Von Stephen Weber (Text) und Anna Lena Grasmück (Fotos)
Der deutsche Fußballverband (kurz DFL) plant am 12. Dezember 2012 das umfangreiche Sicherheitskonzept „Sicheres Stadionerlebnis“ rund um die nationalen Fußballarenen zu implementieren. Das anberaumte Programm stößt bei einem Gros der Stadiongänger auf wenig Gegenliebe, die sich nun zu einem kollektiven Protest zusammengeschlossen haben. Dazu gehören auch die Fans von Eintracht Trier.
Ruhig war es in den Fußballtempeln der Bundesliga nach Anpfiff des 15. Spieltags – und das hatte einen guten Grund: Die aktiven Fanszenen üben derzeit bundesweit stillen Protest gegen die angedachten Sicherheitsmaßnahmen der DFL und hoffen, auf diese Art und Weise in der Öffentlichkeit Gehör zu finden. Auch die aktive Anhängerschaft von Eintracht Trier wird sich am Wochenende am vereinsübergreifenden Schweigegelübde beim Auswärtsspiel in Mainz beteiligen: „Auch wir werden wie in vielen anderen Stadien die ersten 12 Minuten und 12 Sekunden der Partie auf der Tribüne schweigen und keine Stimmung machen“, kündigte T. T. (21) an, aktives Mitglied der Gruppe Insane Ultra. Allerdings fügt er auch hinzu: „Natürlich fällt es uns nicht leicht, die Mannschaft nicht zu unterstützen, doch die Angelegenheit ist wirklich wichtig für uns und den Fußball in Deutschland allgemein.“
Doch was genau plant die DFL, dass die Fans zu derartigen Instrumenten des weichen Widerstandes greifen? „Ganzkörperkontrollen, Abschaffung der Stehplätze, zehnjähriges Stadionverbot, Kollektivstrafen und Auswärtskartenreduktion“, lässt T. T. in den geplanten Maßnahmenkatalog des Sicherheitspapiers blicken. Hierbei ist anzumerken, dass es lediglich einem Zufall geschuldet ist, dass das Konzept an die Öffentlichkeit kam, über das im Dezember in Frankfurt votiert werden soll. „Über welche Wege es auch immer ins Internet kam, es ist gut, dass es veröffentlicht wurde. Die Betroffenen, also wir als Fans, wurden in den Entscheidungsfindungs- und formulierungsprozess nicht eingebunden. Wir fühlen uns übergangen und ungerecht behandelt“, übt sich die Fanszene in harscher Kritik und fügt deutlich hinzu: „Die Schweige-Aktion 12:12 ist unbefristet. Und weitere Demonstrationen in deutschen Städten sind geplant.“
„Ohne Stimme keine Stimmung“
Die Aktionen und Stellungnahmen zu diesem Thema sind vielfältig: Allein das offizielle Statement, getragen vom Trierer Fan-Dachverband SCT, unterschrieben zahlreiche Gruppierungen in der Region (Veröffentlichung folgt noch vor dem Spiel in Mainz). Daniel Emanuel vom Supporters-Club hat in diesem Zusammenhang ebenfalls eine eindeutige Meinung zu dem Thema: „Natürlich muss man sagen, dass jede Straftat im Zusammenhang mit Fußball eine Straftat zu viel ist. Aber hier wird ein Populismus und Aktionismus rund um das Thema Fußball und Fankultur betrieben, den wir so nicht akzeptieren können und werden.“
Auch die veröffentlichten Zahlen des polizeilichen ZIS-Berichts stehen im Kreuzfeuer der Kritik (5vier.de berichtete). „Die Statistiken sind unserer Meinung nach unreflektiert. Kein Mensch weiß, wer beispielsweise alles in solche Verletzten-Statistiken mit einfließt. Das sind auch Menschen, die ohne Fremdeinwirkungen zu Schaden kommen.“ Die Fans aus Trier sagen: „Am Oktoberfest geschehen mehr Straftaten als in einer ganzen Fußballsaison. Da würde auch keiner überlegen, Ganzkörperzelte aufzustellen für potentiell gefährliche Besucher.“
„Das stärkt die Verhandlungsposition“
Neben den einzelnen Punkten wird auch die Art der Formulierung des Sicherheitspapiers argwöhnisch betrachtet: „Das Papier soll zwar abgeschwächt worden sein, nachdem es an die Öffentlichkeit geriet, aber vieles ist so allgemeingültig formuliert, dass es doch wieder Auslegungssache ist. Jede Form der Kontrolle und Beschneidung der Fankultur ist weiterhin möglich.“ Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer für die bedrohte Stadiongänger-Seele: „Am 12. Dezember wird über jeden Punkt einzeln abgestimmt, nicht im Block, das ist schon einmal gut.“ Durch solche Aktionen, wie das Stadion in Stille zu hüllen, erhoffen sich die Fans, einen Hallo-Wach-Effekt bei den Verantwortlichen und Vereinen zu bewirken. Denn obwohl die angedachten Maßnahmen nur für die erste und zweite Liga gelten sollen, fürchten die Fans der unteren Staffeln einen Domino-Effekt, der auch den Amateur-Fußball grundlegend verändern würde.
Auch Thomas Endres, Leiter des Trierer Fanprojekts, unterstützt die Proteste der Szene: „Ich denke schon, dass solche Aktionen registriert werden. Man hat es ja sogar am Fernseher gemerkt, dass es seltsam still war. Fußball ohne Stimmung ist doch gruselig. Ich hoffe nur, dass es auch an den richtigen Stellen ankommt, wie bei den Verbänden und der Politik.“ Denn auch Endres empfindet die aktuelle Situation weit weniger dramatisch, als es gegenwärtig in den Medien widergespiegelt wird. „Aus meiner praktischen Erfahrung ist der Fußball wesentlich zivilisierter geworden. Deshalb denke ich, dass etwas fehlen würde, wenn die lautstarken Anhänger in den Arenen fernbleiben. Und mit solchen Protesten stärken die Fans obendrein ihre Verhandlungsposition.“
Wer jetzt mehr über das Thema und den Protest erfahren und sich eine eigene Meinung bilden möchte, wird auf folgenden Seiten fündig:
- 12doppelpunkt12.de
- ich-fuehl-mich-sicher.de
Marion meint
Als langjähriger Fussballfan, rund 40 Jahre, habe ich einige Stadiongänge miterlebt. In den letzten Jahen kaum noch. Warum, erübrigt sich. Mein letztes Gruselerlebnis war in Dresden. Fussballfan bin ich geblieben. Aber überwiegend zu Haus – leider. „Maskierte Fans, grölend, laut mal etwas über die Strenge schlagend, mal etwas ausschweifend – damit kann ich gut leben! Aber nicht mit Verbrechern, die sich unter euch mischen und sich so tarnen, um dann alles zu nichte zu machen, was mit Fussball zu tun hat.
Also müssen Massregeln her, damit auch ich wieder Lust habe zu einem Livespiel zu gehen. Auch ich habe ein Recht darauf, auch wenn ich beim Fan-Gesang nicht selbst mitzuwirke. Wenn den friedfertigen Fans daran gelegen ist, sich nicht mit diesen Leuten unter einen Teppich kehren zu lassen, dann hätte man ja bei all diesen Fanprojekten, die es bis in die kleinste Amateurklassen gibt, ja mal eigene Vorschläge unterbreiten können.