Von Florian Schlecht (Text), Anna Lena Grasmück (Fotos), Benjamin Judith und Holger Görgen (Videos)
16:3-Chancen, 11:2-Ecken und ein Sieg in beinahe letzter Sekunde. Ein Dreierpack von Torjäger Chhunly Pagenburg drehte einen 0:2-Rückstand gegen Ulm in einen 3:2-Erfolg um. Seit fünf Spielen ist Trier nun ungeschlagen.
Fußball ist so oft kein Sport der Zahlen, das war am Sonntag um 15.20 Uhr die ernüchternde Erkenntnis im Moselstadion. Mit 0:2 lag Fußball-Regionalligist Eintracht Trier gegen den SSV Ulm zurück. Und zu diesem Zeitpunkt rieben sich die 1425 Zuschauer verwundert die Augen, wie das passieren konnte, warum sie in diesem Moment noch nicht jubeln durften, wie in alles auf der Welt so ein Spielverlauf überhaupt möglich sein konnte. Was am Ende des Tages in 16:3-Chancen und 11:2-Ecken die klare Überlegenheit der Mannschaft von Roland Seitz ausdrückte, kam da im Resultat noch nicht zur Wirkung.
Aber Trier hat noch einen Chhunly Pagenburg in seinen Reihen, der beweist, dass Zahlen nicht immer lügen müssen. Als der Glaube an eine Aufholjagd langsam verloren ging, rappelte es dank des Torjägers doch im Karton. Und wie. Erst entfachte der Deutsch-Kambodschaner mit einem wuchtigen Distanzschuss aus 25 Metern, der vom Innenpfosten über die Linie trudelte, das Signal für eine Trendwende (71.). Dann entfachte er einen Jubelsturm, als er einen feinen Freistoß von Steven Lewerenz zum 2:2 einköpfte (82.). Und im Schlussakkord trudelte der Ball in der 89. Minute durch den Strafraum der hilflosen Ulmer, Pagenburg stocherte ihn ins Tor zum 3:2-Erfolg, wenn auch mit Hilfe der Hand, wie er zugab. Unendlicher Jubel über seinen 14. Saisontreffer und ein Siegestanz im strömenden Regen. „Ich kann Trier nur zu diesem außergewöhnlichen Spieler gratulieren. Er hat in einem kampfbetonten Spiel den Unterschied gemacht“, sagte ein geschlagener SSV-Trainer Stephan Baierl. „Wie wichtig er für uns ist, wissen wir alle“, befand Eintracht-Coach Roland Seitz, den die Auferstehung mitriss. 13 Punkte aus den jüngsten fünf Begegnungen hat der Tross von der Mosel nun eingefahren und darf selbstbewusst zum Spitzenspiel nach Hoffenheim fahren. Zugleich war es das erste Mal in der laufenden Saison, dass das Team einen Rückstand vor eigenem Publikum umwandelte.
Mit der Wende zu rechnen war aber nicht mehr. In der Halbzeit saß die Mannschaft mit hängenden Köpfen in der Kabine und rätselte über einen 0:2-Rückstand. Während Trier überlegen und über Ecken gefährlich war, nutzte Ulm seine beiden Möglichkeiten ohne eine Gefühlsregung eiskalt. Pagenburg köpfte über das Tor (6.), ein Zittlau-Kopfball wurde von Torwart Holger Betz abgewehrt, Baldo di Gregorio scheiterte aus spitzem Winkel kläglich (18.). Die Schwaben bestraften das, gingen in Führung, weil Torjäger Pagenburg einen Ball verlor, der Ex-Trierer Max Bachl-Staudinger butterweich flankte und Fabio Kaufmann zum 0:1 traf (24.). „Das war mein Ding“, grummelte der Angreifer, „danach sind wir erst mal erstarrt.“ Noch größer war der Schock, als ein abgefälschter Schuss von Elyes Seddiki zum 0:2 im Netz landete (33.). Im Backsteingebäude wuchs in der Halbzeit aber der Kampfgeist. „Wenn wir ein Tor machen, kippt das Ding“, sagte Seitz seiner Mannschaft.
