Am Freitagabend fand im Modehaus Marx eine Weinprobe für Frauen statt. Sommelière Esther Scheidweiler entführte die Damen auf eine Entdeckungsreise aus fachlichem Wissen über Wein und emotionaler Betrachtungsweise.
Eine Weinprobe in einem riesigen Kaufhaus inmitten von Mode, Accessoires und gut gekleideten Schaufensterpuppen – passt das zusammen? Aber ja, sagt Esther Scheidweiler. Denn Mode und Wein sind leidenschaftlich und sinnlich. Der Kauf eines modischen Kleidungsstückes passiere eher selten, weil es wirklich benötigt wird, sondern vielmehr weil es gefällt. Ebenso verhält es sich mit dem Wein – er wird getrunken weil er schmeckt. Aus diesem Grund biete das Modehaus den passenden Rahmen für diese Weinprobe nur für Frauen.
Vierzehn Frauen sind gekommen, um von Esther Scheidweiler zu lernen. Hund Emma ist auch dabei, findet die Weine aber eher uninteressant und schläft friedlich unter dem Tisch. Die Tische sind ansprechend gedeckt, zum Wein gibt es Brot und köstlich belegte Bagels. Um uns herum stehen Kleiderständer und die eine oder andere Schaufensterpuppe. Es gibt viele Gründe, warum die Frauen an der Weinprobe teilnehmen. Der karitative Zweck ist dabei einer von vielen. Dem Trierer Frauennotruf kommen die Eintrittskosten zugute, wie Veranstalterin Karin Kaltenkirchen in ihrer Begrüßung erklärt. Janne Graf aus Trier findet es zudem sehr spannend, eine Weinprobe nur für Frauen mitzuerleben. Es ist ihre erste Weinprobe, und sie freut sich darauf, in einem ruhigen Ambiente zu lernen, wie Wein fachlich verkostet wird. Doch auch die Aussicht neue Weine und Winzer kennen zu lernen, die im Anschluss den eigenen Keller bereichern könnten, lockt die Teilnehmerinnen ins Modehaus. Teilnehmerin Caroline Rass aus Trier freut sich sehr darüber, neues Wissen über die Weine der Region zu erlangen.
Komplexe Sinneseindrücke in Worte fassen
Zu Beginn der Probe reicht Esther Scheidweiler einen Weißburgunder-Sekt. Sie regt an, den Sekt in einem ersten Schritt vor dem Trinken optisch genau unter die Lupe zu nehmen. Unter der fachlichen Anweisung der Sommelière begutachten die Frauen die kleinen und sehr feinen Bläschen, die im Glas emporsteigen: ein Qualitätsmerkmal für einen hervorragenden Sekt. Der zweite Schritt ist das Riechen der Aromen. Esther Scheidweiler rät, vorher die Augen zu schließen. Wird einer unserer fünf Sinne „ausgeschaltet“, verstärken sich die anderen, so die Sommelière. In der Tat – feine Aromen von Apfel, Birne und Wiesenblumen strömen auf uns ein. Erst als dritter Schritt wird der Sekt gekostet – wieder mit geschlossenen Augen. Stürmische und doch samtige Perlen blubbern auf meiner Zunge, dazu der Geschmack des Weißburgunders. Die Frauen werden dazu animiert, ihre Eindrücke zu beschreiben. Nicht jeder fällt es auf Anhieb leicht, die Geschmackserlebnisse zu erklären. Doch dies kann gelernt werden, sagt Esther Scheidweiler. Sensorik ist zum einen eine genetisch angelegte Begabung, zum anderen aber auch Training. Wie Sekt hergestellt wird, erfahren die interessierten Frauen ebenfalls an diesem Abend.
Kulinarische Reise durch die Region
Insgesamt werden neben dem Sekt sieben Rieslingweine verkostet. Doch wer glaubt, sieben mal Riesling sei langweilig, hat weit gefehlt! Wir tasten uns vor von trocken bis lieblich und erleben, dass jeder Winzer durch seine persönliche Leidenschaft und Qualitätsansprüche den Wein zu dem werden lässt, was wir später im Glas schmecken. Und das ist bei jedem Wein anders. Lage und Boden haben Einfluss auf den Wein. Esther Scheidweiler erklärt den oft gehörten Fachbegriff Terroir: „Wenn ich genau diesen einen bestimmten Weinberg im Wein wieder erkenne, dann ist es ein Terroir-Wein“. Hinzu kommt die Arbeit des Winzers, der den Weinberg bewirtschaftet und aus den Trauben im Anschluss genau diesen Wein werden lässt. Es sind vielfältige Einflüsse, die einen Wein am Ende ausmachen. Wir reisen durch die Weine vier regionaler Weingüter: Weingut Heinz Schneider (Leiwen), Weingut Jutta Fassian (Mehring), Weingut Römerhof (Riol) und Weingut St. Nikolaushospital/Cusanus Hofgut (Bernkastel-Kues). Jeder der sieben Weine wird auf die gleiche Weise verkostet: anschauen, riechen, schmecken. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich eine Rebsorte sein kann. Doch auch der gleiche Wein kann verschiedene Eindrücke hinterlassen: Das Aroma frisch nach dem Einschenken des Weines (erste Nase), nach dem Schwenken des Glases (zweite Nase) und nachdem der Wein ein Weilchen im Glas „geatmet“ hat (dritte Nase). Entwickelt sich der Wein in diesen drei Schritten, hat er Potenzial, sagt Esther Scheidweiler.
„Dieser Wein ist wie meine Mutter: eine reife Frau mit trotzdem jugendlicher Leichtigkeit“
Sensorik will gelernt sein. Es ist nicht einfach auszudrücken, was gerade im Glas wahrgenommen wurde. Dennoch werden die Frauen nach anfänglichem Zögern immer munterer, lebendige Diskussionen über den Wein entstehen. Die Atmosphäre ist entspannt und die Teilnehmerinnen sind sehr interessiert. Esther Scheidweiler versteht es, sie mitzureißen und von der Freude an der Sensorik zu überzeugen. „Dieser Wein ist eine Frau, die entdeckt werden will!“ und „Aromen von Sternfrucht, Quitte und grüner Apfel“ sind nur einige Geschmackseindrücke, die an diesem Abend entstehen. Eine spannende Mischung aus objektiver und emotionaler Betrachtungsweise. So macht Sensorik Spaß.
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