Die Zündschnur kurz – dass sportliche Fass voll, kämpft die hiesige Fitnessbranche derzeit ums blanke Überleben. Der Ruf nach Öffnungen wird lauter – die Hufen scharren, stehen Sportbegeisterte, gesundheitlich Angeschlagene ob jung oder alt, aktuell vor verschlossenen Türen.
Knapp sieben Monate Lockdown für Fitnessstudios und Co. – verzweifeln nicht nur Mitglieder, sondern auch die Angestellten. Das Unverständnis Richtung Politik wächst, die Blicke werden spitzer, wird dieser Branche, die für ein gesundes und ausgewogenes Leben steht, die Arbeit an allen Ecken verweigert.
Die guten und ausgereiften Hygienekonzepte stehen – finden allerdings auf Landes- und Bundesebene kein Gehör. Wenigstens Teile der Hilfsgelder fließen – wenn auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wird die Fitnesswelt finanziell noch lange an dieser Krise nagen.
Auch in Trier – wo diverse Studios fürs kollektive Schwitzen werben, stehen die Hanteln und Laufbänder still. Ein Armutszeugnis seitens der Politik, die diese Branche wohl als unwichtig einstuft.
Fitnessbranche hat kein Verständnis
„Man versteht es einfach nicht, wieso gerade wir – und da spreche ich für alle Clubs, aktuell noch geschlossen haben. Wir haben richtig gute Hygienekonzepte ausgearbeitet, können die direkte Kontaktnachverfolgung gewährleisten und können selbst beim Training genügend Abstand und die nötige Hygiene sicherstellen. Leider sieht uns die Politik derweil noch als Problem. In meinen Augen komplett unverständlich. Wir tun alles um sämtliche Auflagen zu erfüllen, stehen zudem für ein gesundes Leben und dürfen einfach nicht öffnen“, beklagt Luxfit-Studiobesitzer Sebastian Backes das aktuelle Problem, der neben einem Studio auf dem Trierer Petrisberg, weitere Trainingsmöglichkeiten im benachbarten Luxemburg anbietet.
Auch mehr Gehör bei der politischen Obrigkeit erhofft sich Antonio Vicente, Geschäftsführer des Fitnessstudio THE.BOXX. Zuhause im Trierer Süden vermisst auch Vicente sein Stammpublikum. Nicht nur aufgrund der schweißtreibenden Einheiten, viel mehr auch wegen den netten Gesprächen. „Man bekommt ja gar nichts mehr mit“, beklagt Antonio mit einem grinsenden Blick, dem das Lachen aber dann schnell wieder mit Fokus auf Corona wegschmilzt. Auch seine Situation ist ernst und alles andere als rosig. Wachsende Kosten, ungewisse Zukunft und keinerlei Perspektiven seitens der Politik, wie er weiter ausführt:
„Ich bin einfach fassungslos das wir seit nun mehr als sieben Monaten komplett alleine gelassen werden. Das nervt nicht nur mich und meine Mitarbeiter, sondern viel mehr auch unsere Mitglieder. Einige Kündigungen blieben nicht aus, viele Mitglieder zeigen aber auch Verständnis in solch einer schwierigen Zeit. Bei uns ist man sicher, leider verstehen es die Politiker nicht. Unsere Hygienekonzepte stehen, jetzt müssten wir nur noch grünes Licht bekommen.“
„Menschen sind verzweifelt“
Nach einem grünen Licht sehnt sich auch Sascha Syré, Geschäftsführer und Studiobetreiber von éfit_training. Im Herzen von Trier zuhause – genauer gesagt im Posthof am Trierer Kornmarkt, führt Sascha Syré sein Studio. Kein typisches Fitnessstudio – viel mehr ein Ort der Gesundheit, Regeneration und Kräftigung. Bei ihm sind viele Mitglieder aus gesundheitlichen Gründen aktiv. Schmerzhafte Rückenprobleme, falsche Haltung dank Beruf und Co. – oder sonstige körperliche Einschränkungen, meist auch dem Alter geschuldet. Syré verfügt über genügend Know-How um gerade diese Bereiche professionell abzudecken. Auch für ihn ein Unding, wieso gerade diese Branche keinerlei Gehör für eine sichere Öffnung findet.
