Von Florian Schlecht (Text), Anna Lena Grasmück (Fotos), Benjamin Judith und Holger Görgen (Video)
Einen Rückstand gedreht, riesige Chancen vergeben und kurz vor Schluss den bitteren Ausgleich kassiert: Für Eintracht Trier war das 2:2 beim FC Homburg eine gefühlte Niederlage.
Das Waldstadion war ein Tollhaus zu seinem 75. Geburtstag, als Cédric Mimbala den Ball in der 88. Minute zum 2:2 (1:2) für den FC Homburg gegen Eintracht Trier einköpfte. Die Fans auf den Tribünen trauten ihren Augen nicht, in einem fast verloren geglaubten Regionalligaspiel noch einen Zähler entführt zu haben. Für sie war es ein gelungener Geburtstag in ihrem Stadion, das am 14. August 1937 eröffnet wurde und das viele Geschichten erzählen kann. Mit den Zäunen, der maroden Tribüne mit den grünen Sitzen und den engen Pressecontainern mit den Holztischen versprüht es immer noch Nostalgie. 1977 verlor der FC Bayern hier im DFB-Pokal mit 1:3, in den Achtzigern warb Homburg als Bundesligist dort auf dem Trikot für Kondome, der Deutsche Fußball-Bund drohte seinerzeit in einer konservativen Haltung gar mit Punktabzug als strenge Sanktion. Mit dem 2:2 gegen Trier kam nun eine Geschichte dazu, der sicherlich in keiner Chronik des Vereins ein ähnlich großer Platz eingeräumt wird, die aber Trainer Christian Titz ein zufriedenes Lächeln abrang und die das Stadion mit dem Beben beim späten Ausgleich einer kleinen Belastungsprobe unterzog.
Auf der Trierer Seite herrschte hingegen Katzenjammer. Roland Seitz saß minutenlang auf seinem Trainerstuhl, in Gedanken versunken, die Beine übereinander geschlagen. Einige Spieler zog es schnell in die Kabine, wie von einem Magneten angezogen verschwanden sie schnell in den Katakomben und tauchten erst nach strengen Worten ihres Trainers wieder auf, der sie in die Fankurve beorderte. Markus Fuchs, der die Vorentscheidung vergab, lag hingegen untröstlich auf dem Rasen. „Was mir durch den Kopf geht?“, fragte er leise. „Die Chance und der vergebene Sieg.“
„Wir haben zwei Punkte verloren“
Keine Frage, das Unentschieden war für Trier wie eine gefühlte Niederlage. Wie beim 2:2 gegen Mainz II, als ein 2:0-Vorsprung vergeigt wurde, gingen die Spieler enttäuscht vom Platz. „Wir haben hier zwei Punkte verloren“, sagte Innenverteidiger Torge Hollmann. „Wer da heute anderer Meinung ist, hat vom Fußball keine Ahnung.“ Die Eintracht hatte den frühen 1:0-Rückstand durch ein Tor von Alexandre Karapetyan (19.) aufgeholt. Nach einer Phase des Abtastens in diesem Duell der Traditionsvereine vor 1.930 Zuschauern war es ein naiver Treffer, den die Eintracht kassierte, nach einer eigenen Ecke wurde sie wie eine Schülermannschaft ausgekontert. Carsten Lutz bediente mit einem weiten Pass Robin Vogtland, die Trierer rannten verzweifelt hinterher, doch der Außenspieler bediente pfeilschnell Karapetyan, der zur Führung traf. In dieser Situation schaltete die Mannschaft zu langsam um – und wurde bestraft.
