Timing kann man nicht immer beeinflussen. Am Donnerstag musste Curse schon zum zweiten Mal seinen Auftritt im Mergener Hof absagen. Kurz zuvor sprachen wir mit dem (da noch zuversichtlichen) Rapper über seine Stimme, Zeitmanagement und warum keiner zu seinem Konzert kommen soll.
Hallo Curse. Dein Konzert musste ja leider wegen Krankheit verschoben werden. Wie geht es dir denn aktuell? Deine Stimme klingt noch etwas angeschlagen.
Mir geht’s gut, schon viel besser als zuletzt. Ich musste leider wegen einer Bronchitis einige Konzerte absagen. Meine Stimme ist immer noch mitgenommen, da ich auch eigentlich zu viele Gespräche führe – wie jetzt gerade – (lacht), aber insgesamt bin ich wieder fit. Bis zur Tour sollte ich wieder voll genesen sein. Und selbst wenn nicht, habe ich bestimmte Techniken, um meine Stimme vorzubereiten. Während des Auftritts merkt man das dann nicht. Erst am nächsten Morgen merke ich das dann für mich, aber das ist okay.
Ist denn deine Stimme vielleicht auch mit der Zeit empfindlicher geworden?
Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich in den letzten 15 Monaten ein strammes Pensum hatte, das ich sonst eher in drei Jahren absolvieren würde. Ich nehme regelmäßig einen Podcast auf, habe je ein Buch, ein Album und einen Film geschrieben und veröffentlicht, zwei Tourneen gespielt und zwischendrin Vorträge und Seminare gehalten. All das natürlich neben meiner Familie. Da hat sich der Körper dann gemeldet und gesagt: Mach mal halblang.
Abwechslung im Alltag
Du hast das Glück, mit deiner Leidenschaft auch den Lebensunterhalt zu verdienen. Mit deinem strammen Programm kommen aber sicherlich andere Dinge zu kurz, für die du vielleicht gerne mehr Zeit hättest.
Ja klar, schau mal: Selbst wenn du mit deinem Traumpartner zusammen bist, gibt es trotzdem immer Sachen die stressen oder nerven. Das ist mit dem Beruf nicht anders. Natürlich feiere ich nicht jeden Moment, jeden Tag, jeden Aspekt uneingeschränkt ab. Das gute ist, dass ich Abwechslung in meinem Schaffen habe. Und manchmal habe ich auch gar keine Lust auf irgendwas, dann schaue ich halt Netflix oder höre mir ein Hörbuch an. Solche Auszeiten brauche ich wie jeder andere auch.
Kommen wir zu dem Film, den du angesprochen hast. Zu jedem Lied auf deinem Album veröffentlichst du einen Kurzfilm. Wie kam es zu dieser Idee?
Kurz bevor das Album fertig war, hatten wir ein Treffen mit Apple. Denen haben wir schon mal ein paar Sachen vorgespielt. Man kennt sich ja auch mittlerweile ganz gut. Sie wollten ohnehin mein Buch als Hörbuch und auch den Podcast über Apple Music rausbringen. Entsprechend wollten wir die Kooperation weiter ausbauen. Und dann kam die Idee auf, das Album irgendwie zu visualisieren.
Curse: „Da hat sich der Körper gemeldet und gesagt: Mach mal halblang!“
Insgesamt ist es ein 100-minütiger Film, der in 14 Kurzfilme aufgeteilt ist. Eine Mischung aus einem Visual Album und einer Dokumentation. Der Dreh dauerte sechs Monate. Ich konnte das künstlerisch völlig unabhängig gestalten. Solche Freiheiten sind nicht selbstverständlich, ich weiß das sehr zu schätzen.
Dein letztes Album erschien 2014. Hast du dir vorgenommen ein neues aufzunehmen oder ist das eher „zufällig“ in der Zwischenzeit entstanden? Und bist du zufrieden mit dem Ergebnis?
Der Prozess war stetig, ich war eigentlich immer am Musik machen. Irgendwann konkretisierte sich das dann, es zeichnet sich eine Richtung, eine besondere Message ab. Ich mache dann Pläne, Deadlines, so wird es real. Es war eine sehr intensive Zeit, weil, wie schon gesagt, sehr viel parallel in kurzer Zeit entstanden ist. Und mit dem Ergebnis bin ich extrem zufrieden.
Bei jedem Album gibt es Nuancen, die man gerne im Nachhinein gern anders gemacht hätte. Aber eigentlich gibt es sowas wie Perfektion überhaupt nicht. Und das ist ja auch das Schöne. Kunst lebt davon, dass es nicht glattgebügelt ist. Es muss nicht jede Ecke abgerundet sein. Ich bin sehr glücklich, wie das Album klingt und ich liebe es, die Songs davon live zu spielen.
Gutes wird geteilt
Was ist deine Triebfeder für all dein künstlerisches Schaffen über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg?
