Nachdem der Headcoach der Römerstrom Gladiators Trier im ersten Beitrag über seine Spieler sinnierte, danach unter anderem der Standort Trier und sein Alltag thematisiert wurden, folgt im finalen Teil des Interviews Marco van den Bergs (Basketball-)Philosophie und zu guter Letzt sein Blick über den großen Teich.
Wie wichtig ist für dich die Regeneration? Gibt es bei dir auch klassisch einen freien Tag nach Spieltagen?
Ja, die Spieler müssen den Kopf frei kriegen und sich körperlich erholen können. Am Spieltag muss Jeder an der Spitze sein, da pumpt das Adrenalin. Und danach braucht man einfach eine Pause, es gibt physiologische Gesetze.
Hast du deine Theorie zu wie viel Prozent sich guter Basketball zusammensetzt? Beispielsweise je ein Drittel Physis, Psyche und Taktik?
Ich sehe es eher gesamtheitlich. Der Körper kann nicht ohne den Geist und andersrum. Vielleicht ist es ja auch nur Elektriztiät (schmunzelt)? Ich empfinde den logischen Positivismus als eine verkehrte Strömung. Es gibt nicht nur messbare Sachen. Alles kann unterschiedlich interpretiert werden. Ich verstehe den Wunsch, alles deuten zu können. Aber ich denke, man muss offen sein. Und deswegen mache ich nicht solche deutlichen Unterteilungen.
Hast du das Umfeld, solche wissenschaftlich-philosophische Gespräche, z. B. über den Positivismus, zu führen? Oder ist das schwer im Sportgeschäft?
Ich kann mich mit unserem Pressesprecher sehr gut über Hegel unterhalten, er ist ein „Hegel-Mann“. Ich bin eher ein „Heidegger-Mann“. Ich brauche solche Gespräche.
Zum Ende hin würde ich gerne erfahren, wie du den Basketball von Übersee einschätzt. Du hast dich dazu in der Vergangenheit häufig kritisch geäußert.
Der amerikanische Basketball entwickelt sich immer weiter weg. Er wird schlechter, mehr und mehr NBA. Es ist ein Spiel geworden von „Hyperindividualität“, man profiliert sich über Mitspieler. Es ist ein Podium und kein Spiel mehr. Einem Amerikaner muss man häufig ganz neu beibringen, wo freier Raum ist, wo der Mitspieler steht, generell das Zusammenspiel. Statistiken sind drüben das Wichtigste, das ist meiner Meinung nach verkehrt.
Nehmen wir LeBron James als Beispiel. Alle denken er wäre der beste Spieler der Welt, was ich vehement bestreite. Er macht ein Crossover an der Mittellinie und zieht zum Korb und alle sagen „Wow, that‘s great!“. Das ist es nicht! In der Euroleague würdest du sowas niemals sehen, da stehen mindestens zwei Verteidiger im Weg. Da braucht man mehr als reine Physis.
Verfolgst du denn die NBA, wenn sie dir nicht gefällt?
Ich muss sie verfolgen, denn ich will mit den Kindern reden können. Und da sehe ich auch schönen Offensivbasketball bei den Golden State Warriors. Aber generell bin ich jedes Mal enttäuscht, wenn ich ein NBA-Spiel sehe. Ich bin aufgewachsen zu den Zeiten von den Bulls, Celtics, dem Dream Team, Detroit Pistons, Larry Bird gegen die Lakers. Die Spieler waren einfach besser. Sie waren besser geschult, das war Teambasketball, das war Werbung für den Sport. Die Hochzeiten sind längst vorbei. Es ist nur noch ein Business.
Dennoch, wenn du einen Spieler nennen würdest, der der Beste auf der Welt ist, wer wäre das für dich?
Individuell, Kevin Durant. Die Größe, die Skills, er ist nicht so extrovertiert. Aber schau dir die 90er an, Pat Riley gegen Phil Jackson. Wie da der Ball bewegt wurde, wie hart verteidigt wurde. Man musste so gut sein, um überhaupt zum Korb zu kommen. Michael Jordan wurde zur Kreativität gezwungen. Heute? Das ist keine Poesie mehr. „Ich bin der Mann, ich muss den Ball haben.“ Die Spieler haben deswegen Streit untereinander. Das Weltbild stimmt nicht. Die USA ist für mich in der Krise, auch über den Basketball hinaus.
Wie beurteilst du denn, dass die Schrittfehlerregelung an das amerikanische Spiel angepasst wird?
Das ist nicht so schlimm. Hauptsache die Defensivregeln werden nicht übernommen. Es darf nicht nur um Highlights gehen, das ist kein Basketball.
Siehst du die NBA denn immer noch als das Lockmittel und Ziel für Spieler auf der ganzen Welt? Oder würde das nach deiner Ansicht eher zur Rückentwicklung führen, wenn ein deutsches Talent in die NBA geht?
Man darf Niemandem vorwerfen, dass er mit seinem Sport Geld verdienen will. Aber ich weiß auch von NBA-Spielern, die unglücklich sind. Die nach der Karriere pleitegehen. Aber ich verstehe einen Bojan Bogdanović oder Miloš Teodosić, mal sehen zu wollen, was sie in der NBA hinkriegen können. Und sie können dort Geld verdienen, was sie in Europa nicht kriegen. Dennoch kamen Fernández, de Colo, Navarro relativ schnell wieder zurück. Das hatte einen Grund.
Ich bin der Meinung, dass der deutsche Sportler internationales Spitzentalent besitzt. Kulturell, physisch, gesund, gut ausgebildet, Mentalität und Kampfgeist, stiller Stolz. Der deutsche Fußball ist nicht umsonst der Beste der Welt. Auf einem Niveau wie Spanien, aber anders. Es wird aber noch viel zu wenig ausgenutzt. Ich finde es lächerlich, dass deutsche Spieler im Ausland ausgebildet werden. Auch dass ein Spieler wie Dominic Lockhart mit 23 Jahren noch keinen Riesenschritt in der BBL gemacht hat, weil er einfach noch nicht die Chance dazu bekommen hat. Ein Dennis Schröder hat diese Chance bekommen und man sieht gleich, wie gut ein deutscher Sportler sein kann.
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass die Deutschen nicht genug Spielzeit bekommen?
In der BBL sind die Amerikaner einfach zu stark vertreten, es ist eine Mini-NBA. Schauen wir nach Bamberg, die haben zwar auch Ausländer, aber das Herz ist europäisch. Ohne das kann man auch nicht an der Spitze Europas stehen. Daher fände ich eine verschärfte Quote auch besser.
Die deutschen Spieler müssen mehr Verantwortung übernehmen dürfen. Wenn sie vorne in der Ecke stehen und warten, passiert das nicht. Aber welche Mannschaften machen das wirklich? In der ProA Baunach, Hamburg, Chemnitz und wir natürlich. In der BBL war ein Maxi Kleber nie DER Mann, jetzt spielt er trotzdem NBA. Die Profilneurosen der Basketballclubs verhindern, dass Mannschaften sich auch mit geringem Etat in Nischen festsetzen können.
Am heutigen Sonntag laden die Gladiators zum Sprungball um 17 Uhr in die Arena Trier und wir euch auf unseren Twitterkanal zum Lesen, Folgen und Kommentieren. Zu Gast sind die Löwen aus Karlsruhe, die aktuell auf Platz 7 der Tabelle stehen. Möchte man den Anschluss an die Playoffplätze nicht verlieren, sollten die Moselaner auf ihre gewohnte Heimstärke und dem Rückhalt der Fans bauen.
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