Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert eine neue Forschungsgruppe unter Leitung von Ralf Münnich Professor für Statistik an der Universität Trier, mit zwei Millionen Euro. Zusammen mit den Kooperationspartnern, dem Statistischen Bundesamt und der Universität Duisburg-Essen, will der Statistiker ein Simulationsmodell entwickeln, mit dem infrastrukturelle Entwicklungen in der deutschen Gesellschaft fundiert vorhergesagen werden können. Es soll ein ganzes Simulations-Labor für Deutschland aus den dafür benötigten Datenmengen entstehen. Aus allen Fächern können sich Forscher anschließen.
Wo droht schon jetzt oder in einigen Jahren in Deutschland der Pflegenotstand? Führt die Landflucht zu einer Verarmung in ländlichen Gegenden? Und in welchem Ausmaß kann ein Ausbau der digitalen Infrastruktur entgegenwirken? Mit diesen und weiteren Fragen wird die sozio-ökonomische Forschungsgruppe im DFG-Projekt „Sektorenübergreifendes kleinräumiges Mikrosimulationsmodell (MikroSim)“ beschäftigen. Zum Team gehören, neben Ralf Münnich, Professor Rainer Schnell (Universität Duisburg-Essen), Professorin Petra Stein (Universität Duisburg-Essen), Professor Markus Zwick (Statistisches Bundesamt) und Professor Johannes Kopp (Universität Trier).
Die ersten Analysefelder der Forschungsgruppe sind der Pflegebedarf und die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt. Die MirkoSim wird der Politik wissenschaftlich fundierte Szenarien bereitstellen, um damit eine vorausschauende Planung zu ermöglichen. Die Politik soll so frühzeitig Fehlentwicklungen der Gesellschaft entwirken können. Wenn das Mikrosimulationsmodell entwickelt und erfolgreich getestet wurde, wird es auch auf andere Themen übertragen. Gerade Themen wie der Ärztenotstand oder die Einkommensentwicklung in Deutschland sind hier interessant.
MikroSim ist nicht der erste Vorstoß des Trierer Statistikers, gesellschaftliche Fragen zu simulieren und daraus ein mögliches Verhalten abzuleiten. Den Grundstein für MikroSim legte Münnich unter dem Projektnamen „Regionale Mikrosimulationen und Indikatorensysteme“ (Remikis).
Der wesentliche Unterschied zwischen den Projekten liegt darin, dass sich die Berechnungen in Remikis zunächst auf die Region Trier und ihre spezielle Struktur konzentriert und MikroSim nun den Anspruch hat, ganz Deutschland zu simulieren. Die Politik habe den herausragenden Wert von Mikrosimulationen erkannt und Mikrosimulationen 2016 ins Bundesstatistikgesetz aufgenommen. Mit dem Statistischen Bundesamt habe die Forschungsgruppe einen verlässlichen Partner, der über die notwendigen Informationen verfüge. Denn erst diese Gruppe mache es möglich Berechnungen dieser Größe zu erstellen. Zudem seien die dafür nötigen Rechenleistungen auch erst jetzt verfügbar. Für ein paar Server wird die Universität Trier wohl mehr Platz schaffen müssen.
Wissenschaftsminister Professor Konrad Wolf lobt die erfolgreiche Drittmitteleinwerbung des Statistik-Professors, der im Fachbereich der Volkswirtschaft an der Universität Trier eingeordnet ist:
„Die Forschergruppe widmet sich einer hochaktuellen Thematik und unterstreicht die Bedeutung von Grundlagenforschung als einen wesentlichen Beitrag zur digitalen Transformation unserer Gesellschaft. Wer erinnert sich nicht an die bundesweite Volkszählung, die Mitte der 1980 Jahre nicht nur für viele Diskussionen, sondern auch einen großen logistischen Aufwand verursacht hat. Diese Zeiten sind dank der Trierer Arbeiten nun vorbei. Die Forschergruppe wird in den kommenden Jahren Methoden neu und weiterentwickeln, die es erlauben, mit überschaubarem Aufwand wesentliche Informationen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen wie Familie und Pflege oder die Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt zu liefern. Ich freue mich über die erfolgreiche Drittmitteleinwerbung und den neuen, innovativen Forschungsschwerpunkt der Universität Trier.“
Seit 2008 hat das Land die Profilbildung seiner Universitäten und Fachhochschulen durch die Forschungsinitiative bisher mit rund 200 Millionen Euro gefördert.
Die Angewandte Mathematik, Statistik und Simulation gehören zu den Schwerpunktbereichen der Universität Trier. In der Entscheidung der DFG für MikroSim sieht Universitäts-Präsident Professor Michael Jäckel die jahrelange Forschungsleistung bestätigt:
„Über Jahre haben wir unsere Expertise im Bereich der Mikrosimulation aufgebaut und die enge Kooperation mit Statistischen Ämtern gesucht. Wir haben viel in die erforderliche Infrastruktur investiert und mit Professor Münnich, seinem Team und allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen eine forschungsstarke Einheit entwickelt. Die Genehmigung der Forschungsgruppe ist ein wirklich großer Erfolg und eine eindrucksvolle Bestätigung unserer Zuversicht und Beharrlichkeit auf diesem Gebiet.“
Praxisbeispiel: Zukünftige Pflegeversorgung durch MikroSim
Der künftige Pflegebedarf ist abhängig von der demographischen Entwicklung und davon, wie Menschen miteinander zusammenleben. Es ist davon auszugehen, dass immer mehr Menschen alleine leben und der Bedarf an geschultem Pflegepersonal steigt. Generationenübergreifende Wohnformen oder Familien, die nah beieinander wohnen, reduzieren dagegen den Bedarf an professionellen Pflegekräften. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte entwickelt MikroSim aus den Daten vom Statistischen Bundesamt ein realitätsnahen Mikrodatensatz über die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. Damit lassen sich verschiedene Szenarien simulieren, wie der Pflegebedarf aussehen könnte und welche Folgen sich daraus ergeben.
Hintergrund: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Mit Forschungsgruppen wie MikroSim will die DFG Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Disziplinen die Möglichkeit geben, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Im Ganzen unterstützt die DFG aktuell 182 Projekte. Dem privatrechtlichen Verein stehen dafür jährlich rund 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung, überwiegend von Bund (68,3 Prozent) und Ländern (31,6 Prozent), aber auch aus EU-Mitteln und privaten Zuwendungen.
Zur Person
Professor Ralf Münnich lehrt seit 2005 an der Universität Trier Wirtschafts- und Sozialstatistik. Er gilt als ausgewiesener Experte für den Zensus, mit dem die Bevölkerungsdaten Deutschlands erhoben werden. Für den aktuellsten Zensus 2011 hat der Statistiker eine neue Schätz- und Stichprobenmethodik entwickelt, bei der eine Vollerhebung mit einer Befragung aller Bürger nicht mehr notwendig ist, sondern für den Registerdaten des Statistischen Bundesamtes genutzt werden.
Zuletzt machte Professor Münnich mit dem Mikrosimulationsmodells für die Region Trier (Remikis) und dem ersten deutschen Zertifikat des European Master in Official Statistics (EMOS) auf sich aufmerksam. Der Bedarf an Experten für offizielle Statistiken im europäischen Raum ist groß. Der Statistiker forscht nicht nur in dem Bereich, sondern bildet auch die Statistiker der Zukunft an der Universität Trier aus. Bereits drei seiner Absolventen sind mit dem Gerhard-Fürst-Preis des Statistischen Bundesamts für herausragende Abschlussarbeiten ausgezeichnet worden.
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