Nicht mehr lange, dann werden bei den Vereinigten Hospitien in Trier mit Unterstützung von Caritas International „Eine Million Sterne“ funkeln, wie wir in unserem vorherigen Bericht angekündigt haben. Was für die Trierer ein großes Lichterfest mit beeindruckenden optischen und kulinarischen Erlebnissen sein wird, soll den Menschen in Jordanien bei der Lösung ihrer drängenden Probleme helfen. Wie groß diese Probleme sind und wo die Menschen dort der Schuh drückt, das weiß die Präsidentin der Hochschule Trier, Professor Dr. Dorit Schumann, aus eigener Erfahrung.

Trier – Vor Antritt ihrer Präsidentschaft in Trier arbeitete Dorit Schumann drei Jahre lang im jordanischen Amman. Sie war an der deutsch-jordanischen Universität Vizepräsidentin für Internationales und somit für Lehre, Forschung, Wissenstransfer sowie Repräsentation der Hochschule in allen Deutschland- und Europaangelegenheiten zuständig. Die Menschen sind ihr in dieser Zeit besonders ans Herz gewachsen: „Sie haben mich so herzlich aufgenommen, dass ich mich zur Hälfte als Jordanierin gefühlt habe“, sagt sie heute.
„Jeder dritte Einwohner ist ein Flüchtling“
Natürlich hat sie auch die Not der Flüchtlinge erlebt, die vom Krieg aus ihren Heimatländern Irak und Syrien vertrieben wurden und in Jordanien Zuflucht gesucht haben. „Jordanien ist ein extrem gastfreundliches Land“, weiß sie und verweist darauf, dass in den vergangenen 70 Jahren auch so viele Palästinenser hier Zuflucht gefunden haben, dass heute etwa die Hälfte der jordanischen Bevölkerung palästinensische Wurzeln hat. Aktuell beherbergt das Land nach Regierungsangaben bei 9,5 Millionen Einwohnern alleine 1,3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Dazu kommen Flüchtlinge aus dem Irak oder aus Palästina.
„Jeder dritte Einwohner ist ein Flüchtling“ berichtete die Hannoversche Allgemeine. Die Aktion „Eine Million Sterne“, mit der Caritas International und die Vereinigten Hospitien vom 11. bis zum 17. November auf die Situation der Menschen in Jordanien aufmerksam machen wollen, begrüßt Schumann ausdrücklich. Denn auch wenn das arabische Land im Grunde genommen gut für die Flüchtlinge sorgt, so braucht es dennoch Unterstützung: „Die allgemeine Situation im Land ist geprägt von einer allumfassenden Knappheit.“
Eine allumfassende Knappheit
Das bestätigt eine Aussage der KfW-Entwicklungsbank, die in Jordanien „eine sichere Insel in der Krisenregion“ sieht. Das Königreich schaffe es seit Jahren, ein Überschwappen der vielfältigen Krisen zu verhindern. Dabei könne König Abdullah II. weder auf Öl-Milliarden noch auf eine große Armee zählen. Die Probleme für sein Land seien dagegen riesig: So sei die Terrororganisation IS bis an die jordanische Grenze vorgestoßen, es gelte große Flüchtlingsströme zu versorgen, es gebe in den Städten eine sehr knappe Wohnraumsituation und vor allem mangele es an Wasser. Punkte, die Dorit Schumann allesamt bestätigen kann.
„Je nach Statistik hat Jordanien das zweit- oder viertknappste Wasservorkommen auf der Erde.“ Ebenso problematisch sei die Suche nach bezahlbarem Wohnraum: „Das Geld, das in Amman für das Wohnen ausgegeben wird, übersteigt die Durchschnittsvergütung eines Jordaniers.“ Doch wie ist das möglich? Es war der erste Irak-Krieg, der diese Entwicklung begünstigte. Reiche Irakis flohen ins Nachbarland Jordanien, hatten das Geld, sich in den Städten anzusiedeln. Folge: Der große Zuzug ließ Wohnraum knapp werden. Eine Situation, die sich nicht verbesserte, als später die Syrer ebenfalls vor den Folgen des Krieges flohen.
