Stadionsprecher Martin „Köbi“ Köbler hat für euch seinen ganz persönlichen Eintracht-Jahresrückblick erstellt. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen.
„Jo, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“ – wie weiland Franz Beckenbauer schwingt diese Frage in diesen Tagen über all‘ unseren Köpfen, zu schnell scheint sie zu vergehen, diese Zeit – der subjektivste aller Begriffe. 365 Tage, 365 Nächte – doch wo ist sie geblieben, diese „Zeit“?
Denkt mal alle genau ein Jahr zurück. Weihnachten 2011. Unsere Eintracht, beflügelt vom schon fast sensationellen 3:2-Auswärtserfolg bei den Sportfreunden aus Lotte, steht in der Winterpause in Schlagdistanz zum Aufstiegsplatz – und so langsam, aber sicher, kann das kleine Pflänzchen „Hoffnung“, das den Traum vom Aufstieg in Liga 3 beinhaltet, sprießen und gedeihen. Na? Kommt Euch das noch bekannt vor? Scheint schon ewig her zu sein, oder?
Was folgte, ist bekannt. Negativlauf in der Liga, Pokal-Aus in Mayen, Turbulenzen zum Saisonabschluss. Das erste Halbjahr anno 2012, es war in vielerlei Hinsicht schlicht weg zum Vergessen. Aus. Ende. Pillo. Der 8. Mai, der Tag des Rheinland-Pokal-Halbfinales in Mayen, ist einer der düstesten Tage, den ich mit der Eintracht in den letzten Jahren mitgemacht habe. Ich weiß es noch wie gestern, wie ich nach dem Schlusspfiff wie paralysiert über den Rasen gelaufen bin, zu Sascha Purket ging, ihn abklatschte – doch er dies wohl einfach nicht realisierte. Nicht realisieren konnte. Ich schlich mit unserer Mitarbeiterin von der Pressestelle über den Platz des Nettealstadions. Sah, wie der kleine Mayener Heimblock den schier unfassbaren Sieg feierte. Sah, wie genau in diesem Block so viele Gesichter standen, die ich kannte. Ihr wisst es, ich komme aus Cochem, Mayen ist nur einen Steinwurf entfernt. Diese Niederlage, sie war für mich auch irgendwie eine persönliche – gegen all jene, die mich tief in ihrem Innern für „bekloppt“ hielten (und wohl noch immer halten), dass ich ausgerechnet mein Fußballherz an die Eintracht verlor. Dass ich tatsächlich jedes Wochenende dahin fahre und dann auch noch das Mikro in die Hand nehme und die alte Anlage des Moselstadions Woche für Woche einem Lautstärkentest unterziehe. Doch es wurde schlimmer. Es gibt Orte, die kann man nicht vergessen, weil man an sie so viele schlechte Erinnerungen hat. Der Presseraum in Mayen ist seit diesem Tag ein solcher Ort – jedes Detail hat sich eingebrannt. Wie Roland Seitz zerknittert vor der Werbewand sitzt. Wie die Journalisten fragen, wie das passieren konnte. Und ich? Ich sitze auf einer Bierbank, rechts daneben unsere Presse-Mitarbeiterin, die irgendwann den Satz sagt, der diesen Abend so treffend beschreibt: „Mann, ist das heute ein beschissener Tag!“ Ich stiere auf den weißen Plastik-Becher, der noch zu einem Viertel mit Cola gefüllt ist. Zahlen schwirren mir durch den Kopf: 150.000 Euro. Weg. DFB-Pokal. Weg. Vielleicht 10.000 Zuschauer. Weg. Und die neue Saison? Weg? Ja. Damals, an diesem 8. Mai in Mayen, war ich mir sicher. Neue Saison? Weg.
