In unseren Breitengraden dürften fast alle Menschen schon einmal eine mehr oder weniger schmerzhafte Bekanntschaft mit Brennnesseln gemacht haben – die wenigsten wissen jedoch, dass sich hinter der wehrhaften Fassade ein echtes Kraftpaket und Wunderwerk der Natur verbirgt.
Am häufigsten kommen bei uns die Große Brennnessel (Urtica dioica) und die Kleine Brennnessel (Urtica urens) vor. Sie gehören zur Familie der Brennnesselgewächse – keine Verwandtschaft besteht übrigens zu den diversen Taubnesselarten, denn diese gehören zur Familie der Lippenblütler.
Brennnesseln wachsen vom Frühling bis in den späten Herbst fast überall, vor allem aber auf nährstoffreichen Böden, sie dienen auch als Zeigerpflanzen für Stickstoff. Verantwortlich für die namensgebende Brennwirkung sind feine Brennhaare an den Blättern und Stängeln. Schon bei leichter Berührung brechen die Spitzen der Brennhaare ab, über winzige Verletzungen der Haut dringt dann das Nesselgift ein. Diese Flüssigkeit enthält u.a. Ameisensäure, Histamin und Serotonin und löst schon in kleinsten Mengen die bekannten Hautreizungen wie Rötung, Jucken oder Quaddeln aus. Die Kleine Brennnessel hat eine stärkere Brennwirkung als die Große Brennnessel.
Hartgesottene sammeln Brennnesseln mit bloßen Händen (der Trick dabei: fest zudrücken, nicht zimperlich sein!), komfortabler ist es aber ohne Frage, beim Sammeln ausreichend dicke Handschuhe zu tragen oder sich eine Plastiktüte über die Sammelhand zu streifen.
Die Große wie die Kleine Brennnessel sind vielseitig verwendbar. Mit ihrem Pflanzensaft lassen sich z.B. Eier oder Wolle färben, aus den robusten Fasern werden auch heute noch Textilstoffe hergestellt (Nesseltuch). Im Gartenbau finden Kaltauszüge oder Brennnesseljauche Verwendung zur Pflanzenstärkung und Düngung.
In der Naturheilkunde haben Brennnesseln eine lange Tradition u.a. zur Anregung des Stoffwechsels, zur Entwässerung des Körpers und allgemein zur Stärkung. Kein Wunder, denn die Pflanzen enthalten verschiedene Vitamine (z.B. Vitamin C) und Mineralstoffe (u.a. Eisen und Kieselsäure) in teils beachtlichen Mengen. Da Brennnesseln allerdings bevorzugt auf nährstoffreichen Standorten gedeihen, enthalten sie auch recht viel Nitrat (nicht gesundheitsschädlich), welches sich im Körper in Nitrit (gesundheitsschädlich) umwandeln kann. Daher sollten für den Verzehr nur die obersten 2-3 Triebspitzen verwendet werden, da der Nitratgehalt in jungen Pflanzen bzw. in jungen Trieben geringer ist, außerdem schmecken ältere Blätter schlicht nicht mehr so gut!
In der Wildkräuterküche lassen sich Brennnesseln auf vielfältige Weise verwenden, im Prinzip überall wie frischer Spinat. Klassisch gekocht als Spinatersatz, aber auch als Suppe oder als pikante Füllung für Fladen (besonders lecker in der Kombination mit Schafskäse!). Durch Erhitzen oder Trocknen geht die Brennwirkung verloren. Auch roh schmecken Brennnesseln sehr gut, allerdings müssen dann die Brennhaare unschädlich gemacht werden durch sehr feines Hacken, kräftiges Zerdrücken, z.B. mit einem Nudelholz, oder kurzes Überbrühen mit kochendem Wasser.
Eine besondere Leckerei sind die Brennnessel-Samen, die ab dem Spätsommer gesammelt werden können. Man kann sie noch unreif (grün) roh essen, oder aber sammeln, wenn sie reif sind (dann sind sie gelblich) und gut getrocknet im Schraubglas einlagern. Ohne Fett leicht geröstet in der Pfanne, verleihen sie süßen und herzhaften Speisen ein nussartiges Aroma. Einfach mal ausprobieren!
© Beate Stoff / silva mirabilis – Natur bewegt erleben
Die nächste Gelegenheit, mit unserer Autorin auf Naturentdeckung zu gehen:
- Oktober 2015: „So schmeckt der Herbst“. Geführte Rundwanderung durch den herbstlichen Osburger Hochwald mit leckerem Snack aus der Wildkräuterküche – Wanderung in Kooperation mit dem Naturpark Saar-Hunsrück
Weitere Informationen unter www.silva-mirabilis.de
© Beate Stoff und © Maisenbacher Medien GmbH
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