Aus dem Moselstadion berichten
Martin Köbler und Frank Ferring (Fotos)
Eintracht Trier konnte am heutigen Abend auch das letzte Vorbereitungsspiel auf die am kommenden Sonntag in Kaiserslautern (14.00 Uhr, Fritz-Walter-Stadion) beginnende Saison in der Regionalliga West für sich entscheiden – gegen den komplett defensiv ausgerichteten Meister aus Luxemburg, Jeunesse Esch, gelang den Spielern von Trainer Roland Seitz am Samstagabend ein alles in allem verdienter 3:1 (2:0)-Erfolg vor heimischem Publikum. Damit geht die Mannschaft aus der Römerstadt mit der makellosen Bilanz von neun Testspielsiegen in ihre dritte Viertliga-Saison in Folge.
Foto: Heute ohne Torerfolg im Trierer Sturm – Thomas Kraus, den die Escher Verteidigung nur mit vereinten Kräften unter Kontrolle bekam.
„Tear down this wall!“ ist eines der bekanntesten Zitate rund um die friedliche Revolution in der DDR Ende der 1980er Jahre – gesprochen von US-Präsident Ronald Reagan vor der Berliner Mauer im Jahre 1987. Sein Fast-Namensvetter Roland – seines Zeichens zwar nicht Präsident der Vereinigten Staaten, aber immerhin Coach des Trierer Regionalligisten – wird seinen Mannen vor der Partie gegen Jeunesse Esch die gleichen Worte mit auf den Weg gegeben haben, ist der Meister aus Luxemburg doch für seine ausgesprochen effektive Defensivarbeit bekannt. Hiervon können seit Kurzem nun auch die Nordländer von AIK Solna das berühmte Liedchen singen, gelang ihnen in der Champions-League-Qualifikation doch nur ein winziges Törchen in Hin- und Rückspiel (1:0/0:0). Und genau so traten die von Jacques Müller trainierten Kicker aus dem Ländchen im „Mosellandstadion“, wie es in der Spielankündigung auf der offiziellen Homepage des Vereines zu lesen war, auch auf – gleich zwei Viererreihen sahen sich die Offensivleute der Eintracht gegenüber. Doch was in Berlin anno 1987 noch zwei Jahre dauern sollte und den Schweden aus Stockholm nur schwer gelang, war am heutigen Abend im Moselstadion schon in 90 Minuten erfolgreich erledigt – und das vor den Augen von Alois Schwartz, Trainer des 1. FC Kaiserslautern II, der die Eintracht beim Härtetest auf den Tribünen selbst beobachtete.
Roland Seitz schickte die sich nach den vorangegangenen Vorbereitungsspielen herauskristallisierte „erste Elf“ auf den grünen Rasen: Torge Hollmann agierte nach überstandener Zwangspause gegen CS Grevenmacher wieder zusammen mit Kapitän Josef Cinar in der Innenverteidigung, der somit wohl auch in der kommenden Spielzeit die Binde des Spielführers tragen wird. Fabian Zittlau agierte auf der rechten, Thomas Drescher auf der linken Abwehrseite – beide mit einigen Bemühungen auch in der Offensive. Stefan Kohler gab einmal mehr den Spielmacher mit Pierro Saccone vor sich, Alban Meha wirbelte über links, Tolgay Asma über rechts – und vorne war das kongeniale Duo Nico Patschinski und Thomas Kraus darum bemüht, den angerührten Beton aus dem Ländchen zum Bröckeln zu bringen – was schon nach zwei Minuten gelang. Thomas Drescher wuchtete einen Einwurf fünf Meter vor der Torauslinie nach innen, Loic Cantonnet verlängerte unglücklich per Kopf in die Mitte, wo der Ball haargenau an der Strafraumgrenze Pierro Saccone vor den Fuß fällt. Dieser fackelt nicht lange und zieht ab – die Münder auf der Haupttribüne öffnen sich, als der Ball im rechten oberen Winkel einschlägt und die mehr als 1.000 Zuschauer seit dem 2:2 gegen Preußen Münster am 9. April ein Tor ihrer Mannschaft vor heimischer Kulisse bejubeln können – die Defensive geknackt, der Lauf aus den Testspielen schien sich fortzusetzen.
