Steinzeitmenschen, Christopher Columbus und Aliens. Klingt nach einem fünften Teil von Indiana Jones ist aber in der Tat der Inhalt der neuen Oper „The Voyage“ im Theater Trier. Wie passt das zusammen? 5vier-Redakteurin Stefanie Braun weiß die Antwort.
Nun, das kann man sich zu Recht fragen, denn rein geschichtlich liegen zwischen der ersten und der letzten Szene mehrere tausend Jahre und der mittlere Teil, der sich um die letzten Tage von Columbus‘ Reise dreht, will so gar nicht zu Anfang und Ende passen. Verbindend wirkt das übergeordnete Thema: Entdeckungen.
Philipp Glass, ein Name den man sonst eher mit Filmmusik zu verbinden weiß (siehe ‚Truman Show‘) bekam den Auftrag für diese Oper von der Metropolitan Opera New York zum 500ten Jahrestag der Entdeckung Amerikas. Er verband die Geschichte von Ausserirdischen, die zur Eiszeit auf unserem Planeten bruchlandeten, mit den Erinnerungen eines Columbus, der von Zweifeln zerfressen ist sowie dem Aufbruch der Erdenbewohner zu dem Heimatplaneten der schiffbrüchigen Aliens unter dem „Konzept der Entdeckungen“. Warum verlassen Menschen die ihnen bekannte Welt? Gleich einen ganzen Planeten? Warum sticht Columbus in See, wenn er sich nicht sicher sein kann überhaupt etwas zu finden?
Diesen Fragen will „The Voyage“ nachgehen. Dabei kann der erste Akt vor allem durch zwei Adjektive beschrieben werden kann: sperrig und abgespaced. Sperrig, da das Spiel gerade der gestrandeten Aliens in ihrer schwierigen Lage im ersten Moment fremd und etwas schwerfällig wirkt. Und abgespaced nicht nur wegen der grünen, leuchtenden Kostüme, die anfangs klischeehaft wirken, sondern vor allem wegen dem Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten mit der ungewöhnlichen Musik Glass‘.
Das Glass in der Filmmusikbranche tätig ist merkt man bei „The Voyage“ vor allem daran, dass die Musik als solche bloß im Hintergrund fungiert; es ist eine Stimmung, die durch die Töne vermittelt werden soll. Dies wird noch dadurch bestätigt, dass es kaum möglich ist zwischen den einzelnen Sequenzen einen richtigen Unterschied heraus zu hören. Allerdings kann man einen Unterschied zwischen den einzelnen Stimmungen sehr wohl bemerken. Da die Musik sehr eingängig ist, hat man nach über zwei Stunden erstens garantiert einen Ohrwurm und zweitens passt sie perfekt in den Hintergrund, sodass das Augenmerk auf dem Geschehen auf der Bühne liegen kann.
Das muss es allerdings auch, denn nach einer gewissen Zeit kann die musikalische Untermalung als solche ziemlich dröge werden.
Regisseurin Birgit Scherzer, die eigentlich in der Choreographie beheimatet ist, inszenierte „The Voyage“ auf eine Weise, die eher an ein Tanztheater mit gesanglichem Einfluss erinnert. Das Ballettensemble trägt einen großen Anteil an der Inszenierung und auch die Bewegungen der Sänger sind genau auf die Musik abgestimmt, sodass diese eine sonderbare Symbiose eingehen. Zwar immer stimmig, doch teilweise langatmiger und schwerfälliger als sie sein müssten. Stellenweise ist das Abrutschen ins Langweilige in greifbarer Nähe und doch ist es gerade diese durchgängige Symbiose, die fesselt. Muss sie auch, denn die Handlung als solche ist bereits nach wenigen Sätzen komplett erzählt.
Es ist schwierig die Leistungen der einzelnen Sänger herauszustellen, denn auch diese verschmelzen mit der durchgängig gehaltenen Grundstimmung; Sonderstellungen haben nur wenige. Claudia Denise Beck beispielsweise als Königin Isabella, die dem zweifelnden Columbus als leuchtende Vision erscheint oder Joana Caspar als Commander, die mit ihrem Schicksal sich auf einem fremden, primitiven Planeten einleben zu müssen, hadert. Auch der Part des verzweifelten Columbus, der von Alexander Trauth oder László Lukács gefüllt wird, kann sich aus dem symbiotischen Gewebe von Musik und Bewegungen heraus spielen. Insgesamt ist es jedoch kaum möglich oder nötig besagte Symbiose zu verlassen, denn die fast sphärische Musik Glass‘ trägt stets die gewünschte Stimmung mit sich und die beinahe hypnotischen Bewegungen von Tänzern und Sängern fügen sich darin ein ohne unnötige Brüche hervor zu rufen. Das wandelbare Bühnenbild, von Knut Hetzer und die bunten, leuchtenden, aber teils klischeehaften und sonderlich anmutenden Kostüme von Alexandra Bentele tun da ihr übriges.
Insgesamt fällt es schwer den Abend zu bewerten – zeichnet er sich doch vor allem durch sein aussergewöhnliches Konzept und seine fremd anmutende, doch sehr eingängige Musik aus. Die Leistungen der Sänger sind beachtlich, doch so verwebt mit Musik und Bewegung, dass sie sich kaum einzeln betrachten lassen. Gerade durch dieses Wagnis, Neues und Andersartiges auf die Bühne zu bringen, ist „The Voyage“ gelungen. Wer also offen für Neues ist und neugierig die deutsche Erstaufführung eines Stückes zu sehen kann sich an „The Voyage“ versuchen.
Allerdings sind sowohl die Musik, als auch die Kostüme und die darstellerischen Leistungen im ersten Moment befremdlich und sorgen für reichlich Verwirrung. Wer mit diesen ersten Minuten des Kennenlernens leben kann, vor allem um sich auf die besondere Musik und das ungewöhnliche Spiel einzulassen, dem wird dieser Abend noch länger im Gedächtnis bleiben. Die sphärische Musik und die hypnotischen Bewegungen können sogar eine entspannende Wirkung haben, wenn man sich denn auf sie einzulassen vermag.
Wer sich nicht auf die fremde, neuartige Inszenierung einschwingen kann, wird wohl an dieser Produktion kaum Freude haben. Trotzdem lohnt ein Besuch für diejenigen, die sich gerne mit Neuem beschäftigen und mal eine gänzlich andere Oper betrachten möchten.
Schreibe einen Kommentar