Was folgte, war die wohl von allen Seiten am meisten benötigste Sommerpause aller Zeiten. Es wurde sich geschüttelt – und spätestens seit dem Trainingsauftakt Ende Juni, als der noch überschaubare neue Kader der Eintracht seine ersten Runden drehte und sich die üblichen verdächtigen Kiebitze am Trainingsgelände einfanden, war es wieder da, dieses alte Fieber. Mayen, dieser Vorschlaghammer, war gerade einmal einen anderthalben Monat her. Und doch, unter der heißen Trierer Sonne an diesem Nachmittag, schien es lange vorbei. Baldo di Gregorio läuft über das Feld, grüßt seine neuen Fans. Steven Lewerenz. Steven Kröner. Viele neue Gesichter. Neue Hoffnungen. Und Hoffnung ist genau das, was wir brauchen.
Der Start gelingt, 2:1 in Freiburg, dann der erste Heimauftritt gegen Mainz – mit dem 2:2 kann man leben, wenn auch eine 2:0-Führung verspielt wurde. Doch die folgenden Wochen zeigen schnell wieder ihre Kehrseite des schnelllebigen Fußballgeschäftes. Ein unnötiges 2:2 in Homburg, ein 1:2 daheim gegen Frankfurt II – erste Rückschläge, die es zu verdauen galt. Doch die härteste Probe sollte noch kommen. War die Welt am Abend des 31. August noch halbwegs in Ordnung, als man daheim den VfR Wormatia Worms mit 1:0 besiegen konnte, schrillten Ende September im Verein sämtliche Alarmglocken.
Und auch hier, wieder das alte Spiel: die negativen Erlebnisse brennen sich ein. Mannheim, Pressetribüne. Ein gut gefüllter Gästeblock mit einem riesigen Eintracht-Logo am Zaun, 1:3-Niederlage. Wieder ein zerknitterter Roland Seitz auf der Pressekonferenz, Gespräche mit dem Trainerteam noch vor der Abreise am Mannschaftsbus, viele enttäuschte Gesichter neben mir. „Fou!“, rufe ich unserem Kapitän hinterher: „Es gibt so Tage, da gelingt halt nix…“ – und unsere Nummer Vier, dieser so eminent wichtige Neuzugang aus Darmstadt, schaut mich fragend an und sagt: „Ja. Aber es gibt auch Tage, da nimmst Du dann trotzdem was mit.“ Es mag skurril klingen, aber es ist diese eine Aussage am Beginn der Niederlagenserie dieses schwarzen Septembers, die mir vor Augen führt, dass es in unserer Mannschaft stimmt. Da ist ein Kapitän, der vorangeht, der sich – auch, wenn es schlecht läuft – den berühmten Allerwertesten für die Mannschaft aufreißt und mit frischem Mut nach vorne schaut. Doch allein, was nützte es uns? Idar-Oberstein. 0:0. Bitter. TuS Koblenz. Fast schon mit Ansage. 0:1. Sehr bitter. SV Elversberg. 0:1. Ganz bitter. Platz zehn. Kaum auszuhalten. Tumulte nach dem Spielende, Endzeitstimmung. Mal wieder.
„Es gibt auch Tage, da nimmst Du trotzdem was mit“ – Fouad Brighaches Zitat klingt mir in den Ohren. Denn: an diesem Tag, dem 28. September, haben wir tatsächlich etwas mitgeholt. Nicht nur Siege schweißen zusammen, sondern auch Niederlagen. Die Reaktion, die die Mannschaft seit diesem 0:1 gegen die Saarländer gezeigt hat, war außergewöhnlich. Überlegt Euch mal! Ungeschlagen, seit Ende September! Welch‘ ein Lauf. Und was für Spiele!
Kassel. Abgefackelt. Alzenau. Auswärtssieg. Lautern. Zack, Bumm, Faz. Ulm. Meine Güte, Ulm. Ich kriege heute noch Gänsehaut. Habe ich Euch schon mal gesagt, dass ich den geilsten Job der Welt habe? Stadionsprecher? Ahnt ihr nur ansatzweise, was für eine Energie auf jemanden einwirkt, wenn bei Toransagen das ganze Stadion antwortet? Und habt ihr auch nur annähernd eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, wenn man seinen Verein auf seinem Rasen drei Tore in achtzehn Minuten schießen seht und sich das komplette Rund in ein Tollhaus verwandelt?
