Am Samstag, 18. Januar, gab es eine ganz besondere Premiere im Theater Trier. Die deutsche Erstaufführung der Oper „The Fly“. Nicht nur benannt nach dem Film, sondern eben die Oper zu selbigem. Gemacht aus derselben Musik von Komponist Howard Shore.
Veronica Quaife ist Reporterin für eine naturwissenschaftliche Zeitschrift, auf einer Party/Preisverleihung ihres Magazins lernt sie den Wissenschafler Seth Brundle kennen. Der erregt zunächst mit seiner ungeschickten Art ihre Aufmerksamkeit, dann mit seinen fantastischen Ideen und Experimenten, dann als Mann und schließlich als Monster. Denn Brundle arbeitet an einer Teleportationsmaschine, die Menschen von A nach B transportieren soll, in Einzelteilen. Oder besser in Einzelmolekülen. Das Auseinandernehmen klappt schon mal ganz gut. Am Zusammensetzen haperts. „Teleportation failure“ nennt seine Maschine das, wenn es den Testaffen in Puzzlestücke zerfetzt. Sechs Jahre Forschung, sechs Jahre Einsamkeit haben den Doktor auf diesem Gebiet nicht ein Stück weiter gebracht. Eine andere Stimme als die Stimmen seiner Maschine soll ihn der Lösung nun ein Stück näher bringen.
Veronica liefert ihm diese Stimme und die Erleuchtung. Denn um Körper transportieren zu können, darf man kein Feind von ihnen sein. Und tatsächlich, die Liebe der jungen Frau bringt die Lösung. Aber letzten Endes auch die Katastrophe. An dem Abend, an dem die beiden den ersten Versuch mit Menschen starten wollen, trifft Veronica sich mit ihrem Chef Stathis Borans, der leider auch ihr Exfreund ist. Brundle wagt das Experiment alleine. Zumindest glaubt er das, denn als er sich selbst teleportiert, teleportiert er auch eine Stubenfliege mit. Und weckt damit das Tier im Mann. Dumm nur, dass das Tier eine Fliege ist.
Wer den Film kennt weiß worauf er sich einlässt. Aber auch sonst dürfte der Stoff bekannt sein. Der (Alb)traum von einem Mischwesen zwischen Mensch und Tier ist so alt, wie die Menschheit selbst. Allerdings kam niemand in der Geschichte auf den Gedanken, sich mit einer Fliege zu verschmelzen. Nicht gerade ein edles Tier, um eine Vereinigung anzustreben. Das muss auch Seth Brundle merken. Nach einer kurzen Zeit des Vorteils beginnt sein körperlicher Verfall recht bald. Nur noch eine Verschmelzung mit seiner Freundin Veronica und dem ungeborenen „Kind“, das sie in sich trägt, könnten ihn der Menschlichkeit wieder ein Stück näher bringen.
Düsterer Stoff…
Ein düsterer Stoff, eine düstere Musik. Schwer, uneingängig, wenig melodiös kommt Howard Shores Komposition daher. Die passende Musik zum Film eben, sie soll Stimmung schaffen und die Geschichte tragen, aber nicht im Vordergrund stehen. Dort muss Platz für die Figuren und deren Wandlung sein, vom Wissenschaftler zum Monster, von der kühlen Karrierefrau zur aufopferungsbereiten Mutter. Keine Oper zum Zurücklehnen, kein leichtes Verfolgen der altbekannten Handlung, kein Mitsummen der Melodien. Von „The Fly“, soviel kann man versprechen, bleibt nicht eine Note im Gedächtnis. Dafür hat diese Oper etwas anderes zu bieten, etwas wirklich innovatives: Spannung.
