Unsere Naturkennerin und Kolumnistin Beate Stoff stimmt uns auf den Spätsommer und bevorstehenden Herbst ein. In dieser Ausgabe stellt sie uns verschiedene Holunderarten vor.
In Deutschland kommen drei verschiedene Holunderarten vor: Neben dem Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) gibt es den Roten Holunder (Traubenholunder, Sambucus racemosa) und den Zwergholunder (Attich, Sambucus ebulus).
Eine Verwechslungsgefahr ist jedoch so gut wie ausgeschlossen: Während Schwarzer und Roter Holunder als meterhohe Sträucher wachsen, bleibt der Zwergholunder deutlich niedriger und krautiger. Er ist auch wesentlich seltener zu finden, i.d.R. im Wald, dort bildet er meist kleine Felder. Schwarzer und Roter Holunder lassen sich sowohl an der Farbe der Früchte als auch an ihren Blüten unterscheiden: Während der Schwarze Holunder doldenförmige Blütenstände hat, sind sie beim Roten Holunder traubenförmig angeordnet, außerdem finden Blüte und Fruchtreife deutlich früher statt.
Alle Holunderarten enthalten in allen Pflanzenteilen verschiedene giftige Substanzen. Roter Holunder und Zwergholunder sind für Menschen nicht zum Verzehr geeignet, und auch der Schwarze Holunder ist nur mit Vorsicht zu genießen: In rohem Zustand enthält er blausäurehaltige Giftstoffe (Sambunigrin) und löst Erbrechen und Durchfall aus. Holunderblüten und -beeren müssen daher immer gut erhitzt, besser sogar gekocht werden, auch wenn sich dadurch der Gehalt an Vitamin C deutlich reduziert. Die Blüten eignen sich vorzüglich zur Herstellung von Sirup oder zum Ausbacken in Teig, aus den Früchten lassen sich Saft, Gelees, Marmeladen, Suppen und Saucen herstellen. Die Blütezeit ist im Mai/ Juni, die Beeren werden im August und September reif.
Schon seit Jahrtausenden ist die Heilkraft insbesondere des Schwarzen Holunders bekannt, Blüten bzw. Beeren werden v.a. bei Fieber und Erkältungskrankheiten sowie zur Stärkung der Abwehrkräfte genutzt.
Holunderbüsche sind ihrerseits wieder Lebensgrundlage nicht nur für Vögel und Kleinsäuger, die sehr gerne die reifen Beeren fressen, sondern auch für verschiedene Moose und Flechten, z.B. Wand-Gelbflechte (Xanthoria parietina) und Holunder-Lecanie (Lecania cyrtella). Auf absterbendem Holunderholz siedelt sich oft das Judasohr (Auricularia auricula-judae/ Auricularia sambucina) an, ein essbarer Ohrlappenpilz. Sein Name verweist im Übrigen auf die Legende, wonach sich Judas an einem Holunderbaum erhängt hat.
Um den Holunder ranken sich weitere unzählige Mythen, Legenden und Geschichten. Bei den Kelten und Germanen wurde der „Hollerbusch“ der schwarzen Winter-/ Erd- bzw. Todesgöttin Hel (andere Namen sind Holder, Holla, Hulla) zugeordnet. Die bekannteste Überlieferung dazu ist im Märchen „Frau Holle“ verewigt. Der Zugang zur „Anderswelt“ befindet sich folgerichtig zwischen zwei Holunderbüschen. Der Holunder wird aber nicht nur mit Tod assoziiert, sondern auch mit Liebe und Leben – ganz wie es dem alten dreiteiligen Bild der Göttin entspricht. Und selbst im Christentum gilt der Holunder als besonderer Baum, da die Mutter Gottes unter ihm gerastet und Jesu Windeln nach dem Waschen in seinen Zweigen getrocknet haben soll.
Der Holunderbusch gilt seit Jahrhunderten auch als Schutzbaum für Häuser und Höfe vor Feuer und Blitz, ihn zu schneiden oder zu fällen brachte Unglück! In anderen Geschichten heißt es, dass im und unter dem Strauch Elfen, Feen oder Geister leben. Wer weiß, wer Ihnen begegnet, wenn Sie sich einmal in der Abenddämmerung unter einen Holunder setzen…
© Beate Stoff/ silva mirabilis – Natur bewegt erleben
Die nächsten Gelegenheiten, mit unserer Autorin auf Naturentdeckung zu gehen:
20. September 2015: “Frau Holle“ – geführte Erlebniswanderung bei Reinsfeld in Zusammenarbeit mit der Tourist Information Hermeskeil
Weitere Informationen unter www.silva-mirabilis.de.
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