Franz Mohr, langjähriger Cheftechniker von Steinway & Sons, war gestern Abend im Pianohaus Hübner zu Gast und erzählte aus seinem bewegten Leben mit den großen Maestros.
Der Abend im Pianohaus Hübner beginnt mit einem Highlight, denn ich bin zu früh da. Das Warten auf den Beginn des Abends wird mir versüßt, denn Franz Mohr, langjähriger Cheftechniker bei Steinway & Sons New York, arbeitet persönlich an dem Steinway B211 Flügel, der heute Abend für die musikalische Untermalung genutzt werden wird. Selbst ohne die entsprechende Erfahrung ist es ein Genuss dem wahrscheinlich weltbesten Klaviertechniker bei der Arbeit zuzusehen. Es ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was die rund 40 Gäste heute Abend erwarten wird.
Virtuos und gemütlich
Die Stuhlreihen füllen sich schnell und nach einer kurzen Begrüßung durch den Geschäftsführer des Pianohauses Marcus Hübner sorgt der luxemburgische Pianist Jean Muller auf besagtem Steinway Flügel für musikalischen Einklang. Mit zwei Stücken („Ständchen“ von Schubert in Bearbeitung von Liszt und dem rasanten „Danse Rituelle Du feu“ von Manuel De Falla) brilliert der virtuose Pianist mit makellosem Spiel und einer an Perfektion grenzenden Fingertechnik, die deutlich macht, warum Muller – derzeit als der beste Pianist aus Luxemburg gehandelt – mit Preisen überhäuft wird. Die Spielart und die Auswahl der Stücke ist ein gelungener Auftakt. Zusammen mit dem Leiter von Crescendo International Beat Rink setzt sich Franz Mohr ganz gemütlich an den kleinen Glastisch vor das Publikum. Mohr und Rink stellen am heutigen Abend unter anderem auch Mohrs neues Buch „Am Anschlag der großen Maestros“ vor, in dem der ehemalige Steinway Klaviertechniker über seine Begegnungen mit den großen Maestros spricht – so wie auch heute Abend im Pianohaus Hübner. In familiär anmutender Atmosphäre führt Rink mit gezielten Fragen in einer Art Interview durch den Abend.
Lebendige Maestros
Franz Mohr erzählt frei und lebendig, teilt persönliche Erfahrungen und Erinnerungen mit einer sympathischen Art, die so natürlich wirkt, als sei er unter guten Freunden; ein angemessener Ton für die Geschichten, die er zu erzählen weiß. Von seinem ersten Treffen mit Rudolf Serkin auf dessen umgebauter Farm in Vermont, bei dem der Meisterpianist darauf bestand, dass der junge Klaviertechniker ihn „Rudi“ nennt, kommt Franz Mohr auch zu seiner persönlichen Geschichte. Er beschreibt, wie er mit seiner Familie nach New York auswanderte, wie er sich wunderte, dass die Menschen ihn dort alle kannten: „Die Menschen in New York sprachen so schnell – immer wenn sie ‚once more‘ sagten, dachte ich, die reden von mir!“ Noch schwankend von der rauhen Überfahrt musste der junge Mohr dann auch gleich als Einführungstest eine Stimmung für Steinway machen – der Beginn einer langen und bewegten Zusammenarbeit.
Immer wieder mit leicht englischen Einschlägen („you know“, „well“) entfalten die Berichte Mohrs einen ganz eigenen Charme. Er lässt die großen Maestros weit über ihre Musik hinaus lebendig werden: Er erzählt von Eigenheiten und Charakterzügen Horowitz‘ und Paulinis, plaudert über den abgesägten Klappstuhl, den Glenn Gould als Klavierstuhl nutzte, und der mit seinem Quietschen die Tonaufnahmen ruinierte, und lässt immer wieder seine tiefe Bewunderung für das Talent dieser großen Männer deutlich werden. Es ist ein Privileg, Franz Mohr zuzuhören, als er erzählt, wie er für Horowitz, Rubinstein und viele andere arbeitete – so nah kommt man den großen Namen der Klaviermusik wohl nie wieder.
Fragen und mehr Musik
Nach Abschluss der Erzählungen gibt es noch ein ganz besonderes Testament für den Charme Franz Mohrs. Ein Gast, der bei Mohrs letztem Besuch von seinen Geschichten so inspiriert war, dass er sich dem Flügelspiel verschrieb, spielt ein Stück auf dem Flügel. Der Klaviertechniker ist sichtlich gerührt und begeistert. Es folgt der offene Teil des Abends, an dem die Gäste Fragen an Franz Mohr haben. Diese reichen von persönlichen Dingen – seinem Lieblingslied und dem Verhältnis zu seiner Frau – bis hin zu den technischen Vorlieben der Maestros. Mohr antwortet offen und ohne Vorbehalt, immer mit viel Gefühl und Humor. So mancher gelernter Entertainer kann sich von dem 86jährigen Klaviertechniker eine Scheibe abschneiden. Wirft man einen Blick ins Publikum kann man so manch feuchtes Auge sehen, als Mohr erzählt: „Horowitz trat vor einem Konzert hinter der Bühne an mich heran und deutete auf den Flügel, der schon auf der Bühne stand. Er sagte: ‚Sieh Franz! Der einsamste Platz der Welt.‘ “
Der Abend klingt aus mit Autogrammen, Signierungen und persönlichen Gesprächen. Mohr mischt sich auch hier unter die Gäste und gibt sich offen und natürlich. Als der Raum sich leert darf man sich mit gutem Gewissen hervorragend unterhalten und ehrlich bereichert fühlen – hat man doch nicht nur viele interessante Anekdoten gehört, man konnte auch eine echte Größe der Musikwelt persönlich kennenlernen und den großen Pianisten einen Schritt näherkommen.
[statistik]Wer Franz Mohr live erleben möchte, der hat dazu heute Abend Gelegenheit. Der Klaviertechniker ist heute im Conservatoire de la Ville de Luxembourg zu Gast. Beginn der Veranstaltung ist um 19:00 Uhr.[/statistik]
Bine meint
Mensch, wenn ich so etwas lese, dann bin ich traurig, nicht mehr in Trier zu wohnen. Das muss ein ganz faszinierender Mensch sein. Ich habe sein erstes Buch gelesen – wirklich ganz toll.