In Trier ist die Kampfkunst der Gladiatoren lebendig. 5vier.de sprach mit dem Leiter der Trierer Gladiatorenschule Jan Krüger über die Gladiatur und die Möglichkeit, selbst ein echter Arenakämpfer zu werden.
5vier.de: Herr Krüger, danke, dass Sie heute Zeit für uns haben. Fangen wir mit der vielleicht offensichtlichsten Frage an: Wie wird man im 21. Jahrhundert eigentlich Gladiator?
Krüger: Ich habe als Schauspieler hier in Trier ein paar Jahre hintereinander bei „Brot und Spiele“ den Commodus spielen dürfen, der ein großer Fan der Gladiatur war. Wir haben damals unsere Kampfchoreographien selbst erstellt und trainiert. Dadurch war dann mein Interesse geweckt; ich wollte so viel Realismus in diese Kämpfe bringen wie möglich und wissen, wie Gladiatoren zur Römerzeit wirklich gekämpft haben. Daher wurde ich nach Italien geschickt, dort leben Berufsgladiatoren, die auch hier bei „Brot und Spiele“ öfters aufgetreten sind. Ich war sehr begeistert von deren Arbeit und Motivation, dieser Mischung aus Kampfkunst und experimentell angewandter Archäologie. Da hab ich mir gesagt: „Das find ich toll, das nehm ich mit nach Trier.“
5vier.de: Wie nah ist das, was wir von Ihnen sehen und lernen können tatsächlich an dem, was vor 2000 Jahren in den Arenen stattfand? Wie viel ist Schauspiel, wie viel Archäologie?
Krüger: Schauspiel ist da gar keins bei, zumindest nicht mehr als – soweit wir das wissen – bei den Gladiatoren selbst. Man muss nun ehrlich sagen, man weiß nichts über die genauen Taktiken und Kampfweisen der Gladiatoren. Vieles kann man nur anhand von schriftlichen Überlieferungen oder anhand von Mosaiken oder Abbildungen herleiten. Andererseits weiß man sehr viel über die Ausrüstung der Gladiatoren. Wenn man diese Ausrüstungen nun selber trägt – und die sind heutzutage von Gewicht und Handling her sehr nah am Original – dann zwingen sie einen in bestimmte Haltungen und Taktiken. So experimentieren wir und finden heraus, was funktioniert und wie es gewesen sein könnte.
5vier.de: Sie haben in Trier eine Gladiatorenschule gegründet. Was genau verbirgt sich dahinter?
Krüger: Die Gladiatorenschule hat mehrere Abteilungen. Zum einen trainieren wir Gladiatoren über mehrere Jahre, damit sie die volle Kraft und Körperlichkeit der Gladiatur erfahren und später dann auch an Events teilnehmen können. Zum anderen bieten wir Seminare und Workshops für Gruppen und Einzelpersonen an, auch für Events oder Firmen. Man kann uns auch buchen, dann fahren wir zu anderen Orten und zeigen dort unsere Kämpfe – ein wenig wie Profiboxer.
5vier.de: Wie weit hat die Trierer Gladiatorenschule denn schon Schule gemacht?
Krüger: Wir sind zwar noch eine recht junge Schule, haben jedoch bereits jetzt einen Bekanntheitsgrad weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Medien der ganzen Welt finden das Thema „Berufsgladiator“ spannend. National waren wir das erste Mal 2013 in Kalkriese zu Besuch. Die haben dort alle zwei Jahre ein römisches Event zur Varusschlacht. Dieses Jahr sind wir zum Beispiel über das Jahr verteilt regelmäßig im Landesmuseum von Liechtenstein, dort gibt es eine Sonderausstellung zum Thema Gladiatur und wir begleiten mit Kämpfen und Seminaren dieses Programm.
5vier.de: Was ist denn nun das Besondere am Gladiatorenkampf? Was unterscheidet ihn zum Beispiel von den Kämpfen, die man auf Mittelaltermärkten zu sehen bekommt?
Krüger: Das gibt es klare Unterschiede. Zuerst einmal: ein Gladiator trägt keine Rüstung. Bestimmte Körperteile werden zwar geschützt, dadurch wird der Kampf aber nur verlängert; ein schnelles Ende des Spektakels soll so verhindert werden. Da man mit Metall kämpft, aber keine Rüstung trägt, wird man logischerweise vorsichtiger, man kämpft taktischer und verlässt sich weniger darauf, dass die Rüstung den Schlag, Stoß oder Stich abfängt. Dadurch sind wir sehr nahe an der Erfahrung eines echten Gladiators.