Doch die Abwehrrecken in der Verteidigung der Schwarz-Weißen, sie stand in der Folge. Die Eintracht um Ballkontrolle bemüht – doch Anspielstationen ergaben sich fast keine ob der kompakten Doppel-Deckung des Meisters aus dem Nachbarland. Die Folge: immer wieder Rückpässe auf Hollmann oder Cinar, die ihrerseits versuchten, speziell Stefan Kohler oder Thomas Drescher in Szene zu setzen. Es sollte gut eine Viertelstunde vergehen, ehe Torge Hollmann der Situation überdrüssig wurde und sich selbst ins Offensivspiel einschaltete – doch sein versuchter Doppelpass mit Thomas Kraus landete bei Torhüter Marc Oberweis. Sein Gegenüber auf Seiten der Eintracht, Andreas Lengsfeld, sollte in der kompletten ersten Hälfte nur einmal gefordert werden, als er nach einer halben Stunde einen Flachpass von Roxan Rodriguez abfangen konnte. Dies zeigt – es entwickelte sich ein einseitiges, fast monotones Spiel, in dem es der Eintracht allerdings nur schwer gelang, den doppelten Riegel zu knacken. Ihr Chef-Trainer sprang immer wieder auf, munterte seine Spieler zum besseren Kommunizieren auf dem Platz auf: „Ihr müsst reden, reden!“ – „Bewegung, Bewegung!“, hallte es immer wieder durch das weite Rund des Moselstadions – zu statisch war dem „Chef“ in einigen Situationen das Aufbauspiel nach vorne.
Foto: „Ihr müsst reden!“ – Roland Seitz war phasenweise mit dem Spiel seiner Mannschaft nicht zufrieden.
Trotzdem – wenn es Kombinationen nach vorne gab, stimmten sie. Mehrmals gab es Szenenapplaus, als Thomas Kraus und Nico Patschinski mit gekonntem Doppelpass-Spiel glänzten oder Alban Meha auf der linken Seite seinen Gegenspieler schwindelig spielte. Es war zu greifen – die Zuschauer im Moselstadion sehnten sich nach einer katastrophalen Rückrunde der Vorsaison endlich wieder nach gefälligem Fußball, was selbst aufmunternder Beifall für misslungene Aktionen belegen. Die Mannschaft sollte es ihnen danken – und wie: Stefan Kohler kann im Mittelfeld von einem Ballverlust von Kevin Martin profitieren und spielt schnell weiter auf Alban Meha, für den selbst die Escher Defensivleute zeitweise kein probates Mittel hatten – seinen tödlichen Pass auf Thomas Kraus kann dieser auf Nico Patschinski ablegen, der die Kugel nur noch an Marc Oberweis vorbei versenken muss – das 2:0, gleichzeitig der Pausenstand, da Alban Meha mit einem gefährlichen 25-Meter-Freistoß am luxemburgischen Keeper scheiterte (43.).
Zum zweiten Durchgang kam Max Bachl-Staudinger für Stefan Kohler in die Partie, der auch heute wieder seine Fähigkeiten auf der Spielgestalter-Position aufblitzen ließ, verabredungsgemäß zu Schonungszwecken jedoch nur 45 Minuten spielen sollte. Sein Nachfolger hatte dagegen anfangs deutliche Probleme, ins Spiel zu finden – Ballannahme und -weiterverarbeitung ließen noch Luft nach oben und sorgten dafür, dass er eine von zwei gelben Karten der Partie erhielt (55.), als er nach einem Ballverlust mit unfairen Mitteln gegen einen Luxemburger nachsetzte. Trotzdem – die Eintracht zu Beginn der zweiten Halbzeit mit mehr Durchschlagskraft nach vorne – doch Thomas Kraus schien heute das Tor wie vernagelt. Binnen 120 Sekunden scheiterte er gleich zwei Mal freistehend mit hundertprozentigen Chancen (52./54.) – doch ein potenzielles 4:0 wäre zu hoch gewesen.
Für die Tore waren heute andere zuständig, sagte sich wohl auch Alban Meha und zirkelte in der 63. Minute nach Vorarbeit von Nico Patschinski von der linken Strafraumkante das Spielgerät in den rechten Winkel – ein Treffer Marke „Tor des Monats“, sehr zur Freude der Zuschauer und des Trainer-Duos Roland Seitz und Rudi Thömmes, die in der Folge Thomas Kempny für Fabian Zittlau brachten und Tolgay Asma durch Olivier Mvondo ersetzten. Letzterer zeigte einmal mehr seine Schnelligkeit mit und ohne Ball – jedoch auch seine noch verbesserungswürdigen Flanken von rechts (73./75.), die beide nicht zum lauernden Altmeister Patschinski kamen, sondern entweder ins Aus spritzten oder von der Innenverteidigung abgefangen werden konnten.
