Von Florian Schlecht
Er hat mit Salmrohr den Sprung in die 2. Bundesliga geschafft, lockte Jürgen Klopp zu Mainz 05 – und durchschaute die Taktik von Werder Bremen nach 20 Minuten: Robert Jung hat 50 Jahre im Fußball-Geschäft gearbeitet. Zwei Wochen nach seinem Rücktritt beim SV Mehring bleibt er bei seiner Aussage, dass er seine Trainerkarriere beenden möchte. „Es sieht so aus, dass Schluss ist. Aber keine Sorge, ich werde dem Fußball weiterhin erhalten bleiben“, lacht der 68-Jährige gut gelaunt. 5vier sprach mit Jung über einige Geschichten, und Erfolge aus der Vergangenheit. Und darüber, wie er den Höhenflug in Mehring beurteilt.
Das Leben nach dem Fußball sieht für Robert Jung nicht nur so aus, dass er mit seiner Frau momentan einen Urlaub plant, sich um den Garten kümmert und die Haustiere umsorgt. „Natürlich gibt es Fußball, Fußball, Fußball“, lacht er über seine größte Leidenschaft, die ihn auch zwei Wochen nach dem Rücktritt beim SV Mehring für einige Stunden am Tag fesselt. Am Mittwoch war Jung beim Offenen Kanal in Pirmasens, wo er als TV-Experte für eine Sportsendung arbeitet. Egal, ob Oberliga oder Champions League. „Ich muss zu allen Dingen etwas sagen.“ Dann rief Peter Rubeck vom SVN Zweibrücken an, um über das anstehende Pokalspiel zu sprechen. Dazu wollte Jung noch Dino Toppmöller anklingeln, um ihm zum 1:0-Sieg bei der SV Elversberg II zu gratulieren. Am Abend war sein Vorhaben, nach Hauenstein fahren, weil dort der FK Pirmasens zu Gast ist. Und später stand im Fernsehen der Auftritt von Borussia Dortmund beim FC Malaga auf dem Pflichtprogramm. „Ich werde dem Fußball weiter erhalten bleiben“, lächelt der 68-Jährige. „Nur in anderer Art und Weise.“
Denn die Trainerlaufbahn will Jung weiterhin an den Nagel hängen. „Ich denke schon, dass Schluss ist“, betont er, dass seine Rückzugsgedanken nach dem Aus in Mehring vor zwei Wochen nicht nur dem ersten Frust entsprangen. „Irgendwann muss man mal aufhören. Und ich war immer Vorbild für viele Trainer, die sich auch mal Tipps holen. Das will ich weiterhin sein.“ Für Jung haben sich die Zeiten geändert im Fußball-Geschäft, in dem er sich seit 50 Jahren bewegt. „Es wird immer schwerer, eine Mannschaft zu formen. Viele Scouts holen schon aus den unteren Ligen gute Spieler weg. Früher konnte man in der A-Klasse noch Leute finden, die drei Monate später in der Südwest-Auswahl und vielleicht irgendwann sogar in der Bundesliga gespielt haben“, ist für ein gewisser Reiz verloren gegangen. Wenn Jung seine Ankündigung tatsächlich wahrmachen sollte, wäre es das Ende einer großen Trainerkarriere. Eine, in der er von vielen Geschichten, Erfolgen und Anekdoten erzählen kann.
