Die 89. Oscar-Verleihung steht vor der Tür! Am morgigen Sonntag werden die begehrten Trophäen im Dolby Theatre in Hollywood bei Los Angeles (oder sollten wir sagen La La Land?) verliehen. Während die Region im Karnevalsfieber durch die Straßen zieht, gibt es aber auch bei uns einige Filmfreunde, die sich die Nacht von Sonntag auf Montag nicht bei Fastnachts-Schlagern und Schnaps um die Ohren hauen…
Trier / Hollywood. Wir haben mit Pascal Kathrein vom Uni-Kino CineAStA, sowie Markus Huppert, Erik Techel und Lucas Gangluff vom Campusradio über die Oscars gesprochen, die dort ihre eigene Filmsendung moderieren. Wie ist also die glamouröse Preisverleihung in Los Angeles einzuordnen, die als wichtigster Filmpreis der Welt gilt?
„Niemand sollte die Oscars zu ernst nehmen was die Qualität der Filme angeht. Dafür spielen einfach zu viele politische Faktoren mit. Am meisten Aussagekraft hat die Verleihung wohl darüber, wer in Hollywood gerade angesagt ist. Zur Zeit ist das zum Beispiel Damien Chazelle, der Regisseur von „Whiplash“ und „La La Land“, analysiert Markus Huppert vom Campusradio. Sein Kollege Lucas Gangluff pflichet ihm bei: „Man muss die Oscars sehen als das was sie sind, Auszeichnungen von Hollywood für Hollywood.“
Die von der Academy of Motion Picture Arts und Sciences herausgegebenen Nominierungen sind wirtschaftlich allerdings durchaus relevant für die Filme, die sich oft abseits der üblichen Blockbuster-Rezeptur bewegen und damit nicht unbedingt den klassischen auf Materialschlachten eingeschworenen Kinogänger ansprechen. Der seit 1929 durchgängig verliehene Filmpreis ist ein verlässlicher, weil etablierter Gradmesser für die Masse, ob ein Film auch höheren Maßstäben genügt und nicht nur ein bloßes Unterhaltungs-Feuerwerk ist. Hinzu kommen die internationalen Vermarktungs-Strategien der Studios: „Bei den Oscars nominiert zu sein ist gerade international unheimlich wertvoll für die Studios. Viele Oscar-Filme laufen in Europa erst im Februar oder März und die Auszeichnungen locken hier viele Leute ins Kino“, so Huppert. Sein Kollege Gangluff leitet daraus ein existenzielles Problem ab: „Das ist so ein bisschen die Frage nach der Henne und dem Ei; werden die Filme durch den Oscar wichtig oder werden wichtige Filme ausgezeichnet.“
Dieses Jahr liegt der Fokus eindeutig auf Damien Chazelle’s ungewöhnlichem Film-Musical „La La Land“, welches ein beinahe totgeglaubtes Genre wieder ins Rampenlicht katapultiert hat. Das Medienecho um den Preisregen bei den Golden Globe Awards, wo der Film mit sieben Auszeichnungen einen neuen Rekord aufstellt, und die rekordverdächtigen 14 Oscar-Nominierungen waren daran sicherlich nicht ganz unschuldig. Lucas Gangluff ist sich dennoch nicht sicher, ob „La La Land“ wirklich alle Nominierungen in tatsächliche Trophäen umsetzen kann:
„“La La Land“ hat schon alleine durch die 14 Nominierungen die absolute Favoritenrolle. Ich persönlich sehe aber eher „Moonlight“ als Best Picture. Bei Best Actor wird, glaube ich, sehr sicher Denzel Washington gewinnen und in der Kategorie Best Supporting Actor Mahershali Ali. Bei bestem fremdsprachigen Film würde ich es „Toni Erdmann“ wirklich sehr gönnen zu gewinnen, aber ich bin mir fast sicher, dass die Academy hier „The Salesman“ auszeichnen wird, einfach als politisches Statement. Wünschen würde ich mir den Oscar für beste Regie für Denis Villeneuve und ein paar Auszeichnungen für „Hell or High Water“ und „Arrival“, einfach um zu zeigen, dass Genrefilme auch bei den Oscars erfolgreich sein können.“
Auch bei unseren anderen Experten herrscht weitgehend Einigkeit über die Favoriten. Pascal Kathrein vom CineAStA tippt auf „La La Land“ und Markus Huppert hofft darauf, „dass es „Arrival“ geht wie „Mad Max“ im letzten Jahr und er überraschend viele Preise kassiert. Der furiose Endzeitorkan „Mad Max: Fury Road“, der nicht nur einen Helden aus den 1980ern wiederbelebte, sondern sein Publikum auch in eine einzige 120-minütige Verfolgungsjagd warf, wurde vergangenes Jahr mit überraschend vielen Auszeichnungen überhäuft, auch wenn er in den entscheidenden Kategorien nicht gegen das Medienecho um das Leonardo Di Caprio-Abenteuer-Epos „The Revenant“ (Beste Regie) und den überraschenden besten Film „Spotlight“ ankam. Erik Techel vom Campusradio teilt die Meinung seines Kollegen Lucas Gangluff: „“La La Land“ wird weniger abräumen als man vielleicht an Hand der Nominierungen denkt und bester Film wird glaube ich „Moonlight“. Und „Kubo der tapfere Samurai“ gewinnt in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“.“