Die Reaktion war aber aller Ehren wert. Unbeeindruckt, wütend, spielstark und aggressiv wollten die Seitz-Schützlinge den Rückschlag ausbügeln. Ein Freistoß von Lewerenz rauschte knapp am Tor vorbei, es war ein erstes Warnsignal (21.). Kurz darauf bediente der Flügelspieler mit einer feinen Hereingabe Chhunly Pagenburg, der zum 1:1 traf (23.). Der Angreifer ist in einer phänomenalen Form – und legte nach zwei Doppelpacks in Freiburg und gegen Mainz auch in Homburg seinen zweiten Treffer nach. Dabei deutete er sein Selbstvertrauen an. Zwei Homburger ließ er wie Statisten stehen, zog unhaltbar ab, 1:2, die Fortsetzung der Chhun-Show (30.). Zugleich war es der gerechte Lohn, weil Trier früh störte und die wacklige Heim-Defensive zu haarsträubenden Abspielfehlern zwang. Die Folge: Der wütende Trainer Titz wechselte noch vor der Pause Josue Liotte und Marc Buchmann aus – die Höchststrafe, wie es im Fußball-Jargon unverblümt heißt.
Am Spiel änderte das zunächst wenig. Trier drängte zu Beginn des zweiten Durchgangs auf die Entscheidung, verpasste aber trotz guter Möglichkeiten des eingewechselten Christoph Anton das 1:3 (68., 71.). Auch Markus Fuchs empfahl sich nicht als Joker, als er freistehend vor dem Torwart nur einen halbherzigen Schlenzer versuchte (80.). Zugleich verpasste die Eintracht in der Schlussphase Entlastung, ließ sich bis in den eigenen Strafraum zurück drängen.
Eine Grundsatzdebatte über die Gründe
Das eröffnete eine Grundsatzdebatte, bei der die Meinung über die Gründe für den verschenkten Sieg auseinander gingen. „Wir haben es verpasst, den Sack zuzumachen. Und den Sack brauchen wir momentan“, monierte Hollmann angesichts der vielen vergebenen Möglichkeiten. Anders sah es Chhunly Pagenburg, der frustrierte Doppeltorschütze. „Meine Tore sind mir da egal“, schimpfte er. „Wir sind nicht in der Lage, zu Null zu spielen. Ich weiß nicht, warum das so ist. Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften. Wenn wir das nicht abstellen, haben wir bald Riesenprobleme.“
Die Wahrheit dürfte sich in der Mitte treffen, die verpassten Chancen, die fehlende Entlastung und individuelle Patzer verhinderten den erhofften Sieg. Auch Hollmann, mit Verdacht auf einen Kahnbeinbruch ins Spiel gegangen, sprach von „fehlender Cleverness“. Den Ausgleich bei aller Unordnung mit dem letzten Freistoß nahm er auf seine Kappe. „Ich habe den Ringkampf mit dem Torschützen verloren, das tut mir leid für die Mannschaft.“
Das Jubiläum des Waldstadions war so aus Homburger Sicht gerettet. Genau 75 Jahre nach der offiziellen Eröffnung verpasste es die Eintracht in den letzten Minuten, ein Partyschreck zu sein. Die Mannschaft stieg – fünf Punkte in der Tabelle hin, fünf Punkte her – eher mit dem Bewusstsein in den Bus, dass noch eine Menge Arbeit vor ihr liegt.
Statistik
FC Homburg – Eintracht Trier 2:2 (1:2)
Homburg: Steigerwald – Vogtland, Mimbala, Liotte (44. Baier), Ribeiro Pais – Buchmann (44. Kakoko), Kilian – Tewelde, Lutz – Karapetyan (80. Gerlinger), Parra.
Trier: Lengsfeld – Kröner, Klinger, Hollmann, Zittlau – di Gregorio – Lewerenz, Abelski (88. Dingels), Kuduzovic, Watzka (63. Anton) – Pagenburg (78. Fuchs).
Schiedsrichter: Philipp Schmitt (Rockenhausen).
Tore: 1:0 Karapetyan (19.), 1:1 Pagenburg (23.), 1:2 Pagenburg (30.), 2:2 Mimbala (88.).
Zuschauer: 1.930
Spielszenen und Stimmen im Video
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