Am Montag, 21. Oktober, fand sich eine kleine, aber feine Gesellschaft im Brunnenhof ein, um dem Gesang einer jungen Frau zu lauschen, stets begleitet von den Klängen aus ihrem Akkordeon: Die Norwegerin Guro von Germeten in Trier.
Wer an das Akkordeon denkt, denkt gleich an Seemänner, bärtige Haudegen in Kaschemmen, lautstarke, aber wenig angenehme Gesänge, traurige Seemannslieder und zottige Sauflieder. Dass es auch vollkommen anders geht, bewies die Norwegerin Goru von Germeten am Montagabend in Triers Restaurant „Brunnenhof“ an der Porta.
Die studierte Mezzosopranistin entführte mit ihrem kleinen, roten Akkordeon und ihrer schönen Stimme in eine verträumte, sehnsuchtsvolle Welt, die nur entfernt an die rauhbeinige Seemännerwelt erinnert. Übrig bleibt, von dem Bild eines bärtigen Rauhbeins in der Hafenkneipe mit seiner Buddel voll Rum, nur die Se(e)hnsucht nach Me(e)hr, das Lebensgefühl eines Reisenden, der doch nie ankommen will und zwei Gläser Rosé. Verbindungsglied bleibt das rote Akkordeon.
Se(e)hnsucht und Me(e)hr
Guro von Germetens Lieder erzählen von der Liebe, fremden Ländern, unerfüllten Wünschen und Träumen, das alles hauchzart, fast sphärisch. Dann wieder lautstark und (abenteuer)lustig. Kombiniert werden moderne Texte und alte Klänge, wie etwa ein jiddisches Kinderlied, alte, wohlbekannte Lieder mit neuem, frischem Charme. Oder Selbsterdachtes im alten Gewand. Ihre Musik mit dem Akkordeon hat nichts mehr mit quälend lauten Schunkelnummern zu tun. Die zarte, blonde Frau entlockt dem sperrigen Instrument völlig ungeahnte Seiten, spielt es elegant, führt fast ein Tänzchen mit ihm auf, trägt es wie ein farbenfrohes Accessoire am femininen Leib. Passt doch, denkt sich der Zuhörer und Zuschauer.
Dabei kam die studierte Opernsängerin fast schicksalshaft an ihr Instrument. Alles begann an einem Februardienstag in Norwegen: „Es war kalt, aber nicht so kalt, dass man etwas lustiges, wie einen Schneespaziergang, hätte machen können“, erzählt sie und zeichnet ein kühles, fernes, herrlich wehmütiges Bild aus ihrer kühlen, fernen Heimat Norwegen. Sie ging an den Geschäften vorbei und da sah sie es: „Das Schönste, was ich je gesehen habe.“ Im Schaufenster eines Ladens stand ein altes, rotes Akkordeon. Sie sah es und wusste eines sofort: „Ich MUSS es haben.“ Kurzentschlossen kaufte sie es, nahm es mit Heim, „adoptierte“ es. Als sie es das erste Mal um die Schultern legte, war eines klar: „Es war wie „Zuhause“ sein. Angekommen sein.“
Paris und zwei Gläser Rosé
Seitdem sind fünfeinhalb Jahre vergangen. Jahre in denen sie gelernt, eigene Songs geschrieben hat und schließlich wieder eine kleine Schicksalswette mit dem Leben eingegangen ist. Nachdem sie die ersten drei Songs fertig hatte, wollte sie sich entscheiden, ob sie diesen Weg nun weiter oder zurück zum Opernfach geht. Sie packte also ein Kleid und zwei Stücke frische Wäsche sowie ihr Akkordeon und flog kurzerhand nach Frankreich. Nach Paris. Stellte sich auf den Platz vor Montmartre und spielte: „Wenn mir auch nur einer zuhört“, dachte sie sich, „dann mache ich weiter.“ Sie spielte ihre drei Lieder, zehn Mal hintereinander und schließlich setzen sich drei „hübsche Jungs“ vor sie und hörten zu. Am Schluss hatten sie ihr soviel Geld gegeben, dass sie sich zwei Gläser Roséwein kaufen konnte. So saß sie dann auf dem Platz vor dem Montmartre, mit ihrem roten Akkordeon und ihren zwei Gläsern Wein und begann ein neues Leben.
„Als Opernsängerin fühlte ich mich oft eingeschränkt, man darf kaum experimentieren und ausbrechen aus den Kompositionen, außer man gehört zu den Allerbesten. Ich wollte aber meine eigenen Ideen in die Musik einbringen, Elemente mischen und Neues erschaffen.“ Das hat gut funktioniert. Seit drei Jahren tourt sie durch aller Herren Länder. War in Kanada, in Moskau, in der Schweiz, ist nun für zehn Tage in Deutschland unterwegs, bevor es nach Norwegen zurückgeht, wo sie sich schon einen Namen gemacht hat. Mal alleine, mal mit ihrem eigenen Orchester. Mit dabei immer ihr kleines, rotes Akkordeon. Allerdings nicht mehr das Ursprüngliche. „Das war so alt, dass es mir irgendwann in alle Einzelteile zerfallen ist. Ich habe es sozusagen „gesprengt“ vor lauter Leidenschaft“, lacht sie. Das Akkordeon, mit dem sie jetzt herumreist, ist eine Sonderanfertigung aus Italien. „Scandalli“ heißt ihr Modell. „Es ist besonders leicht und klein, eigentlich eine Kindergröße, damit ich mich damit auch gut bewegen kann.“
Experimente und Schicksal
Bewegung ist das Zauberwort ihrer Auftritte. Das Akkordeon ist ja nicht gerade ein „sexy“ Instrument, glaubt zumindest die Allgemeinheit. Guro von Germeten sieht dies etwas anders. „Es ist ein sehr visuelles Instrument, das sich mit der Musik bewegt, es verändert sich ständig, je nachdem, wie die Musik ist.“ Sie selbst tanzt mit dem Akkordeon, wie mit einem guten Freund, rein optisch schon ein stimmiges Bild. „Am Anfang, als ich mit meiner eigenen Musik noch nicht so vertraut und sicher war, war es komisch, wenn ich ohne das Akkordeon auf der Bühne stehen sollte. Es ist wie ein Schutz, ein Vertrauter, schon allein, weil man es so nah bei sich hat und den eigenen Atem am Instrument spürt. Ich mag diese Nähe zu meinem Akkordeon“, erklärt Guro.
Wer gestern Abend in den Genuß von Guro von Germetens außergewöhnlicher Musik gekommen ist, darf sich freuen. Alle anderen dürfen sich trösten, dass sie bereits das zweite Mal in Trier war und gerne wiederkommen will. 5vier.de bedankt sich für das schöne Gespräch und den tollen Abend.
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