In Deutschland blickt man natürlich auf die eigene Oscar-Hoffnung „Toni Erdmann“, die am morgigen Sonntag die Chance auf die Trophäe für den besten ausländischen Film hat. Huppert dazu: „In „Toni Erdmann“ geht es nicht um den Krieg und nicht um die DDR. Es geht einfach um die Beziehung zwischen einem Vater und seiner Tochter. Schön, dass auch deutsche Filme über’s Mensch-Sein mittlerweile im Ausland Anklang finden.“ Lucas Gangluff ist „großer Fan von „Toni Erdmann“ und wünscht sich die Auszeichnung für den Film sehr, sieht die Rolle des deutschen Kinos im internationalen Vergleich aber mit gemischten Gefühlen: „Allgemein denke ich, dass aus dem deutschsprachigen Raum eine Reihe interessanter Indie-Produktionen kommen, aber der Großteil der deutschen Filme irgendwo im Sumpf mittelmäßiger Dramen versackt.“ Auch Kollege Erik Techel blickt skeptisch auf die deutsche Filmlandschaft: „Das deutsche Kino hat sich in den letzten Jahren nicht unbedingt verdient, häufiger bei den Oscars vertreten zu sein. Mit typisch deutschen Komödien kann man halt nichts und niemanden in Amerika beeindrucken. Aber ich habe die Hoffnung, dass bald mehr Filme wie „Der Nachtmahr“, „Victoria“ oder eben auch „Toni Erdmann“ produziert werden und sich der deutsche Film auch international wieder einen besseren Ruf erarbeiten kann. Denn der ist momentan schlechter als der deutsche Film tatsächlich ist.“ Pascal Kathrein vom CineAStA sieht die Schuld nicht unbedingt beim deutschen Film: „Ich denke, dass die deutschen Filme so wie jedes andere Land nicht ausreichend repräsentiert werden, da „ausländische“ Filme keine Chance haben an die begehrtesten Oscars wie „Bester Film“, „Bester Hauptdarsteller“ oder „Beste Hauptdarstellerin“ heranzukommen. Hier haben nur die amerikanischen Filme eine Chance, so dass – meiner Meinung nach – keine repräsentative Verleihung für alle Filme der Welt gegeben ist.“
Vielleicht liegt es aber auch am fehlenden Mut der deutschen Filmlandschaft, mal etwas Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen und eben nicht nur Autoren-Dramen, Weltkriegsfilme und Matthias-Schweighöfer-Komödien zu fördern. „Was Spaß macht, anders und nervenaufreibend ist, wird ja nicht gefördert“, bestätigt der Hamburger Regisseur Ben Bernschneider uns in einem Interview vom Dezember zur Lage des deutschen Genre-Kinos (siehe: Das deutsche Genre-Kino – Leidensweg und Lichtblicke). Der zweifache Oscar-Gewinner Christoph Waltz („Inglourious Basterds“, „Django Unchained“) kramt gerne bei Interviews zu den Unterschieden zwischen deutscher und amerikanischer Filmindustrie ein Zitat des deutschen Schauspielers und Regisseurs Wolfgang Liebeneiner hervor:
„In Amerika wird Film hergestellt wie Kunst und verkauft wie Ware, und in Deutschland ist es genau umgekehrt.“
Ein Film wie „La La Land“ könnte kaum ungewöhnlicher sein, ist aber trotzdem mit 14 Nominierungen der absolute Jury-Liebling in der diesjährigen „Oscar-Season“, „Arrival“ ist originelles Genre-Kino pur, „Mad Max: Fury Road“ oder der Di-Caprio-Kracher „The Revenant“ waren letztes Jahr alles andere als klassische Oscar-Filme. Vielleicht ist der durchaus ungewöhnliche „Toni Erdmann“ aber der Schritt in die richtige Richtung, um sich vom schwergängigen Autoren-Drama der Vergangenheit zu lösen.
Bleibt natürlich noch die Frage, wer sich die Nacht von Sonntag auf Montag um die Ohren schlägt. Moderiert wird die Verleihung dieses Jahr von dem beliebten Late-Night-Moderator und Komiker Jimmy Kimmel, der nach der letztjährigen recht blassen Performance von Kollege Chris Rock einiges gut zu machen hat. Pascal Kathrein vom CineAStA: „Man versucht die Oscar-Nacht live anzusehen, was mal besser funktioniert und mal schlechter je nach Performance des Moderators. Dementsprechend wird es dieses Jahr wieder ausprobiert. Vorher wird ein Filmtag gemacht, mit den Oscar-Gewinnern der letzten Jahre, aber wenn man dann bei der Preisverleihung einschläft, ist es auch nicht so dramatisch.“ Für Huppert „ist die Verleihung Pflicht, aber unterhaltsam ist sie leider selten. Zum Glück gibt es ja Tipp-Spiele und Gruppenchats mit anderen Filmfans.“ Techel gibt der Show dieses Jahr vielleicht nochmal eine Chance, nachdem ihm seine erste und einzige Oscar-Nacht als „stinklangweilig“ in Erinnerung geblieben ist und auch sein Kollege Gangluff plant seinen Schlaf-Rhythmus beizubehalten: „Es gibt dieses Jahr nur wenige Filme im Rennen, die mich wirklich interessieren und wie schon gesagt, finde ich, dass den Oscars eine größere Bedeutung zugesprochen wird, als sie eigentlich haben. Ich verfolge schon, wer nominiert ist und gewinnt, aber um mir das Ganze wirklich anzuschauen, fehlt mir da die Motivation und Relevanz. Mir reicht eigentlich der Bericht am nächsten Morgen.“
Den wird es natürlich am Montag auch auf 5vier.de geben, so dass jeder seinem geregelten Schlaf-Rhythmus einhalten kann. Wir schlagen uns die Nacht für euch um die Ohren…garantiert!
In Kontakt treten mit unseren Experten könnt ihr über die CineAStA-Seite oder via Facebook: CineAStA ; Campusradio
Titelbild: STUDIOCANAL GmbH
Schreibe einen Kommentar