Über eine Radio-Nachricht in die Aufstiegsrunde
Mit Pirmasens, wo er als Spieler und Kapitän auf 250 Einsätze kam, wurde er in der seinerzeit drittklassigen Oberliga Südwest gleich mehrfach Vizemeister als Trainer. 1986 gelang ihm mit dem FSV Salmrohr der sensationelle Aufstieg in die 2. Bundesliga. Und das über Umwege, wie Jung sich erinnert. „Wir waren lange Zeit Tabellenführer. Zwei Spieltage vor Schluss haben wir mit 1:5 gegen Ludwigshafen verloren, wodurch Worms an uns vorbeizog und Meister wurde.“ Die Enttäuschung währte aber nur kurz im Dorf. „Heiner Ueberle, der Trainer von Worms, rief mich vor Beginn der Aufstiegsrunde noch an, weil ich alle Gegner beobachtet hatte und er Informationen brauchte. Er fuhr nach dem Gespräch mit dem Auto los, um sich noch den SSV Ulm anzuschauen. Auf dem Weg dorthin hörte er im Radio, dass Worms gar nicht an der Runde teilnehmen wird.“
Bei Jung klingelte dagegen das Telefon mit einer frohen Nachricht. Präsident Peter Rauen war am Apparat. „Er sagte mir, dass wir als Zweiter doch um den Aufstieg spielen dürfen.“ Der Grund: Wormatia Worms habe erst gar keine Lizenz beantragt. „Wir lagen in der Tabelle schon acht Punkte vor ihnen, als die Bewerbungen abgegeben wurden. Da sahen sie keine Chance mehr auf die Meisterschaft.“ Salmrohr nutzte die Gunst der Stunde, um sich gegen Kickers Offenbach, 1860 München und Ulm durchzusetzen. „Wir haben ganz plötzlich die Chance bekommen und so ohne Druck gespielt. Und das, obwohl Eintracht Trier noch Protest einlegte. Sie waren Dritter und hatten die gleiche Tordifferenz wie wir. Nur wir haben damals ein Tor mehr geschossen. Das zählte.“
Warum Jung sich für einen Transfer von Klopp stark machte
Erfolge feierte Jung ebenso mit Mainz 05. Zwar konnte er dort nach seinem Amtsantritt im Februar 1989 nicht den Abstieg in die Oberliga verhindern. Welche Lehren der Trainerfuchs daraus zog, verdeutlicht, wie Zufälle den Verlauf der (Fußball-)Welt manchmal verändern können. „Wir haben damals bei Schalke 04 gespielt, wo noch Ingo Anderbrügge und Mike Büskens spielten. Zur 43. Minute stand es 0:0, nach 47 Minuten 4:0, weil wir zwei Tore nach Elfmetern und zwei Tore nach Ecken bekommen haben. Danach habe ich gesagt, dass wir auch große, kopfballstarke Spieler in der Mannschaft brauchen.“ So lockte Jung ein Talent von Rot-Weiss Frankfurt von 1,91 Metern an den Bruchweg: Jürgen Klopp, der später in Mainz als Trainer durchstartete.
Zuvor war Jung der Wiederaufstieg gelungen. „Wir haben 33 Spiele in Folge nicht verloren. Das ist immer noch Vereinsrekord. Erst am letzten Spieltag gab es die erste Niederlage“, lächelt er. Wohlwissend, dass er damals unter einem enormen Druck stand. Denn Präsident Harald Strutz, mit dem er sich noch heute duzt, habe ihm damals offenbart: „Wenn wir nicht aufsteigen, gehen am Bruchweg die Lichter aus.“
„Der Fußball hat mir viel gegeben“
Gerne denkt Jung auch an das Weiterkommen im DFB-Pokal mit dem FK Pirmasens gegen Werder Bremen im Jahr 2006. Mit dem Vorstand flog er damals nach Bremen, um das Bundesligaspiel gegen Leverkusen zu beobachten. „Wir saßen im Stadion, und nach 20 Minuten sagte ich: ‚Ich habe das Konzept.‘ Der Vorstand wollte mir nicht glauben. Als ich auf dem Rückflug die Taktik erklärt habe, hat sie keiner verstanden.“ Offensichtlich ging das auch Werder-Trainer Thomas Schaaf so, als seine Mannschaft kein Mittel in Pirmasens fand. „Wir haben mit drei Sechsern gespielt, um die Wirkungskreise von Diego einzuschränken. Pierre Womé durfte man nicht flanken lassen. Und meinen Stürmer Sebastian Reich habe ich als Linksverteidiger aufgestellt, weil er kopfballstark war. Er hat immer aufgepasst, wenn Miroslav Klose von der rechten Seite in den Strafraum zog.“ In einem Interview mit dem Magazin „11Freunde“ konnte Jung seine Ideen danach erläutern.
Weniger erfolgreich waren hingegen die Monate beim SV Mehring. „Wir hatten mit Handicaps zu kämpfen, viele Spieler waren verletzt. Jetzt ist der Kader langsam komplett, ich habe eine top fitte Mannschaft übergeben, Dino hat am Selbstvertrauen gearbeitet – und durch den Sieg gegen Neunkirchen fiel eine Menge Druck ab“, meint Jung. Den Weg des Oberligisten verfolgt er weiter und drückt bei den Spielen die Daumen. „Ich freue mich über die Ergebnisse und glaube, dass Mehring die Klasse hält.“ Einen Anteil will er daran weiter leisten, indem er Gegner beobachtet und Tipps gibt, wenn er danach gefragt wird. Denn der Fußball, er lässt Robert Jung gewiss nicht los. Der 68-Jährige lacht fröhlich. „Dafür hat er mir zu viel gegeben.“
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