Am 9. Mai wird in der Regel der Europatag gefeiert. Er erinnert an die Schuman-Erklärung, die als Grundstein für alle folgenden verbindlichen Annäherungen und Zusammenschlüsse gilt, was schlussendlich zur Europäischen Union führte. Die EU wird als eines der größten Friedensprojekte der Geschichte angesehen, doch steckt sie gleichzeitig seit Jahren in der Krise. Seit dem 16. März hat Deutschland die meisten seiner Grenzen geschlossen, was die Lage weiter anspannt.
Schengen/Trier/Eifel. Jean Asselborn sagte es gestern zur besten Sendezeit in der ARD: „Wir feiern zum 35. Mal den Europatag und ich kann mich nicht erinnern, dass es dabei jemals so viel Spannung gab. Ich bitte Horst Seehofer, dass ab morgen die Kontrollen aufhören. Die ganze Welt beneidet uns um Schengen. Es ist ein Begriff, genau wie der Euro. Wenn auf der Brücke in Schengen ein deutsches Polizeiauto steht, ist das ein Bild, das nicht zu Europa passt.“
Am 5. Mai sendete der luxemburgische Außenminister, der sein Amt so lange bekleidet wie kein anderer seiner EU-Kollegen, einen Brief an das Bundesinnenministerium. Nachdem die Aufschreie gegen die Situation an der deutsch-luxemburgischen Grenze immer lauter wurden, war dies die folgerichtige Entwicklung. Konkret fordert er eine Grenzöffnung schon heute, am Europatag. Asselborns Wort hat Gewicht in Europa. Nichtsdestotrotz, eine Antwort hat er bislang nicht erhalten.
Seehofer, deutscher Innenminister und somit Verantwortlicher für die Einreisebeschränkungen, signalisiert bislang kein entgegenkommen, die Frist des 16. Mai vorzuziehen. Bis dahin sollen weiterhin Beamte kontrollieren, um offiziell die Infektionsgefahr einzudämmen. Er beruft sich auf Artikel 28 des Schengener Grenzkodexes, da eine „ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ vorläge.
Öffnung am Europatag gefordert
Doch mehr und mehr steht der Innenminister alleine da. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die sich anfangs noch verständnisvoll und diplomatisch zu den ergriffenen Maßnahmen äußerte, positioniert sich mittlerweile klar auf der Linie Asselborns. Man müsse das Verhältnis zu Luxemburg und Frankreich wieder gut gestalten. Da es generell wieder viele Lockerungen gäbe, müsse das für die Grenzen auch gelten.
Dreyer schloss sich mit Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe und EU-Vizepräsidentin Katarina Barley aus Schweich zusammen, um die Schließungen aufzuheben. Auch Asselborns ehemaliger Regierungschef und ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kritisiert die Vorgehensweise Deutschlands. Für Luxemburg generell ist der Europatag etwas Besonderes. Seit vergangenem Jahr ist es sogar ein gesetzlicher Feiertag.
Dass die Forderungen es bis in die Spitzenpolitik schafften, ist der Hartnäckigkeit vieler Menschen zu danken. Pendler, die ihren Zorn über die wenig effektiven, dafür zeitintensiven Kontrollen in den Sozialen Medien äußern und ihren Abgeordneten mitteilen. Und Bürgermeistern sowie andere Lokalpolitiker, die unter anderem durch offene Briefe versuchten den „Geist von Schengen“ wiederzubeleben.
Breite Front gegen Horst Seehofer
Einer von ihnen ist Alfred Wirtz, Bürgermeister von Ralingen (D). Er kritisiert, übrigens genau wie Asselborn, dass Unterschiede gemacht werden. So sind die Grenzen nach Belgien und den Niederlanden offen, nach Luxemburg hingegen nicht. Wirtz schloss sich mit dem Bürgermeister der Nachbargemeinde Rosport (L), Romain Osweiler, zusammen, um auf Malu Dreyer einzuwirken, sich für die Öffnung der Grenze einzusetzen. Es dauerte zwar etwas länger als sie wohl erhofften, allerdings hat sich der Aufwand gelohnt.
Mittlerweile griff auch die Initiative Region Trier e.V. mit ihrem Vorsitzenden Joachim Streit zu diesem Werkzeug. Er wendet sich direkt an Horst Seehofer. In dem Brief bezieht er sich vor allem auf die Wirtschaft. In seiner Funktion als Landrat für den Eifelkreis Bitburg-Prüm hat Streit schon seit geraumer Zeit seine Ansichten geäußert und führt dabei nicht nur pragmatische, sondern auch symbolische Gründe auf.
Luxemburgische und deutsche Gemeinden halten zusammen
Auch Yves Wengler, Bürgermeister vom luxemburgischen Echternach, setzt sich ein. Er erinnert an die Wunden, die seit nun 75 Jahren langsam heilen. Es sei etwas zusammengewachsen, was aktuell wieder getrennt würde. Dies führe leider zu Ressentiments, das nütze den Extremisten und den Populisten.
Der Europatag sollte ursprünglich zu einem Protesttag werden. Mittlerweile hat die luxemburgische Polizei jedoch interveniert, da die Einhaltung aller Vorschriften nicht möglich sei. Vielleicht gibt es trotzdem kleine Aktionen, die einzelne Bürger an den Grenzübergängen tätigen werden. Dass die Grenzen heute geöffnet werden, wie Jean Asselborn das wünscht, wird nicht passieren. Vielleicht haben aber alle gemeinsamen Versuche so viel Einfluss, dass es nächste Woche wieder zu einem normalen Austausch zwischen Rheinland-Pfalz und Luxemburg kommen kann.
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