Die Entscheidung in Sachen Brexit ist gefallen: Großbritannien sagt Good Bye. So zumindest wollen es die Wähler. Oder zumindest die Mehrheit derer. Oder?
Am Dienstagabend war das Wahlergebnis vom letzten Donnerstag schon längst Geschichte, doch die damit verbundene Endgültigkeit zieht sich in die Länge. Grund genug für viele Briten noch einmal gegen das scheinbar Unabwendbare zu kämpfen. 50.000 sollten ein weiteres Mal gegen den Brexit (also: für den Verbleib in der EU) demonstrieren, doch die Demo wurde aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt. Einige (wenige) Hundert kamen dennoch, auch wenn es in Strömen regnete. Im Regen stehen – ein Gefühl, welches einem Großteil des britischen Volkes derzeit eint.
51,9% der Wahlberechtigten (17,4 Mio. Einwohner) stimmten für einen Austritt aus der EU. 48,1% (16,1 Mio. Einwohner) dagegen. Eine absolute Mehrheit, obwohl insbesondere Schottland und Nordirland mehrheitlich gegen den Brexit stimmten. Da deren Einwohnerzahlen im Vergleich zu England jedoch weitaus geringer sind, ist deren Stimmgewicht jedoch entsprechend kleiner. Schotten und Nordiren müssen also – gegen ihren eigenen Willen – mit England an einem Strang ziehen, das wissen wir schon. Aber ist das überhaupt fair?
Auf jeden Fall ist eine immense Kontroverse, die jetzt geführt wird. Auch gesellschaftlich: Die Jüngeren (welche mehrheitlich gegen den Brexit waren) fühlen sich von den Älteren um ihre Zukunft betrogen. Die tendenziell weniger gut Ausgebildeten (welche mehrheitlich den Brexit befürworteten) glauben dem sog. Establishment eins ausgewischt zu haben. Die tendenziell besser Verdienenden (welche mehrheitlich gegen den Brexit waren) haben verloren. Unzufriedenheit mit dem Ergebnis macht sich breit – mittlerweile wird sogar wieder über einen Wahl-Führerschein diskutiert.
Aber die Frage ist doch vielmehr, ob eine Entscheidung von solcher Tragweite überhaupt auf das Volk übertragen werden darf. Direkte Demokratie – schön und gut. Aber „EU“, dieses abstrakte Wesen, welches sich meist in scheinbar unsinnigen Verordnungen äußert, das ist für die Meisten so weit weg, dass der einzige Weg dorthin über Vorurteile führt (Stichwort: Negativ-Verzerrungen). Ist es da nicht sinnvoller auf das Urteil der – selbstgewählten – Volksvertreter zu vertrauen?
Und wenn man schon ein solches Referendum macht, sind 51,9% wirklich die Mehrheit? Muss in solchen Fragen nicht eine eindeutigere Mehrheit für oder gegen ein bestimmtes Ergebnis sein? Müsste man nicht einen anderen Modus wählen? Einer, der die Länderinteressen gegeneinander aufwiegt? Ist das schottische Votum tatsächlich mehr oder weniger wert als das Englische oder das Walisische?
Bei einer solchen Betrachtung stünde es nämlich 50:50 – Schottland und Nordirland gegen Brexit, Wales und England für Brexit. Und wer entscheidet dann? Ein Schiedsgericht? Die Queen? Oder sollte man „Volkeswille“ einfach akzeptieren?
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