückte mein damaliger U19-Trainer Sandro Schwarz (späterer Bundesligatrainer von Mainz, A. d. R.) hoch in die 2. Mannschaft. Sein Nachfolger wurde dann der jetzige Mainzer Präsident Stefan Hofmann. Und ich war auf einmal wieder die Nummer Drei.
Was waren die Gründe?
Ich weiß es bis heute nicht. Es war eine sehr schwere Zeit, deswegen erinnere ich mich nicht gerne daran zurück. Ich habe es hinter mir gelassen. Klar, sie haben vieles richtig gemacht, Flo spielt wie gesagt jetzt Bundesliga. Meine Leistung hatte aber gestimmt. Wir waren Zweiter, direkt hinter Hoffenheim.
Denis Wieszolek gegen spätere Bundesligaprofis
Stellst du dir manchmal die Frage, was wäre, wenn…?
Früher habe ich viel darüber nachgedacht. Ehrlich gesagt, sogar noch bis letztes Jahr. Es kommt auf die Entscheidungen an, die man trifft. Von Mainz bin ich nach Walldorf gewechselt. Ich habe nicht alles richtig gemacht in meiner Karriere. Wenn ich alles richtig gemacht hätte, wäre ich heute in der Bundesliga. Rückblickend hätte ich einiges anders entschieden, wäre mit weniger Emotionen an Dinge rangegangen. Aber ich verstehe immer noch, warum ich in der Jugend so reagiert habe.
Bei den Profis wird nicht viel geredet. Es wird gesagt: „Du bist im Kader“ – oder eben nicht. Es wird nicht erklärt, der Trainer nimmt sich nicht die Zeit dafür.
Wird heute nicht wertschätzender mit Spielern umgegangen als in der Vergangenheit? Gerade in der Jugend? Und nach zahlreichen Berichten über Druck, Depressionen und so weiter im Profigeschäft?
Man denkt immer, dass man sich in Nachwuchszentren immer bemüht, dass es den Jungs privat gut geht. Auf der einen Seite ist das so. Aber rein sportlich geht es immer um den Erfolg. Egal ob bei den Profis oder in der Jugend. Da zählt vor allem das Sportliche, weniger das Menschliche.
Die großen Vereine als schönste Erinnerung
Von Walldorf hast du schon kurz gesprochen, danach warst du bei Schalke. Was waren die Momente, die dir besonders in Erinnerung blieben?
Das DFB-Pokalspiel gegen Bochum war natürlich ganz besonders. Wir sind auch mit 4:3 weitergekommen, womit keiner gerechnet hat. Das gehört zu den größten Spielen, die ich gemacht habe. Die Runden danach war ich leider nur Ersatz. Allerdings hat der Torwart zu der Zeit sehr gut gehalten. Mir war dann schnell klar, dass ich wieder wechseln möchte.
Das schönste Erlebnis war, obwohl ich nicht gespielt habe, als ich als 4. Torwart im Kader von Schalke stand und in China gegen Inter Mailand und Beşiktaş Istanbul mit dabei war. Gegen solche Primus-Mannschaften dabei zu sein, war ganz besonders.
Mit 24 Jahren giltst du zwar nicht mehr als Talent, aber hast deine beste Zeit hoffentlich noch vor dir. Hast du dir noch höhere Ziele für die Karriere gesetzt?
Früher habe ich das gemacht. Mit 19, 20 Jahren hatte ich nach der Jugend das Ziel, in die Bundesliga zu kommen. Heute ist das nicht mehr so. Ich habe gelernt, dass dir das nichts bringt. Darauf zu hoffen, dass das funktioniert, setzt einen nur noch mehr unter Druck. Vieles kannst du nicht beeinflussen. Es ist auch Glück, wenn ein Manager dich sieht und denkt, dass er dich haben will. Ich lasse mittlerweile einfach alles auf mich zu kommen. Ein Ziel habe ich nicht.
Die 4. Liga ist nicht genug
Was du aber zumindest mit beeinflussen kannst, ist diese Saison. Wo soll sie hinführen?
Der Verein gehört nicht in die Oberliga, das ist klar. Man sieht das Stadion, das Umfeld, die Stadt. Für mich ist das mindestens 3. Liga. Das Ziel ist natürlich, nochmal hoch zu kommen, aber wir machen uns keinen Druck. Wir denken von Spiel zu Spiel. Was daraus folgt, sehen wir dann.
Bei dir herrscht die ungewöhnliche Situation, dass du in Wiesbaden lebst und nach Trier pendelst. Wie kam es dazu?
Ich komme ja von dort und mache eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch. Meine Familie, meine Freunde und meine Freundin leben in Wiesbaden beziehungsweise Mainz. Ich fühle mich sehr wohl, früher hatte ich nicht die Zeit bei meinen Engsten zu sein.
Aber wie sieht das mit dem Training aus? Du wirst ja nicht jeden Tag nach Trier fahren können.
In der Regel bin ich an drei Trainingstagen unter der Woche hier, plus den Spieltag. Natürlich ist das eine hohe Belastung, aber ich mache das gerne. Zu Hause halte ich mich dann zum Beispiel mit Joggen fit.
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