Sebastian Thomas und Marcel Maute haben ein ungewöhnliches Hobby. Sie verschlägt es nicht etwa auf den Fußballplatz oder zum Basketball. Nein, sie sind zwei der wenigen Menschen in Deutschland, die sich noch als echte Gladiatoren bezeichnen dürfen. Wie man ein Gladiator wird, welche Werte vermittelt werden und was es braucht um einer zu werden, erzählen sie uns im Interview.
Sebastian und Marcel ihr seid 25 und 22 Jahre alt und lebt beide in Trier. Erklärt uns doch mal, wie ihr zu eurem Hobby gekommen seid?
Sebastian: Bei mir war es so, dass ich schon sehr lange Kampfsport betreibe, wie Boxen, MMA und Kickboxen. Ich war aber auch immer sehr geschichtsinteressiert. Nach meinem Umzug nach Trier (Anm. Jurastudium) habe ich dann recherchiert und nach einem Verein gesucht der mir all‘ das bieten kann. Dadurch bin ich auf die Gladiatorenschule Trier gestoßen. Dort wurde mir alles geboten was ich gesucht habe: Vollkontakt, historisch geprägt und vom Preis des Equipments, erschwinglich. Mir hat es seit dem ersten Training unglaublich viel Spaß gemacht, die Mischung aus Vollkontaktsport und die Geschichte der Gladiatur kennenzulernen.
Marcel: Ich bin über Sebastian zum Sport gekommen. Wir haben uns kennengelernt, hatten den gleichen Musikgeschmack (Heavy Metal), sind Freunde geworden und schließlich hat „Basti“ mich überzeugt mit zum Training zu kommen. Seitdem bin ich mit Herz und Seele dabei.
Wie kann man sich eine Ausbildung an der Gladiatorenschule Trier vorstellen? Wie oft trainiert ihr dort und geht es rein um das Kämpfen?
Sebastian: Grundsätzlich beginnt man, wie in jedem Kampfsport, mit den Basics. Wenn man zu uns in die Gladiatorenschule kommt, muss man nichts mitbringen, außer ein paar Sportklamotten. Zu Beginn der Ausbildung wird man mit einem Schild und Kurzschwert angelernt, um die asymmetrische Koordination zu lernen. Es ist nämlich gar nicht so einfach, wenn beide Hände unterschiedliche Bewegungen zeitgleich ausführen müssen. Dies dauert in der Regel zwischen 2-4 Monate und man ist soweit geschult, dass man in die „Klassen“ gehen kann. Diese teilen sich in der Gladiatur, je nach Statur und Körpergewicht ein.
Die Ausbildung beinhaltet zu Beginn, vorwiegend das Erlernen der Technik. Man lernt wie man richtig zusticht und vor allem, sich zu schützen. Ein normaler Trainingstag sieht wie folgt aus: Das Training findet im Amphitheater in Trier statt. Dort laufen wir uns erstmal ein paar Runden warm. Danach geht es dann an den sogenannten Palus (Anm. Übungspfahl). Hier wird mit dem Rudis (Anm. Holzschwert) gearbeitet. Man sticht auf den Palus ein und trainiert verschiedene Stichtechniken und Stichwinkel. Weiter geht es mit dem Training in Partnerarbeit. Man bekommt ein Schild in die Hand und lernt grundlegende Techniken zum Thema Deckung. Danach steigert sich das Ganze. Es werden Helme angezogen und der Kontakt rückt mehr und mehr in den Vordergrund. Es werden am Partner Angriffsserien trainiert, bis hin zum Vollkontaktsparring, welches das Training abschließt.
Ihr habt beide bereits angesprochen, dass es euch um mehr geht, als das reine Kämpfen. Könnt ihr uns erklären, welche Werte euch wichtig sind und wie diese in der Ausbildung vermittelt werden?
Sebastian: Beim Thema Werte halten wir es, wie in der antiken Gladiatur. Die Gladiatoren sollten die römischen Tugenden symbolisieren: Tapferkeit, Furchtlosigkeit, Mut, Ehre, wie auch Chancengleichheit. Dies sind die Werte die wir vermitteln wollen und denen wir verpflichtet sind.
Marcel: Der respektvolle Umgang untereinander ist das oberste Gebot, gerade gegenüber den älteren Gladiatoren. Man erledigt als neuer Gladiator (Anm. Tiro) die Dinge, die einem aufgetragen werden. Zusätzlich schaue ich mir zu Hause gerne auch Dokumentationen von der Zeit an und kann mein Wissen dadurch erweitern. Das schafft noch einmal einen anderen Zugang zu der Zeit und den vorgelebten Werten, außerdem lernt man auch ein bisschen Latein nebenbei.