Trainer-Voraussage geht in Erfüllung
Und er behielt recht, obwohl es beinahe Slapstick-Charakter hatte, was Trier an Möglichkeiten vergab. Zum Lachen fanden es die Eintracht-Fans nicht. Watzka köpfte den Ball aus kurzer Distanz Betz in die Arme (52.), Abelski donnerte einen Abpraller nach einem Lewerenz-Schuss weit über das Tor (54.), Steven Kröner brachte mit einer Gewaltabnahme die Latte des Ulmer Gehäuses zum Erzittern (56.), Pagenburg zielte aus wenigen Metern über das Gehäuse (57.). „Da kannst du eigentlich den Schiedsrichter um den Abpfiff bitten“, so Seitz. Von wegen, denn mit dem Anschlusstreffer begann die große Aufholjagd, die das Moselstadion zum Beben brachte. „Das ist eine Leistung der gesamten Mannschaft. Wir wollen in diesem Jahr kein Spiel mehr verlieren“, grinste Pagenburg, der sich seit Wochen mit diversen Blessuren durchquält, ohne geregelt zu trainieren.
„Wir sind froh über die Entwicklung, müssen die Kirche aber im Dorf lassen“, drückte sein Trainer bei allen Glückshormonen rund um ihn herum auf die Bremse. Doch nach aller Kritik nach der September-Krise war im VIP-Zelt ein glücklicher Seitz zu sehen. Duelle mit Ulm, das hat bereits die Aufstiegsrunde 1994 gezeigt, sind halt nie ganz normale 90 Fußballminuten. „So ein Spiel“, grinste er erleichtert, „hat Trier gebraucht“.
Statistik und Noten
Eintracht Trier – SSV Ulm 1846 3:2 (0:2)
Trier: Loboué (3) – Brighache (3), Kröner (2,5), Konrad (3,5), Zittlau (2,5) – di Gregorio (4,5, ab. 46. Hollmann 3), Watzka (3,5) – Lewerenz (2, ab 90. Spang), Abelski (3), Kuduzovic (4) – Pagenburg (1, ab 90. Lubasa).
Ulm: Betz – Ludmann, Scholz, Reith, Frank – Bachl-Staudinger (90. Beran), Griesbeck – Rodriguez Garcia (69. Gebert), Seddiki, Kaufmann – Toure (72. Agro).
Schiedsrichter: Thomas Münch (Rielasingen)
Tore: 0:1 Kaufmann (24.), 0:2 Seddiki (33.), 1:2, 2:2, 3:2 Pagenburg (71., 82., 89.).
Zuschauer: 1425.
Spieler des Spiels: Chhunly Pagenburg. Der Torjäger drehte mit seinen drei Treffern einen 0:2-Rückstand in einen 3:2-Erfolg um. An seiner glänzenden Leistung können so auch der Ballverlust vor dem 0:1 und vergebene Möglichkeiten nichts rütteln. Der Deutsch-Kambodschaner war zur Stelle, als er gebraucht wurde.
Videos
Spielzusammenfassung
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Stimmen zum Spiel
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fan meint
klaus-peter, sievo, ich höre nichts 😉
Trierer meint
Was für ein geiles Spiel! Dafür geht jeder Fußball-Fan ins Stadion! Danke, Eintracht! Fantastisch, Hammer, unglaublich! So kommen auch wieder die Zuschauer zurück. Jetzt zweimal auswärts gewinnen und beim nächsten Spiel sind auch wieder mehr als 1500 Zuschauer da. Die Mannschaft hat sich das auf jeden fall redlich verdient. Das war Fußball mit Leidenschaft, Kampf und Ehrlichkeit, das wollen wir sehen! Weiter so!
dave meint
wo bleibt die Spielzusammenfassung