Beim 1:0-Heimerfolg am vergangenen Freitag gegen Bayer Leverkusen II wandte sich Roland Seitz in der 4-1-4-1-Aufstellung einer neuen personellen Variante zu, um das System umzusetzen. War das Spiel gegen die Werkself eine Art taktische Generalprobe vor dem vorentscheidenden Meisterschaftsspiel am kommenden Wochenende bei Tabellenführer Sportfreunde Lotte? Oder einfach nur der Schlüssel zum Erfolg gegen Leverkusen? 5vier-Redakteur Andreas Maldener glaubt den Worten des Trainers von Eintracht Trier, der wohl tatsächlich zuerst einmal einen Sieg gegen Leverkusen einfahren wollte. Doch das System könnte auch gegen Lotte zum Erfolg führen.

Wie hier im Spiel bei Bochum II brachte Marc Gouiffé à Gouffan die nötige Aggressivität zurück in die Trierer Defensive.
Im Abschlusstraining am Freitagabend deutete sich bereits an, dass Triers Trainer Roland Seitz einen Plan geschmiedet hat. Statt eines lockeren Spiels zum Ende des Training wurde die Offensivabteilung zum Torschusstraining beordert, während der defensiv ausgerichtete Teil der Mannschaft eine Sonderschicht einlegte: Die angestammte Viererkette (Cozza-Stang-Herzig-Drescher) trainierte den Spielaufbau. Doch anstatt einem defensiven Mittelfeldspieler zu vertrauen, bildeten Jeremy Karikari und Marc Gouiffe à Goufan eine Doppelsechs.
Die Strategie von Seitz wurde nach den Erfahrungen im Training am Freitagabend beim 1:0-Heimerfolg gegen Bayer Leverkusen II prompt in die Tat umgesetzt. Doch statt der zu erwartenden Doppelsechs mit Karikari und Gouiffe à Goufan in einem 4-2-3-1-System, baute der Trierer Cheftrainer auf die eingespielte 4-1-4-1-Formation, bei der er die Positionen wie auf einem Schachbrett leicht verschob. Gouiffe à Goufan übernahm den defensiven Part des Sechsers, Karikari postierte sich als Absicherung davor und sollte zugleich als Unterstützung des Dreier-Mittelfeldes offensive Akzente ins Trierer Spiel bringen, Stürmer Ahmet Kulabas mit Bällen füttern. Die Frage, die sich vielen Zuschauern schnell stellte, ist einleuchtend: War diese Neuorientierung eine Art Generalprobe für das Spitzenspiel am kommenden Wochenende gegen den Tabellenführer Sportfreunde Lotte?
Auf den ersten Blick scheint die Idee hinter dem leicht abgeänderten Spielsystem eindeutig: Mit Jeremy Karikari soll sich ein ballsicherer Spieler als „Verbindungselement“ zwischen dem Defensivriegel und dem Kreativzentrum zwischenschalten. Einer, der auch in brenzligen Situationen die Übersicht behält und den „tödlichen Pass“ spielen kann, gleichzeitig aber auch nach hinten arbeiten kann. Also dorthin, wo Marc Gouiffe à Goufan im Optimalfall als defensiver Mittelfeldspieler robust, aber dennoch technisch versiert gegnerische Angriffe bereits im Keim ersticken und bei Ballgewinnen den öffnenden Pass nach vorne spielen kann. Wenn dann noch die Außenverteidiger sowie die beiden Flügelspieler im Mittelfeld bei gegnerischem Ballbesitz nach hinten rücken, wird der Raum für ein Offensivspiel des Gegners enorm eng. Lange, leicht zu verteidigende Bälle sind oftmals die Folge. „Für mich war es wichtig, mit Marc für mehr Aggressivität zu sorgen“, sagte Seitz nach Spielende. Ein Plan, der aufging.
