Seit dem 20. September kann man die Jahresausstellung des Vereins „éditions tréves“ in der Tufa bewundern. Mit dabei sind dieses Jahr lokale und internationale Künstler wie Ursula Dahm, Rita Gierens, Hanna Trampert, Katharina Worring, Rita Gierens, André Thil und auch Andreas Hamacher. Mit ihm traf sich 5vier.de zum Gespräch.
Erst seit diesem Jahr ist er Mitglied der „éditions tréves“ und sorgt mit seinen beeindruckenden Stahlskulpturen schon für Aufsehen auf der laufenden Jahresausstellung. Gleich drei Werkreihen kann er in der Ausstellung anbieten: Haptikus, Sprünge und Gradzahlen.
Hinter den Titel verbergen sich große und kleine Skulpturen, die nicht nur hinter den eigenen Horizont blicken lassen, sondern auch polarisieren: „Es gibt Leute, die sehr negative Gefühle bekommen, wenn sie meine Skulpturen sehen. Sie sprechen schon stark an“, so Hamacher und meint damit im Besonderen die mannshohen Werke seiner Reihe Sprünge. „Ich denke, es kommt auch auf die Umgebung an, in einem Raum, wie hier in der Tufa, wirken sie anders als in freier Natur. Raumbeherrschend.“ Die mit Rost überzogenen Skulpturen sind teilweise an die 100 Jahre alt, zumindest ihre Ursprungsmaterie, denn die Stahlträger stammen aus abgerissenen Gebäuden; lagen als „Müll“ auf dem Schrottplatz, bis Andreas Hamacher sie einsammelte und mit Hitze und Muskelkraft in ihre neue Form bog und ihnen so einen neuen Sinn verlieh.
„Rost erinnert mich oft auf eine tröstlich melancholische Art an den Kreislauf von Entstehen, Vergehen und Wiederentstehen, dem auch wir Menschen unterlegen sind. Daran sollen die Skulpturen erinnern.“ Doch sie sollen nicht nur erinnern, sondern auch spürbar machen: „Mein präferiertes Sinnesorgan ist nicht unbedingt das Sehen, sondern eher das Fühlen. Es geht darum, Neues begreifbar zu machen.“
Mit seiner Reihe Haptikus nimmt er sich selbst beim Wort: Diese Werke sind eben dafür gedacht: Zum Anfassen. Kunst zum Berühren, es ist ja Stahl, immer noch. Angst vorm „Kaputt machen“ braucht man also nicht zu haben. Höchstens Angst vor Rostverschmutzten Fingern. Auch die Werke aus der Reihe Sprünge sind keine Kunstwerke vor denen man Abstand halten muss, der Künstler selbst kann sich lässig anlehnen. Gradzahlen bezeichnet die dritte Reihe, in ihr beschäftigt Hamacher sich mit Spiralen und Rohren: „Innerhalb der Konstruktion kann man immer wieder Neues entdecken. Neue Blickwinkel, neue Formen.“ Aber auch neue Sichtweisen auf den Werkstoff Stahl.
Die weichen Seiten
In seinen neusten Projekten will Hamacher auch die weich(st)en Seiten des Stahls präsentieren: „Es geht mir dabei um die Leichtigkeit des Stahls und darum, zu zeigen, dass er auch weich sein kann. Optisch sogar so weich, dass er als Handschmeichler durchgehen würde.“
An sein Arbeitsmaterial kam er durch Zufall: „Mein Vater ist ein großer Naturfreund, wenn er mit dem Auto unterwegs war und Müll am Straßenrand sah, hat er ihn oft eingesammelt und entsorgt.“ Einmal war Andreas Hamacher als junger Mann, um die 20 Jahre alt, mit seinem Vater im Auto unterwegs, sie fanden Stahlteile am Straßenrand und sammelten sie ein. Dabei entdeckte Hamacher ein Stück, welches ihn sofort faszinierte, die Idee war geboren. Bald begann er Dinge aus Stahl zu formen: erst gewöhnliche Gebrauchsgegenstände, wie einen Aschenbecher, Kerzenständer, Lampen. Dann Figuren, natürliche Formen, schließlich wurde er immer abstrakter. „Das ist, denke ich, ein ganz normaler Entwicklungsprozess, vom Figurhaften hin zum Abstrakten, vom Körperhaften zum Gefühlsmäßigen.“
Das Stück, welches er damals am Straßenrand gefunden hat, hat er übrigens nicht mehr: „Ich habe damals viel verschenkt, von dem, was ich gemacht habe.“ Seine Mutter hebt allerdings alles auf, was sie mal von ihm bekommen hat. „Wie Mütter eben so sind, so sieht man alle seine Entwicklungsstufen.“ Dabei ist es nicht so, dass er sich für seine Jugendtaten „schämen“ würde. „Die Stücke habe ich damals so gemacht, weil sie gemacht werden wollten. Sie sind in ihrer Weise gut so wie sie sind, vielleicht würde ich sie heute anders machen, aber damals war es richtig so.“
Eine Frage des Timings
Nicht nur seine Mutter, die selbst Kunsttherapeutin ist, hat ihn früh mit der Kunst vertraut gemacht: „Mein Großvater lebte im selben Gutshof wie wir, ich habe als Kind immer viel Zeit bei ihm verbracht. Er selbst war Dichter und Denker und hatte oft andere Künstler zu Besuch. Ich hatte das Glück, dass Vieles, was ich als Kind gemacht hatte, Beachtung und Anerkennung in diesen Kreisen gefunden hat.“ Aber auch hier gab es eine Entwicklung, angefangen hat er mit der Malerei, so ging es dann immer weiter über die Bildhauerei, bis er dann beim Stahl landete.
Das Ende von dieser Periode ist aber noch lange nicht in Sicht. „Das merke ich immer, wenn ich auf den Schrottplatz fahre, um neue Stücke zu finden.“ Er findet eine Inspiration, dann heißt es einladen und im Atelier loslegen. Dabei gilt eine Devise, die schon Buddha prägte: „Was gut ist, geht leicht. Wenn etwas zu sperrig oder über’s Knie gebrochen ist, dann wirkt es einfach nicht. Weder auf mich noch auf andere. Oft hilft es da, wenn man eine Sache erst noch mal ruhen lässt. Manchmal fehlt auch einfach nur noch etwas.“ Wie bei drei älteren Arbeiten von ihm, die wollten einfach nicht gut werden. Bis er sie zu einem einzigen Kunstwerk vereinte. „Es ist oft eine Frage der Zeit oder des richtigen Timings. Auch beim Erhitzen des Stahls; heizt man zu kurz, kann man soviel Muskelkraft aufbringen wie man will, es rührt sich nichts. Gibt man zu lange zuviel Hitze, verbrennt man das Material.“ Eine Geduldsübung, auch für den Künstler selbst. „Eigentlich bin ich ein sehr ungeduldiger Mensch, der gerne schnell arbeitet. Meistens an mehreren Stücken gleichzeitig.“
Mit dem Stahl ist es also ein bisschen wie im richtigen Leben: „Es ist eigentlich alles eine Frage der Zeit, sei es ob man mit Stahl arbeitet oder auf den Bus wartet, wenn man zu früh dran ist, kann man so gerne einstiegen, wie man will, der Bus ist noch nicht da.Wenn man zu spät kommt, sieht man vielleicht grade noch die Rücklichter.“ Alles eben eine Frage des Timings.
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