Könnt ihr uns noch etwas zu den Rangordnungen innerhalb der Gladiatur erzählen und welches Standardequipment es bei euch gibt? Man stellt sich Gladiatoren normalerweise mit Schwert, Schild und Helm vor…
Marcel: Bei der Gladiatur treffen zwei ausgeglichene Gegner aufeinander, das heißt auch wenn ihre Rüstung unterschiedlich ist, so soll der Kampf dennoch fair bleiben. Dementsprechend ist immer Chancengleichheit gegeben, weil der Zuschauer unterhalten werden will. Meine Klasse, der Thraex, ist eine mittelschwer gepanzerte Klasse. Zum Equipment gehören zunächst einmal Beinschienen, man ist untenrum fast komplett gepanzert. Zudem hat der Kämpfer eine sogenanntes Parmula (Anm. Kleinschild) und den für Thraker typischen Helm mit Greifenkopf und Federschmuck. Angegriffen wird mit der Sica, einem Krummschwert. Dies zeichnet sich je nach Art, durch eine knapp 45 Grad Krümmung der Klinge aus. Abschließend gibt es noch die Manica (Anm. Armschutz). Sie ist ein Armschutz der sich von der Schulter bis zur Hand erstreckt, denn wenn der Arm ab ist, ist der Kampf vorbei (lacht).
Sebastian: Meine Klasse ist der sogenannte Murmillo, eine der ältesten Klassen der Gladiatur. Sie ähnelt sehr dem römischen Legionär, mit Blick auf das Großschild. Die Ausrüstung besteht ebenfalls aus Beinschiene, Scutum (Anm. Großschild), Helm mit Krempe, Manica und einem Gladius (Anm. Stichwaffe).
Neben den genannten Klassen gibt es aber noch viele weitere Gattungen. Der Hoplomachos, der an den griechischen Hopliten angelehnt ist und mit Speer, Kurzschwert und Rundschild gekämpft hat. Dann gibt es die Provokatoren die mit mittelgroßen Schilden und sehr kurzen Stichwaffen kämpfen. Diese sind im übertragenen Sinn, die Boxer oder Schläger der Gladiatur, weil sie extrem aggressiv mit den Schilden arbeiten. Und natürlich der Publikumsliebling, der Retiarius, der gegen den Secutor kämpft. Dieser zeichnet sich typischerweise durch Dreizack und Wurfnetz aus.
Jetzt habt ihr uns schon einmal einen super Einblick gegeben, was ihr für historische Kleidung und Waffen tragt. Wie reagieren die Leute denn auf euch, wenn ihr die Rüstung anhabt und trainiert?
Marcel: In den meisten Fällen halten die Leute erstmal Abstand und gucken schockiert. Kinder sind da aufgeschlossener und direkt begeistert von dem was wir machen. Nach einer kurzen Zeit kommen die Leute dann aber auf uns zu und fragen, was wir hier genau machen. Wir geben dann auch gerne Auskunft und versuchen die Fragen bestmöglich zu beantworten. Meistens müssen wir uns da aber ein bisschen kürzer halten, weil wir natürlich trainieren. Das ist wie beim Kickboxen auch, da macht man auch nicht einfach mehrere Minuten Pause und erzählt ein bisschen.
Sacramentum Gladiatorum
Was macht einen Gladiator für euch aus und welche Eigenschaften bringt ihr davon mit?
Sebastian: Das muss man ein bisschen unterteilen in das Bild, was Gladiatoren früher in der Antike ausgemacht hat und was heute relevant ist. In der Antike bedeutete die Gladiatur eine Berufung, nicht nur einen Job. Grundsätzlich zeichnet sich für mich ein Gladiator durch Disziplin aus, damals wie heute. Speziell im Vergleich zu den Legionären, den Soldaten jener Zeit, braucht ein Gladiator eine enorme Disziplin, so er denn ein freiwilliger Gladiator und kein Sklave war. Es war quasi ein Vollzeitjob, bei dem man jeden Tag trainieren musste. Man ist in den Ludus (Anm. Gladiatorenkaserne) gegangen, hat trainiert, dann war Mittagspause und danach wurde wieder trainiert. Dies ging 8 Stunden am Tag so. Nach vier Tagen gab es einen Ruhetag und dann ging es wieder von vorne los.
Neben der Disziplin muss ein Gladiator auch eine „Rampensau“ sein. Es muss jemand sein, der gerne vorm Publikum steht, der nicht nur gerne kämpft, sondern der es liebt bejubelt oder sogar ausgebuht zu werden. Das ist auch das, was die Gladiatur, von vielen anderen Sportarten unterscheidet, es geht darum alle Facetten an das Publikum zu tragen und einen tollen Kampf zu bieten. Natürlich ist auch der Sieg wichtig, aber eben nicht alles. Man muss dem Publikum eben einen schönen Kampf liefern. Für uns, die nicht um Leben und Tod kämpfen, ist es schöner einen guten Kampf geliefert zu haben und zu verlieren, als zu Gewinnen und einen unbefriedigenden Kampf geliefert zu haben.