Der 4. November, dieses irre 3:2 gegen den SSV Ulm 1846, es war für mich so etwas wie eine endgültige Wiedergeburt – nicht für meine Liebe zum Verein, die nach all‘ den Jahren, den vielen Tiefen und nur wenigen Höhen frisch ist wie am ersten Tag. Nein. Es war eine Art Wiedergeburt für die komplette Eintracht. Denn in diesen Minuten, zwischen der 72. und 90. Minute, zwischen Hölle und Himmel, habe ich unten hinter meiner Werbebande am Tor der Ostkurve gemerkt, dass hier wieder etwas zusammenwächst. Die Haupttribüne. Singt. Die Ostkurv‘. Feuert an. Unsere Ultras! Mensch, Leute! Es ist oft genug schlecht über Euch geredet worden – aber auch hier gilt: ihr bewegt Euch in die richtige Richtung. Wir ALLE bewegen uns in die richtige Richtung. Die EINTRACHT bewegt sich in die richtige Richtung.
Es ist zu spüren, es ist zu greifen. Die Fanszene, aktiv wie schon lange nicht mehr, wieder versöhnt, vereint, GEEINT. Es gibt einen schönen Spruch: „Zusammen sind wir weniger allein.“ Ja, es sind vielleicht nur noch die üblichen 1.800 Leute, die zu den Spielen kommen. Aber, was soll ich sagen? Die 1.800 sind einfach nur ein geiler Haufen – was die unter der Woche ins Leben gerufene Spendenaktion „Einer geht noch“ einmal mehr eindrucksvoll beweist (www.einergehtnochrein.de).
Jungs? Ich bin stolz auf Euch! Ihr unten auf dem Rasen – und auch ihr auf den Rängen. Seid Euch sicher, ich werde wieder unten stehen im neuen Jahr, die Anlagen zusammenbrüllen, mit Euch feiern und mit Euch jubeln. Denn wir alle sind doch eines: eine Einheit.
Wir sind Eintracht!
Für immer!
Euer Köbi.
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Eintracht!!! meint
Peiffje ist der richtige Name. Man kann wirklich alles schwarzmalen wenn mal will. Die Eintracht macht aus ganz wenig Geld ganz viel Leistung und das schon seit einigen Jahren. Da sag ich: Hut ab!
Und zur Qualität der Liga sei bemerkt: in der Breite ist das die stärkste der Regionalligen, immerhin ist das die einzige Liga, die nicht mit Oberligisten aufgefüllt wurde. In der Spitze ist nur die RL West stärker. Das erhöht nochmal den Wert des geleisteten der Eintracht-Verantwortlichen.
Weiter so, am eingeschlagenen Weg festhalten und zusammenhalten. In dem Zusammenhang auch nochmal der Hinweis auf diese einmalige und fantastische Aktion:
einergehtnochrein.de
DAS ist Eintracht!!!
Peiffje meint
Einige, wenn man die Historie miterlebt hat, fuer den verein schon zig mal durchlebte situationen werden hier völlig ueberdramatisiert um etwas darzustellen was gar nicht ist….a la phoenix aus der asche.
Die Liga ist, abgesehen von dem Oberliga-Jahr das schlechteste in dem die Eintracht in den letzten Jahrzehnten unterwegs ist. Es MUSS der Anspruch sein um den Aufstieg mitzuspielen. Die angesprochenen Probleme haben die anderen Vereine auch und hat man sich teilweise selbst eingebrockt. Zudem sind einige Einkäufe wie Fuchs, Di. Gregorio, Klinger und lubasa hinter den Erwartungen zurueckgeblieben. Auch die torwartregelung zu saisonbedingt mit Nachverpflichtung war in der einschaetzung ein vorausschaubares eigentor.
Ich sehe bei aller liebe zur Eintracht woran man hier den richtigen weg festmacht.
An den Aufstieg glaube ich aufgrund des zu kleinen Kaders und schwächen im Mittelfeld und der gesamten defensivbewegung des Teams nicht.
macianer05 meint
Gänsehaut Köbi, Danke!