„Ich sehe unser Studio nicht als Fitnessstudio so wie man es kennt. Zu uns kommen überwiegend Menschen, die körperliche Probleme mit sich tragen. Wir helfen durch bestimmte Übungen, geben gute Tipps, oder dienen oftmals auch nur als seelischen Gesprächspartner. All das fällt momentan weg. Wir erhalten viele Anrufe von Menschen die schon richtig verzweifelt sind. Nicht weil ihre Muskeln schrumpfen, sondern weil sie Schmerzen haben und diesbezüglich nichts tun können. Es ist traurig in solch einer Phase gerade diesen Menschen nicht helfen zu können. Wir sind keine Gefahr, sondern gesundheitlich eine wichtige Stütze, die nicht nur bessert, sondern auch vorbeugt und kräftigt und das im gesamten Körper einschließlich Immunsystem.“
Fitnessbranche vereint sich: Open-Air-Training auf dem Trierer Petrisberg
Das sportliche Trio rief nun mit vereinten Kräften eine gemeinsame Aktion ins Leben. Ein kostenloses Open-Air-Training auf dem Trierer Petrisberg mit genügend Abstand und unter den geltenden Hygieneregeln – konnten sich hier in der vergangenen Woche Sportbegeisterte nicht nur austoben, sondern auch Tipps und Ratschläge einholen, was sie bei welcher Übung besser machen können. Die fehlenden Eröffnungsperspektiven in Rheinland-Pfalz und das Wissen um die Bedeutung zielgerichteter und professioneller sportlicher Aktivitäten waren letztendlich der Auslöser, gemeinsam ein kostenloses Trainingsangebot für alle Triererinnen und Trierer zu schaffen.
Dafür stellten die Studiobetreiber ihr Equipment samt Trainer*innen zur Verfügung. Die Erstauflage fand vor einer Woche stand. Vier Tage lang schwitzen auf saftigem Grün unweit des Turm-Luxemburg entfernt, bot man den Teilnehmer*innen ein breites Angebot verschiedener Trainingsformen zwischen Crossfit, Functional Training und Rückentraining.
Das Feedback positiv – die Resonanz groß, blickt Luxfit-Betreiber Sebastian Backes, der die Organisation in seine Verantwortung schraubte, zufrieden auf diese Veranstaltung zurück. „Ich kam auf die Idee und habe die anderen zwei angesprochen, weil wir einfach keinerlei Öffnungsperspektiven haben. Wir haben hochwertiges Equipment, Personal teilweise in Kurzarbeit, sodass wir uns schnell für solch eine Veranstaltung ausgesprochen haben. Unterm Strich kamen diese Open-Air-Trainings-Tage auch sehr gut bei unseren Teilnehmer*innen an. Wir waren praktisch an allen Tagen ausgebucht und erhielten auch viel Lob und aufmunternde Worte. Die Menschen wollen wieder trainieren und hier haben diese nun die Möglichkeit sich an diversen Stationen unter Aufsicht von qualifizierten Trainer*innen selbst zu testen.“
5vier-Selbsttest erfolgt
Jede Station bietet ein 30-minütiges 1zu1-Training an. Unter der Aufsicht und Anleitung der Trainer*innen kann man schließlich an seine eigene persönliche Grenze gehen. Schwitzen für ein gutes und gesundes Gefühl – hier durchaus möglich, wie auch ich selbst am eigenen Leib erfahren durfte.
Gerade beim Rücken werden bei mir Rufe nach Schmerzen lauter. Mein eigenes Alter schreibt zwar erst Mitte 30, doch beruflich gesehen ist die Belastung des Rückens schwer und unvermeidbar. Diverse Dehn- und Streckübungen habe ich auf die Probe gestellt. In meinen Augen eine richtige Folterbank, die aber nicht nur gut tut, sondern auch lösen und befreien kann. Sportlich hingegen stehe ich voll im Saft und das auch trotz geschlossenen Studios – HomeGym sei Dank. Im Gespräch mit den drei Studiobetreiber wurde mir deutlich, wie man im Einklang für eine schnelle Öffnung plädiert. Auch bei mir macht sich Unverständnis breit, wie solch eine Branche, die für ein gesundes Leben steht, keinerlei Chance erhält, sich für eine sichere Öffnung zu bewähren. Stattdessen bleiben die Türen verschlossen.