Und dann kam es doch, das Gegentor. Mit der einzigen Offensivaktion von Jeunesse Esch zeigte man der Eintracht, wie man ihre Abwehr ausspielen kann – das Stichwort lautet „Schnittstelle“. Stéphane Prion erkennt diese zwischen Cinar und Hollmann und leitet den Ball zielgenau auf den eingewechselten Charles Leweck weiter, der Lengsfeld nur noch zu umspielen braucht und zum 1:3 einschieben kann (81.). Dies war zugleich die letzte nennenswerte Aktion der Partie.
Eintracht Trier scheint für den Saisonauftakt gerüstet zu sein. Die Verzahnung zwischen der Defensive und der Offensive ist durch den „Sechser“ mit der Nummer acht auf dem Rücken, Stefan Kohler, und einem agilen Außenverteidiger Thomas Drescher gegeben. Das Mittelfeld zeigt sich mit wenigen Abstrichen spielstark und kombinationssicher – und der Sturm mit Patschinski und Kraus harmoniert von Spiel zu Spiel mehr miteinander. Einzig die Defensive an sich, sie scheint nach wie vor in der ein oder anderen Spielsituation nicht frei von Fehlern zu sein. Roland Seitz kann unter dem Strich mit der Vorbereitung seiner Mannschaft zufrieden sein. Jetzt gilt es nur noch, die positiven Eindrücke auch mit ins erste Meisterschaftsspiel auf dem Betzenberg zu nehmen.
Für die Eintracht spielten:
Andreas Lengsfeld – Thomas Drescher, Josef Cinar, Torge Hollmann, Fabian Zittlau (ab 67. Thomas Kempny) – Stefan Kohler (ab 46. Max Bachl-Staudinger), Alban Meha (ab 84. Julian Bidon), Pierro Saccone, Tolgay Asma (ab 67. Olivier Mvondo) – Nico Patschinski, Thomas Kraus (ab 80. Tim Eckstein).
STIMMEN
Roland Seitz (Chef-Trainer): “Nein, ich war heute nicht zufrieden. Wir haben uns dem Schlafwagen-Fußball von Esch angepasst, anstatt unser Spiel zu machen. Wir haben einfach zu langsam gespielt. Sicher, wenn du das Spiel wieder so frühzeitig im Sack hast, ist es schwer, sich immer weiter zu motivieren. Das lasse ich als Entschuldigung für die Jungs gelten. Vom Gegner bin ich erneut enttäuscht – ich hatte mir deutlich mehr erwartet.
Josef Cinar bleibt mein Kapitän, Torge Hollmann ist sein Stellvertreter. Ich habe mit Josef gesprochen, er traut sich das zu, also baue ich auf ihn. Ich denke, es ist eine gute Wahl, auch mit Torge als Stellvertreter.
Michael Dingels musste heute wegen leichter Leistenprobleme pausieren. Es ist aber nicht Ernstes, ebensowenig wie bei Stefan Kohler, der gestern im Training einen leichten Schlag in die Kniekehle bekommen hat. Deswegen habe ich ihn vorsichtshalber in der Pause ausgewechselt.”
Josef Cinar (Kapitän): “Ich bin froh, dass die Kapitänsfrage geklärt ist. Ich habe lange mit dem Trainer gesprochen, er traut mir das zu, ich traue es mir selbst zu. Ich denke auch, ich bin der Aufgabe erneut gewachsen. Zum Spiel ist nicht viel zu sagen. Wir waren einfach zu überlegen, als dass es ein Maßstab hätte sein können. Sicher, der Gegentreffer war nicht schön. Aber das passiert in so einer Phase eben. Nach vorne haben wir gut gespielt, aber heute zu wenig Tore gemacht.”
Alois Schwartz (Trainer 1. FC Kaiserslautern II): “Ich habe eine gute Mannschaft der Eintracht gesehen. Allerdings kann man erst im Verlauf der Runde sagen, was eine Elf wirklich drauf hat, wie ihr Charakter ist. Wenn ich an die Truppe der Eintracht vor der letzten Saison denke, die dann die Pokalerfolge gefeiert hat, hätte sich wohl auch keiner vorgestellt, was am Ende dann dabei herauskam. Ich bin hier, um ein paar Eindrücke zu sammeln, die nehme ich mit und mache mir meine Gedanken.”
Am Rande
Neben dem Kapitän (Josef Cinar) hat Chef-Trainer Roland Seitz auch den neuen Mannschaftsrat bestimmt. Diesem gehören neben Cinar Thomas Drescher, Nico Patschinkski, André Poggenborg und Johannes Kühne an. Nachrücken wird laut Seitz noch Torge Hollmann als stellvertretender Kapitän.
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