5vier.de: Das klingt alles sehr anstrengend. Wie hart ist das Training, wie hoch die Verletzungsgefahr?
Krüger: Für mich ehrlich gesagt nicht hart genug. (lacht) Wer hier zu uns in die Schule kommt und den „Beruf“ des Gladiators erlernen möchte, der wird wie ein Profiboxer trainiert. Da wird man also richtig gestählt – viel Training, viele Beulen und Kratzer, die gehören dazu. Wir arbeiten mit Holz und Eisen, da kommt man um Blessuren nicht herum, die sind auch wichtig. Sie zeigen einem, man hat etwas falsch gemacht oder war zu langsam. Was wir natürlich nicht können, ist mit scharfen Waffen kämpfen, weil es erstens gesetzlich nicht erlaubt ist und zweitens die Verletzungsgefahr dann natürlich enorm steigt. Wer sich an das Gladiatorendasein heranwagt, der wird viel Schweiß und auch einiges an Blut vergießen.
5vier.de: Was sind die Voraussetzungen für einen Berufsgladiator?
Krüger: Die meisten von uns gehen in ihrer Freizeit dem Gladiatorentum nach. Ich bin derzeit der einzige hier in Trier, der davon lebt. Das will ich aber ab diesem Jahr ändern. Wir fangen im Herbst mit dem Rekrutieren an. Ab 2015 gibt es dann die Möglichkeit für Jugendliche ab zwölf Jahren, die Gladiatur zu trainieren und zu erlernen. Man muss aber einige Jahre investieren, Prüfungen bestehen und hart an sich arbeiten, bevor man sich dann „Gladiator“ nennen darf. „Es ist eben kein Ponyhof“. Wir selbst trainieren momentan immer samstags von 15 bis 17 Uhr im Amphitheater. Ab Winter beginnt der Schulbetrieb für die Jugendlichen, das Training wird dann in einem Studio hier in Trier abgehalten.
5vier.de: Wenden wir uns mal dem Seminar „Gladiator für einen Tag“ zu: Was erwartet die Teilnehmer dort?
Krüger: In diesem Programm geht es darum, an einem Tag so viel wie möglich zu erleben, auch wenn man sich noch nie mit der Gladiatur auseinander gesetzt hat. Es gibt anfangs einen theoretischen Teil, der ist unerlässlich um zu verstehen, was man da tut. Danach gibt es dann ein Basistraining, um das richtige Körpergefühl zu entwickeln: Speerwerfen, Netzwerfen, Waffenbasistraining, also Schnitte und Schlagtechniken und dergleichen. Nach dem römischen Mittagessen werden dann Partnerübungen trainiert, die Teilnehmer werden so gezielt auf zwei Gladiatorentypen vorbereitet. Man darf sich nämlich für den Endkampf aussuchen, welcher der beiden Gladiatorentypen einem zusagt und tritt dann in einem Sparringskampf gegen einen Gladiator der Schule an – komplett mit Rüstung und Helm und allem, was dazu gehört. Nach diesem Tag hat man einen Eindruck davon, wie es sich anfühlt, Gladiator zu sein.
5vier: Das klingt alles recht gewaltverherrlichend. Ist das denn in der heutigen Zeit vertretbar, solche Seminare zu geben ?
Krüger: Ja, gerade heute. Schauen Sie sich einmal an, welche Dinge in den Medien, Internet oder Computer- und Konsolenspielen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Gewaltverherrlichung und Sensationslust sind doch an der Tagesordnung. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Menschen einen Spiegel zu geben. Wer einmal bei uns war, oder eins der Seminare gebucht hat, dem wird deutlich gemacht, dass Gewalt alles andere als lustig ist. Klar machen die Übungen Spaß, aber jeder wird sagen: „Gut, dass diese Zeit vorbei ist“, denn er hat es selbst erlebt.
5vier: Herr Krüger, vielen Dank für das Gespräch
Wer Blut geleckt hat, der kann sich auf der Seite der Gladiatorenschule weiter Informieren. Tickets zum Seminar „Gladiator für einen Tag“ gibt es bei der Tourist-Information Trier. Hotline: 0651 97808-0.
Das Gladiatorencamp findet dieses Jahr am 12. Juli, 9. August und 6. September ab 11 Uhr im Amphitheater Trier oder bei schlechtem Wetter in einer überdachten Ausweichmöglichkeit statt.
UND NICHT VERPASSEN: Unser Redakteur Lars Eggers wird sich für euch am 12. Juli in den Sand der Arena begeben und direkt von seinen Erfahrungen berichten!
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