Finanzielle Zukunft von vielen Studios ungewiss
„Keiner weiß wie lange man so etwas durchhält. Kleinere Studios, die es auch noch nicht lange auf dem Markt gibt, werden schon größere Probleme wecken“, ist sich Sebastian Backes sicher, der aber auch schon vor Corona ein relativ sicheres Konzept für sein Studio entwickelt hat, wie er weiter ausführt: „Wir im Luxfit haben auch schon vor der Pandemie mit Voranmeldungen agiert. Das Personal-Training wird bei uns ebenfalls großgeschrieben, sodass wir auch in Zeiten der Pandemie gut aufgestellt sind. Wir könnten ein vorangemeldetes 1zu1-Training gewährleisten – mit genügend Abstand, Maske und den geltenden Hygieneregeln. Leider sieht es die Politik anders.“
Hoffnung hat er jedoch was die Zeit nach Corona betrifft. Einen anderen Stellenwert seiner Branche wäre wünschenswert, wie der Geschäftsführer von Luxfit weiter ausführt: „Wir sind nicht das Problem, sondern die Lösung des Problems. Ich erhoffe mir nach der Pandemie ein Umdenken. Die Fitnessbranche ist enorm wichtig für die Gesundheit und für das Wohlbefinden. Von daher wäre es schön, wenn unsere Branche in solchen Zeiten anders eingestuft sein würde. Wir können SICHER und würden dies auch sehr gerne unter Beweis stellen.“
Der Kampf geht weiter…
Doch der Kampf gegen Windmühlen ist lästig und stößt politisch auf taube Ohren. Die Zeit noch ungewiss, wie lange diese strickte Schließung dieser Branche noch anhält. Kopfschütteln auf der einen Seite – bedingungsloses Absitzen auf der anderen. „Man weiß ja schon gar nicht mehr was man mit seiner Zeit anfangen soll“, beklagt Antonio Vicente weiter, der ähnlich wie seine Kollegen den Tag herbeisehnt, an dem man wieder unbeschwert seine Gesundheit fördern kann, mit Abstand, Hygiene und falls notwenig, auch mit einem negativen Corona-Schnelltest.
„Wir können alles aufbieten was von uns verlangt wird. Unsere Mitglieder sind bereit und wir sind es schon lange. Wir wollen einfach nur öffnen“, fügt Vicente hinzu, der in seinem Studio THE.BOXX einfach alles vermisst, wie er folgend erklärt: „Nicht nur das Training fehlt, sondern auch die sozialen Kontakte, die nicht nur den Mitgliedern gut tun, sondern auch uns. Die Zeit des Vermissen wird größer, dass merkt man jeden Tag aufs Neue.“
Zweite Open-Air-Trainings-Auflage wird folgen
Somit bleibt das Warten auf bessere Zeiten weiterhin das Gebot der Stunde. Verzweifeln wäre der falsche Weg. Vielmehr gilt es den Zusammenerhalt zu schnüren, wie Sebastian Backes bekräftigt: „In solchen Zeiten merkt man, wie wichtig das Wir-Gefühl und der Zusammenerhalt ist. Auch unter uns Studiobetreibern ging ein richtiger Ruck durch die Reihen. Man tauscht sich aus, sieht sich weniger als Konkurrenz und hilft sich gegenseitig. Das ist in meinen Augen enorm wichtig und auch der richtige Weg.“
Zumindest für das Trio von Luxfit, THE.BOXX und éfit_training ist klar – eine zweite Auflage des Open-Air-Trainings auf dem Trierer Petrisberg wird es geben, wie Backes abschließend unterstreicht: „Wir hatten so eine gute und positive Resonanz – sodass wir uns schnell dazu entschieden haben, eine zweite Auflage ins Auge zu fassen. Zeitnah, größer und mit mehr Stationen. Den Platz hier oben auf dem Trierer Petrisberg haben wir, sodass wir auch den geltenden Abstand locker einhalten können. Nicht nur für unsere Mitglieder, sondern für alle und das völlig kostenlos. Wir freuen uns jetzt schon alle sehr.“
Eine vergessene und politisch unerwünschte Branche – die seit nun mehr als sieben Monate ihre Pforten geschlossen hat. Gleichbleibende Kosten, nur zum Teil deckende Hilfsgelder und ein nicht ausbleibender Mitgliederschwund. Die Fitnessbranche hofft auf eine baldige Öffnung – für Körper und Gesundheit, für ein ausgewogenes Leben und für ein kraftvolles Immunsystem. Die Argumente dafür überwiegen – dass politische Problem somit wertlos, ist diese Branche nicht nur gesundheitlich fördernd, sondern in einer gewissen Art und Weise, gerade in Zeiten einer Pandemie, auch systemrelevant.
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