Marcel: Es gibt den Schwur der Gladiatoren, des „Sacramentum Gladiatorum“. Dies mussten Gladiatoren ablegen, wenn sie Eigentum vom Lannister wurden. Natürlich sind wir nun kein Eigentum der Gladiatorenschule, aber für uns bedeutet dieser Eid, für die Schule da zu sein, wenn man uns braucht. Es geht bei mir sogar darüber hinaus, denn für mich ist es eine grundlegende Lebenseinstellung und die alten Römer sind für mich Vorbilder. Ein Gladiator zu sein bedeutet für mich nie aufzugeben, weiterzukämpfen und einen tollen Kampf hinzulegen. Das ist es, was mich anspornt und mir Kraft gibt weiterzumachen.
Wie ist das Gefühl ein Gladiator zu sein?
Sebastian: Ich fasse das mal kurz zusammen: es ist ein Hammer geiles Gefühl. Wenn wir als Truppe zu einer Veranstaltung fahren, haben wir immer das Gefühl wirklich auch die Gladiatoren zu sein. Wir sind diejenigen die sich in der Arena hinstellen und dort richtig kämpfen. Dieses Gefühl mitsamt dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, vor zum Teil 5000 Menschen ist etwas ganz besonders, was man sonst nur bekommt, wenn man beispielsweise Profifußballer ist.
Ein Ereignis war da besonders prägend für mich. Wir waren auf einer Veranstaltung mit einem befreundeten Ludus und haben einen Nachtkampf durchgeführt. Normalerweise machen wir so etwas nicht, weil die Verletzungsgefahr zu hoch ist. Da die dort ebenfalls auftretende Gruppe von Legionären unseren Kampf aber nicht sehen konnte, haben wir eine Ausnahme gemacht. Die Zuschauer waren bereits weg, das Event schon durch. Es waren somit nur noch historisch gekleidete Leute vor Ort. Die Legionäre haben sich dann mit Fackeln um die Arena aufgestellt und wir haben mit Stahlwaffen im Fackelschein, auf Sieg gekämpft. Durch diese Atmosphäre konnte man sich in die damalige Zeit hineinversetzen. In diesem Moment hat man einfach einen Tunnelblick, man denkt anders, man handelt anders. Das war faszinierend.
Marcel: Ich gehe mit einem ganz anderen Gefühl durch die Stadt, man sieht viele Dinge auch anders. Wenn ich in der Arena bin, geht mir schon durch den Kopf, dass hier mal andere Gladiatoren um Leben und Tod gekämpft haben. Wir machen das heute natürlich nicht mehr, aber dieser Mythos und dieser Stolz sind immer noch da und sich Gladiator nennen zu dürfen, ist ein tolles Gefühl. Da geht man auch ganz anders in den Tag hinein. Meine Freunde rufen mir manchmal zu: „Oh da kommt der Gladiator vorbei“ und das fühlt sich echt toll an.
Nachdem was man alles von euch gehört hat, bekommt man richtig Lust, sich das ganze mal anzugucken. Wo tretet ihr denn auf und kann man euch auch für Firmenfeiern oder private Veranstaltungen buchen?
Sebastian: Wir treten meistens auf Römerfesten auf, zum Beispiel hier in Trier bei „Brot und Spiele“ oder bei Veranstaltungen an den Kaiserthermen in Trier. Da sind wir dann auch immer mit dabei als Gladiatorenschule Trier. Grundsätzlich kann uns aber jeder buchen. Wir hatten beispielsweise im letzten Jahr auch Auftritte bei Firmenfeiern, wo wir dann in kleineren Hallen unsere Kämpfe abgeliefert haben. Wir halten uns da aber an die Gladiatoren der Antike: Wenn wir bezahlt werden, dann kommen wir.
Zu guter Letzt: Wie können unsere interessierten Leser, die jetzt Lust bekommen haben mal mitzumachen, ebenfalls Gladiatoren werden?
Marcel: Am besten geht ihr auf unsere Homepage. Ruft uns dann einfach an oder schreibt uns eine Mail an die hinterlegte Adresse. Man kann im Sommer auch einfach mal zum Training bei uns vorbeischauen. Wichtig ist vorher kurz Bescheid zu geben. Wir freuen uns immer auf neue, interessierte Leute.
Vielen Dank an Sebastian und Marcel für das tolle Gespräch!
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