Ich denke, es ist vor allem nur eine einzige Sache: es ist das Teilen von Sachen, die mich inspirieren und begeistern. Diese eine Sache hat aber viele Gesichter. Wenn ich mal weniger Lust auf Musik habe, setze ich mich ins Wohnzimmer und überlege mir neue Sachen für das Coaching.
Generell liebe ich es, mich mit anderen über Musik oder anderen Dingen auszutauschen, die mir wichtig sind. Ich will mich immer wieder neu inspirieren, mich besser kennenzulernen, meine Mitte finden. Und das mit anderen Menschen zu teilen, beziehungsweise mit ihnen gemeinsam zu machen. Das ist es, was mir so viel Spaß macht. Deswegen liebe ich es auch so sehr, live zu spielen. Man sieht die Menschen, unterhält sich mit ihnen. Das treibt einen an.
Du hast in deinem Lied Kein Weg zurück darüber gesprochen, was du im Nachhinein in deinem Leben alles anders würdest, wenn du könntest. Das ist nun 13 Jahre her. Wie sieht es heute aus? Was würdest du zum Beispiel in den letzten fünf Jahren gerne anders gemacht haben, als es geschehen ist?
Vielleicht hat sich meine Einstellung ein wenig geändert. Es gibt einige Dinge, bei denen ich denke, das war nicht optimal. Dinge bei denen ich das Gefühl habe, dass ich anderen unfair gegenüber war. Wo ich im Nachhinein mir sage: Hättest du besser einmal mehr nachgedacht. Dann hätte ich auch die ein oder andere Entscheidung anders getroffen.
Curse hört nie auf zu lernen
Da man aber nichts rückgängig machen kann, ist meine Einstellung, mich zu fragen, was ich mir daraus mitnehmen kann. Was habe ich gelernt. Mit dieser Betrachtung kann man sich sogar sagen, dass man froh ist, dass es so passiert ist.
Du stehst als Curse seit jeher für Authentizität, nichts vorzugeben zu sein, was man nicht ist. Tut es dir weh, wenn du in die heutige HipHop-Landschaft schaust, wenn dort so viele Rapper mit der gegenteiligen Masche erfolgreich sind?
Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand anderes Erfolg hat, heißt das nicht, dass ich keinen Erfolg habe. Ich gönne jedem alles. Ich freue mich über die riesige Bandbreite, die es im deutschen Rap gibt. Du hast die freie Auswahl was du geil findest. Und das was du scheiße findest, musst du dir ja nicht anhören.
Ich versuche die guten Sachen zu machen und mich mit ihnen zu umgehen, die gute Musik zu hören und zu genießen, anstatt mich über schlechten Sachen aufzuregen.
Was gehört denn zu dem Guten, was du aktuell feierst?
Da gibt es ganz vieles. Einen Chima Ede als Newcomer, Megaloh ist ein wahnsinnig krasser MC. Ich habe großen Respekt für das Unplugged, das Samy Deluxe auf die Beine gestellt hat. Letztens war ich auf einem Konzert von 187 (Straßenbande, A. d. R.), die haben das erfüllt, was ich von einer Live-Show erwarte. Die wissen was sie tun. Das hat mich an die Energie erinnert, als ich als 17-Jähriger auf einem Konzert von Onyx war.
Auf das neue Album von Dendemann bin ich sehr gespannt. Gleichzeitig kann ich mich über einen neuen Verse von GRiNGO freuen. Gute Musik ist gute Musik. Für mich bedeutet das, wenn mich etwas berührt. Das kann mal aus dem Herzen sein, aber auch wenn es einfach eine gute Energie ist.
HipHop für mehrere Generationen
Zum Ende wollen wir natürlich wissen, warum man im Januar unbedingt zu deinem Konzert kommen soll.
Niemand soll sich eine Karte für mich holen. (lacht) Ich möchte dass sie kommen, weil sie Bock draufhaben. Ganz einfach.
Okay, anders gefragt: was erwartet den Besucher?
Die Leute dürfen erwarten, dass sie Musik von allen Alben hören. Wir spielen Musik von 1999 bis 2019. Ich komme mit Kool DJ GQ, mit dem ich seit 20 Jahren unterwegs bin. Ich glaube, bei uns existiert eine sehr gute Atmosphäre. Die Leute wissen, was geboten wird. Es gibt einerseits krasses MC’ing, andererseits geht es ums Herz. Man kann sich was mitnehmen. Mir ist es wichtig, dass die Leute dabei das Gefühl haben, auf einer Reise dabei gewesen zu sein. Solches Feedback bekomme ich immer wieder. Und das ist das Schönste für mich.
Wann das Konzert im Mergener Hof nachgeholt wird, erfahrt ihr bei uns, wenn es bekannt gegeben wird. Warum Curse zum 2. Mal absagen musste, erzählt er hier persönlich. Wir wünschen gute und schnelle Besserung.
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