Obwohl der Filmstoff bekannt ist, bleibt es trotzdem spannend den Charakteren auf der Bühne zu zusehen. Wie entwickelt sich die Liebesgeschichte zwischen Brundle und Veronica und dann zwischen Brundlefly und ihr? Wie schreitet sein körperlicher Verfall voran? Wie kann sie sich am Schluß retten? Und was geschieht mit dem „Kind“? Sebastian Welkers Inszenierung schafft es gerade zu Anfang gekonnt eine „kinoreife“ Spannung aufzubauen. Die Grenzen zwischen den Genres verschwimmen, alles passiert schnell, kaum Leerlaufphasen. Dabei behalten Inszenierung und Sänger einen gleichbleibenden Rhytmus, obwohl die Szenen und Auftritte nahtlos ineinander übergehen wirkt nichts gehetzt oder halbfertig. Dem Zuschauer bleibt keine Minute zum Zurücklehnen, die Handlung fesselt.
Dabei verschwimmen auch die Grenzen zwischen Gesang und Schauspiel. Das Level der Inszenierung wird zu einem großen Teil von den Anstrengungen aller Beteiligten getragen. Dabei haben nicht nur die Solisten einen großen Part, sondern vor allem der Chor. Der erfüllt gleich mehrere Aufgaben: Partyverrückte Naturwissenschaftler, eiskalte Kriminalbeamte, besessene Anhänger Brundles und sogar die Mechanik oder besser Organik der Teleportationsmaschine wird durch ihn dargestellt. Besonders schön hierbei, der Moment indem der Vorhang der Maschine heruntergerissen wird und die Kräfte hinter der Maschine zum Vorschein kommen. Dargestellt durch den in Hygienekittel gewandeten Chor.
…schwere Musik.
Doch auch die Solisten brauchen ihre Leistung nicht hinten anzustellen. Nicht nur gesanglich ist diese Oper ein schweres Stück, auch schauspielerisch müssen sie Höchstleistungen vollbringen. Hier muss beides stimmen. Fehler sind schwer verzeihlich. Schauspielerisch besonders schön, wie immer Luis Lay. Als gerissener, aalglatter Chefredakteur Stathis Borans, rein körperlich schon gut akzentuiert, versteht er es sich durch Gestik und Mimik auf die Stimmung des Stückes zu legen. Alexander Trauth als Seth Brundle überzeugt stimmlich voll, schauspielerisch aber vor allem im ersten Akt des Zweiakters, als menschenfremder, eigenbrötlerischer Doktor. Kristina Stanek brilliert als Veronica stimmlich, wie auch schauspielerisch. Leider passiert auch in der Oper das, was in den beiden Filmen passiert ist: Die Faszination und der unterschwellige Grusel des Anfangs kann sich nur schwer in den zweiten Akt retten. Nach der Verschmelzung Brundles mit der Fliege flaut die Atmosphäre leider etwas ab. Brundles körperlicher Verfall kann auf der Bühne nur angedeutet werden, doch selbst das genügt, um den Schrecken des Gedankens zu nehmen. Hier ist jedes Muskelzucken zuviel ein Stimmungskiller.
Das Orchester findet in Joongbae Jee eine präzise musikalische Leitung, die der Schwierigkeit der Komposition gewachsen ist. Die Musik ist komplex und wenig eingängig, darf sich aber dennoch nicht in den Vordergrund drängen, diese Balance erzielt Jee mithilfe von unerbittlicher Genauigkeit. Das Bühnenbild von Gerd Hoffmann und Arlette Schwanenberg ermöglicht schnelle Szenenwechsel, die die Inszenierung dringend benötigt, Bindeglied dabei: die Maschine. Ein einziges zusammenhängendes Konstrukt, erschreckend lebendig. Die Kostüme von Angela C. Schuett erinnern wenig an Bühnenkostüme, sie unterstützen nicht den Mehrwert der Situation, sondern eher den Mehrwert des Charakters in der jeweiligen Situation.
Fazit: Eine Oper einer anderen Klasse, in der Geschichte und Musik kaum voneinander zu trennen sind. Stoff und Inszenierung passen zusammen, wie die Faust aufs Auge. Sogar in ihren Schwächen. Sehenswert dennoch auf jeden Fall!
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