Flüchtlingscamps so groß wie ganze Städte
Trotz der großen Flüchtlingszahlen seien die Jordanier weiter gastfreundlich geblieben, berichtet Schumann. In der Folge entstanden riesige Flüchtlingscamps. Beispiel Zaatari im Norden Jordaniens. Hier leben mehr als 80.000 Menschen. Zaatari gilt als eines der größten Flüchtlingslager der Welt. Ähnlich die Situation des Lagers al-Azraq: „Hier leben über 40.000 Syrer“, weiß die Präsidentin. Ähnlich wie in Deutschland ist auch der Arbeitsmarkt in Jordanien geschützt. Eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis erhält dort nur der, der die jordanische Staatsbürgerschaft besitzt. Wer keine hat, muss einen der wenigen und auf Zeit kontingentierten Jobs suchen: „Jordanien vergibt für unterschiedliche Nationalitäten Arbeitsplatzkontingente“, berichtet Präsidentin Schumann. Wobei es sich dabei überwiegend um Berufe handele, für die es im Land keine Nachfrage oder kein Personal gebe: „Ägypter arbeiten überwiegend im Baugewerbe, Philippininnen überwiegend im Haushalt und in der Betreuung der Kinder.“
Psychologische Betreuung noch in den Kinderschuhen
Den Syrern kommt laut Dorit Schumann ihr natürlicher Geschäftssinn zugute: „In den Lagern sind regelrechte Einkaufsstraßen entstanden, wo man von Lebensmitteln über Kosmetik bis hin zu Modeartikeln nahezu alles käuflich erwerben kann, sofern man das Geld dazu hat.“ Was genau der springende Punkt ist. Denn wie überall ist auch hier das Geld ungleich verteilt, was wiederum für Jordanien zum Problem wird. „Die Gastfreundschaft dieses Volkes sorgt dafür, dass die Flüchtlinge nicht menschenunwürdig hausen müssen, sondern beispielsweise vernünftige, wenn auch räumlich knappe Unterkünfte haben.“
Die medizinische Versorgung sei ebenfalls gegeben, anders dagegen die Situation bei der psychologischen Betreuung: „Die steckt in den arabischen Ländern noch in den Kinderschuhen. Hier ist es die Familie, die sich darum kümmert.“ Was dann auch dazu führe, dass Menschen in extremen Fällen vor der Öffentlichkeit versteckt würden. Die Familie kümmere sich zudem um die Alten und Schwachen: „Wer allerdings durch die Flucht keine Familie mehr hat, der hat ein Problem.“ Diese Gruppe sei nicht gerade klein, weshalb die Arbeit von Caritas International auch in Jordanien in jeglicher Form unterstützt werden müsse, sagt die Präsidentin der Hochschule Trier.
1117 internationale Studierende aus 106 Ländern an der Hochschule Trier
Dem versucht man auch an der Hochschule selbst gerecht zu werden. Nicht ohne Stolz weist die Professorin darauf hin, dass an der Hochschule Trier 1117 internationale Studierende aus 106 Ländern eingeschrieben sind. So gibt es denn auch am Umweltcampus des Standortes Birkenfeld wie auch auf dem Schneidershof in Trier eine stattliche Zahl von jordanischen Studenten. „Das jordanische Königshaus weiß, dass Bildung ein Schlüssel zur Lösung dringender Probleme ist.“ Trotzdem gebe es auch hier die allgegenwärtige Knappheit, die in der zu geringen Zahl von Schulen und Universitäten ihren Niederschlag finde. Und anders als in Deutschland müssen Studierende für ihr Studium zahlen: „Selbst die zehn öffentlichen Hochschulen stehen den Menschen nicht kostenfrei zur Verfügung.“ Schlimmer noch: „Das Studium an den öffentlichen Universitäten ist sogar teurer, da die eine bessere Reputation als private Hochschulen haben.“
Kronprinz will Jordanien zum Technologieführer der arabischen Welt machen
Doch es gebe Hoffnung: Kronprinz Hussein bin Abdullah wolle sein Land in der arabischen Welt zum Technologieführer machen und die Situation der Jugend, der Ausbildung und der Beschäftigung verbessern. Dazu habe er eine Stiftung ins Leben gerufen, die jungen Menschen Bildung ermöglichen und die Situation von Startups verbessern soll. Dass in der Hochtechnologie für das an Rohstoffen arme Land echte Chancen liegen, hat das Königshaus schon beim Ausbau der Telekommunikation erkannt: „In Jordanien gibt es dank des leistungsfähigen 4G-Netzes keine Funklöcher, da ist man Deutschland schon voraus.“
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