Am 16. März schloss Deutschland die Grenzen zu seinen europäischen Nachbarn. Teilweise kamen andere Länder wie Polen dem deutschen Staat schon zuvor. Doch seit dem ersten Tag kam Kritik an der Maßnahme auf, die täglich lauter und zahlreicher wird. Auch viele Politiker von Kommune bis Bundestag setzen sich für Grenzöffnungen ein. Wie lange wird es noch dauern?
Bitburg/Trier/Berlin. Manche Lebensgeschichten sind schlicht von einem geprägt: Glück. Ein Lied davon kann Stefan* singen. Er lebt seit einigen Jahren an einem grenznahen deutschen Örtchen und hat das besagte Glück, in Luxemburg arbeiten zu können. Seine Freundin hingegen ist Luxemburgerin und lebt im Ländchen. Streng genommen dürften sich die beiden seit dem 16. März nicht mehr sehen. Der Besuch der Freundin ist nämlich von Deutschland aus nicht erlaubt. Würde er regulär zur Arbeit fahren, dürfte er im Feierabend zu ihr. Da er aber Social Distancing wirklich umsetzen möchte, betreibt er Homeoffice. Er dürfte sie also nicht sehen – wie gesagt, streng genommen.
Halten können und wollen sie sich nicht an diese Vorgaben. Sie leben jeweils in einem Single-Haushalt, sind die einzigen Sozialkontakte, die sie pflegen. Stefan gibt bei Kontrollen an, zur Arbeit zu fahren, wenn er zur Freundin möchte. Sie kann ihn derzeit überhaupt nicht besuchen kommen, andernfalls würde sie eine Straftat begehen, die bis zu einer Freiheitsstrafe führen könnte. Es stellt sich die Frage: Ist dieses Verhalten unverantwortlich und risikoreich, weil sie die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus umgehen? Oder umgehen sie nachvollziehbarerweise ein zweifelhaftes Verbot, das ohnehin seinen Zweck nicht erfüllt? Schließlich könnte Stefan ohne Konsequenzen nach München, Berlin oder Heinsberg fahren. Aber nicht zu seiner Freundin, nur wenige Kilometer entfernt?
Viele fordern Grenzöffnung für alle
Viele Menschen möchten die Entscheidung des Bundesinnenministeriums nicht einfach hinnehmen. Besonders Pendler in der Region machen darauf aufmerksam, dass Grenzkontrollen ineffektiv, erschwerend und freiheitsberaubend sind. Und sie werden gehört. Politiker wie Joachim Streit (Freie Wähler), seit 2009 Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, nehmen sich dem Thema an und versuchen auch auf öffentlichem Weg, die Situation zu verändern. Er kritisiert, dass die Kontrollen nur EU-Bürger aufhalten, nicht aber Viren. Und nicht nur die Maßnahme selbst, auch deren Umsetzung sei zu beanstanden. Zudem rief er dazu auf, dass sich alle betroffenen Personen direkt an das Ministerium wenden sollten, um etwas zu bewirken. Parteiübergreifend teilen viele kommunale Politiker diese Ansicht.
Doch auch auf der großen politischen Bühne setzen sich Menschen für die Grenzöffnung ein. Patrick Schnieder (CDU) fordert Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ebenfalls auf, die Maßnahme aufzuheben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion ist seit 2009 für den Wahlkreis Bitburg im Deutschen Bundestag und nicht nur durch seine Mitgliedschaft im Verkehrsausschuss einflussreich.
Druck führte bereits zu Verbesserungen
In einigen Punkten konnten sie schon Verbesserungen erzielen. Zunächst gab es nämlich nur wenige Übergangsmöglichkeiten für Pendler. Der nördlichste Standort um nach Luxemburg zu kommen, war Echternacherbrück / Echternach. Das hat zu der bizarren Situation geführt, dass jemand der beispielsweise in Dasburg (D) lebt und in Marnach (L) beschäftigt ist, anstatt zehn Minuten auf offiziellem Wege über anderthalb Stunden fahren musste. Diese Absurdität wurde dank des Aufschreis der Pendler und des Engagements Schnieders nach einer Woche wieder aufgehoben. Seitdem gibt es auch im Norden Luxemburgs weitere Übergangsmöglichkeiten.
Die Grenzen von Nordrhein-Westfalen nach Belgien und den Niederlanden sind schon seit dem 6. April durch der Landesregierung um Armin Laschet und Herbert Reul (CDU) wieder geöffnet worden, die ebenfalls Seehofer öffentlich widersprechen. Diese Ungleichbehandlung bezüglich der Grenzöffnungen kritisiert Schnieder, der zusätzlich Vorsitzender der Parlamentariergruppe BENELUX im Bundestag ist. Er verlangt, die Entscheidung, die Grenzen bis zum 4. Mai geschlossen zu lassen, zu revidieren.
Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des EU-Parlaments aus Schweich, tut sich ebenfalls schwer. Als überzeugte Europäerin aus der Grenzregion findet sie die Entscheidung fragwürdig. Einreisesperren zu stark betroffenen Gebieten zu verhängen, hält sie für legitim. Doch pauschal nationale Grenzen zu schließen, schmerze sie.
Grenzkontrollen sind ineffizient
Patrick*, Luxemburger mit Wohnsitz in Trier, arbeitet in einem Luxemburger Krankenhaus. Er hält nichts von den Grenzschließungen, findet sie gar diskriminierend. Aufgrund seines luxemburgischen Nummernschilds würde er regelmäßig bis zu 15 Minuten kontrolliert, während deutsche Autos einfach durchgewunken werden würden. Akzeptieren möchte er das nicht. Er hätte auch schon Wege gefunden, Freunde in Frankreich zu besuchen. Ihm sei die europäische Idee der offenen Grenzen heilig. Die Schengener Abkommen müssten umgehend wieder greifen. Seine unerlaubten Besuche wären kein Problem, er würde mit den nötigen Maßnahmen wie Abstandswahrung und den gängigen Hygienevorkehrungen die Ansteckungsgefahr minimieren.
Und überhaupt, er kann viele Dinge nicht nachvollziehen. Was bringe eine Ausweiskontrolle, wo doch Fieberkontrollen angebracht wären? Diese Meinung teilen viele Menschen, wenn man Diskussionen in den Sozialen Medien verfolgt. Auch der schiere Personalaufwand wäre anderweitig nützlicher, zum Beispiel zur Überprüfung der öffentlichen Plätzen. Eine Grenzöffnung wäre längst überällig.
Ob all diese Stimmen im Innenministerium in Berlin Gehör finden, ist schwer vorherzusehen. Womöglich müsste wie in NRW noch zusätzlicher Druck von der Landesregierung folgen, bis Horst Seehofer einlenkt. Bis dahin müssen Pendler und Paare weiter abwarten – oder sich den Regeln auf eigenes Risiko widersetzen.
*Namen wurden auf Wunsch geändert
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Scürmann meint
Macht die Grenzen für alle auf man meint man wäre in der DDR
Alex meint
Die Politiker haben einen Knall was hat Show überhaupt noch zu bedeuten ?? Warum nehmen Sie unsere Freiheit und Rechte weg ?? Wir alle Bürger sind doch kein Eigentum der Regierung, sie können mit uns nicht alles machen was sie möchten !!! So was gabs nicht mal zu Hitler Zeiten schämt euch Frau Merkel und Seehofer!!!!
Lazlo meint
Wie kann solch ein Idiot, wie Seehofer Bundesinnenminister sein, bevor er solch eine Entscheidung trifft, sollte wenigstens nachhaken, wie das Leben in der Grenzregion ist!! Dadurch daß die Deutschen weiterhin zu uns nach Luxemburg tanken und einkaufen können, sogar die Bundespolizei bei uns tankt, werden die Deutschen von der luxemburgischen Bevölkerung nur Abneigung erhalten.
Wenn schon cca. 200.000 Pendler in Luxemburg arbeitet, dann ist das Gefahr um Virus einzuschleppen für uns Luxemburger viel höher.
Hier kommt auch die Frage, was macht in dieser Sache RP Ministerpräsidentin Malu Dreye, sie sollte schon genau wissen, was für ein Blödsinn diese Grenzschließung ist, warum macht Sie sich endlich nicht stark und nützlich, wie NRW Ministerpräsident Laschek und zeigt endlich den Mittelfinger dem blöden Seehofer!!?
Guy Schulte meint
Der Innenminister ist voellig neben der Spur
Guy Schulte meint
Die Poliktiker ticken nicht richtig
Das Virus stoppt nicht an der Grenze
Marianne Bales meint
Meiner Meinung nach bringt die Grenzschliessung nur Unverständnis auch bei den Luxemburgern. Meine Tochter mit Familie wohnt Luxemburg nur 35 km von uns entfernt und wir können uns nicht sehen. Meine beiden Enkel sind 3 Jahre und 4 Monate alt. Es wird sich vorbildlich verhalten sowohl bei Ihrer Familie als auch bei uns. Stellt sich echt die Frage warum diese Entscheidung der Grenzschliessung nicht endlich aufgehoben wird. Nützen tut sie jedenfalls Keinem !!!!