Unwägbarkeiten kreuzen die Planungen
Dass die taktische Variante aus dem Leverkusen-Spiel jedoch nicht zwangsläufig auch beim Spitzenspiel kommende Woche am Autobahnkreuz in Lotte Anwendung finden wird, zeigen die Unwägbarkeiten, die der Fußball Woche für Woche schreibt. Am Freitagmorgen erreichte die Sportfreunde aus Lotte die Hiobsbotschaft: Stürmer und Top-Torjäger Marcus Fischer zog sich im Achtelfinale des Westfalen-Pokal unter der Woche gegen den Drittligisten Arminia Bielefeld (7:8 nach Elfmeterschießen) einen Riss des vorderen Kreuzbandes zu und wird dem aktuellen Regionalliga-Tabellenführer vermutlich langfristig fehlen. „Das ist sehr bitter für Marcus und unser Team. Fischi war unser Torgarant und hat großen Anteil am bisherigen Erfolg der Sportfreunde. Sein Ausfall trifft uns mehr, als das Aus im Westfalenpokal“, wird Lotte-Trainer Mail Walpurgis auf der Vereinshomepage zitiert. „Wir schauen bei der taktischen Vorbereitung sowieso von Spiel zu Spiel, deswegen ist die schlimme Verletzung von Marcus Fischer für unsere Planungen auch nicht entscheidend“, meint Seitz zum Ausfall des Lotter Schlüsselspielers.
Das Ereignis zeigt, dass langfristige taktische Planungen im Fußball oftmals durch gerade solche Zufälle und Schicksale zerstört werden, man wieder bei der berühmten „Null“ anfangen muss. Trainer Roland Seitz wird sich in der kommenden Woche wohl oft am Reißbrett wiederfinden, wo er sich zusammen mit seinem Co-Trainer Rudi Thömmes durch diverse Scouting-Berichte und Videomaterial wühlen wird, um am Ende womöglich die Erfolgsformel zu finden. Dass dabei auch das 4-1-4-1-System mit einem vorgerückten Karikari und Gouiffe à Goufan als rigorosem Abräumer keinesfalls unter den Tisch fallen wird, ist selbstverständlich. „Gegen Leverkusen war es für uns sehr wichtig, die Spielfeldmitte zuzumachen. Deswegen haben wir uns für die defensivere Variante entschieden“, erklärt Seitz. Denn in den letzten vier Partien (inklusive dem Pokalspiel in Mehring) lief die Eintracht ein ums andere Mal einem 0:1-Rückstand hinterher. Sicherheit ins eigene Spiel bringen war gegen Leverkusen deswegen die Maxime des Abends. Dass durch eine defensivere Grundausrichtung mitunter das Angriffsspiel leiden kann und wie gegen die kleine Werkself ins Stocken gerät, macht dem Trierer Trainer keine Sorgen:“ Ich hätte mir noch einige Offensivaktionen mehr gewünscht, aber die Ausrichtung diente ja dazu, die Null zu halten, und das ist uns gelungen.“
Und so schließt sich der Kreis. Die Kernziele des 4-1-4-1-System lauten: Ballbesitz, Spielkontrolle, Sicherheit, Gegentore verhindern. Ein Ziel bedingt das andere, zusammen genommen ergibt sich eine Strategie. Eine Strategie, die gegen die torgefährlichste Mannschaft der Liga (35 Treffer), die zudem noch die wenigsten Gegentore kassiert (11) hat, durchaus Erfolg bringend daherkommt. An der Aussage des Trierer Trainers, bei der Aufstellung für das Leverkusen-Spiel in keinster Weise an die vorentscheidende Partie am kommenden Samstag in Lotte gedacht zu haben, soll hier auch in keiner Weise gezweifelt werden. Doch der bis auf die durchwachsene Schlussphase kompakte, aggressive und sichere Auftritt gegen Leverkusen könnte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, auch am Autobahnkreuz mit einem ähnlichen System drei wichtige Punkte zu entführen. Das 4-1-4-1-System nach dem Misserfolg in Kaiserslautern als solches komplett umzubauen – etwa zukünftig mit zwei Stürmern spielen zu lassen – wäre ein Fehler. Es könnte gerade diese taktische Änderung sein, nämlich das Verschieben einzelner Spieler wie auf einem Schachbrett, die am Ende den erhofften Erfolg bringen könnte.
gerd meint
klar, fischer ist für lotte eine wichtige größe, aber auch ohne ihn wird es verdammt schwer für unsere eintracht-lotte ist der favorit, ein sieg wäre eine tolle weihnachtsüberraschung